03.03.2023

OnlineReports

Peter Knechtli verkauft sein Lebenswerk

Nach 25 Jahren ist Schluss. Der Basler Journalist Peter Knechtli (73) übergibt sein Nachrichtenportal in jüngere Hände. Damit tritt ein Online-Pionier des Schweizer Journalismus ab.
OnlineReports: Peter Knechtli verkauft sein Lebenswerk
25 Jahre Zeitgeschichte: Peter Knechtlis erste Gehversuche im Internet, abgebildet auf einem Tablet von heute. (Bilder: onlinereports.ch, persoenlich.com)
von Nick Lüthi

Er brauche die Arbeit, um sich von den Ferien zu erholen, antwortete Peter Knechtli einmal auf die Frage, warum er sogar am Fuss des Leuchtturms noch Basler Lokalnachrichten schreibe. «Mit 73 Jahren werde ich nun wieder ausschlafen und die Ferien auch ohne Arbeit geniessen können», sagt Knechtli im Gespräch mit persoenlich.com. Noch vor fünf Jahren versprach er der BaZ, er mache weiter, bis es ihn «umlegt».

Wie der Journalist am Freitag an einer Medienorientierung in seiner Redaktion am Basler Münsterplatz bekannt gegeben hat, verkauft er seine OnlineReports per 1. Juli 2023. In seine Fussstapfen treten Alessandra Paone und Jan Amsler, zwei mit Stadt und Region Basel bestens vertraute Medienleute: Paone schrieb 14 Jahre für BaZ und BZ Basel, aktuell arbeitet sie im Inland-Ressort des Tages-Anzeigers. Jan Amsler leitet heute das Politik-Team im Lokal-Ressort der Basler Zeitung. Den Einstieg in den Journalismus fand Amsler als Praktikant bei Knechtlis OnlineReports (lesen Sie auch das Interview mit Paone und Amsler).

Paone und Amsler übernehmen mit OnlineReports ein Unternehmen, das bisher als One-Man-Show funktionierte. Peter Knechtli wirkte gleichzeitig als Chefredaktor, Fotograf, Verleger, Anzeigenverkäufer. Diese Fokussierung auf seine Person zeigte sich in den Anfängen noch deutlicher. In der Gründungsphase nannte Knechtli sein Nachrichtenportal «Peter Knechtli Reports». Nach dem offiziellen Start im September 1998 firmierte er die Seite dann um in OnlineReports.

Als Vorbild für einen journalistischen Einmannbetrieb diente Knechtli damals Matt Drudge. Auf seiner rudimentär gestalteten Website «Drudge Report» enthüllte der US-Blogger 1998 die Affäre des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton mit seiner Praktikantin Monica Lewinsky. «Drudge zeigte als einer der Ersten, wie man auch als Einzelperson Journalismus unter die Leute bringt», sagt Knechtli im Rückblick. «Das faszinierte mich, auch wenn ich Drudges konservative Ansichten nicht teile.»

Wie beim «Drudge Report» stehen auch bei OnlineReports Ästhetik und Ergonomie nicht im Vordergrund; die Inhalte sollten für sich sprechen, ganz ohne die Zugabe von trendigem Zierrat. Die Reichweite und Relevanz seiner Beiträge sollten Knechtli recht geben, dass es nicht auf die äusseren Werte ankommt.

Auch als Einzelkämpfer schaffte es Knechtli bis heute, auf dem zunehmend härter umkämpften Basler Online-News-Markt mit Primeurs zu punkten. Mit seinen Kommentaren und Analysen zum politischen Geschehen in den beiden Basel bewegte er sich auf Augenhöhe mit den anderen News-Medien.

Der bescheidene Personalbestand war eine wichtige Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg. Neben Knechtli schreiben noch ein knappes Dutzend regelmässiger Mitarbeitender sowie immer wieder mal eine Praktikantin oder ein Praktikant für OnlineReports. «Reich bin ich nicht geworden, aber ich konnte meine Familie durchbringen und meinen beiden Kindern ein Studium ermöglichen», resümiert Knechtli.

Erträge generierte OnlineReports anfänglich ausschliesslich mit Inseraten und in steigendem Mass über freiwillige Publikumsspenden. Genaue Zahlen verrät Knechtli keine, auch der Verkaufspreis bleibt geheim. Nur so viel: Er habe sämtliche Geschäftsjahre seit 1998 mit schwarzen Zahlen abgeschlossen.

Nun ist es nicht ganz unproblematisch, wenn ein und dieselbe Person Werbung akquiriert und danach kritisch über die Kunden schreiben sollte. Die sprichwörtliche Chinesische Mauer, die Redaktion und Verlag trennen sollte, hält Knechtli für ein «Phantom», wie er in einem Interview zum zehnten Geburtstag seines Newsportals sagte. «Roche, Syngenta oder andere grosse Werbekunden werden von uns nicht einfach pfleglich behandelt. Wir berichten über diese Kunden auch kritisch, wenn es sein muss.» Aber Knechtli macht keinen Hehl daraus, dass das Geld die Berichterstattung schon auch beeinflusst. «Wir gehen mit diesen Kunden anständig um, wie mit allen. Ich möchte aber nicht verhehlen: vielleicht noch ein bisschen anständiger».

Als Peter Knechtli 1998 mit seinen OnlineReports loslegte, war er nicht ein nerdiger Jungspund, der auf den Internet-Trend aufspringen wollte, sondern ein gestandener Berufsmann von 49 Jahren; er hatte damals bereits 25 Jahre als Print-Journalist auf dem Buckel. Die ersten Gehversuche unternahm er Mitte 1970 auf den Jugendseiten des Aargauer Tagblatts, wo er zuvor eine Lehre als Schriftsetzer absolviert hatte. Nach einem Abstecher auf Redaktionen in der Ostschweiz landete er schliesslich in Basel bei der renommierten National-Zeitung. Als diese 1976 in der neuen BaZ aufging, kündigte Knechtli und wechselte zur Migros-Zeitung Tat unter der Leitung von Roger Schawinski. Als dieser sich mit dem orangen Riesen überwarf, stellte dieser die Zeitung ein und entliess das Personal. Knechtli entschied sich gegen eine weitere Anstellung und schrieb fortan als freier Journalist für praktisch alle grossen Tageszeitungen der Deutschschweiz.

Als das World Wide Web ab Mitte der 1990er-Jahre allmählich zum Massenphänomen wurde, war der Schritt zum Online-Publizisten dann nur noch ein kleiner. Knechtli stellte zuerst seine Zeitungsartikel auf eine Website, so wie das heute viele Medienschaffende tun. Fasziniert von den neuen Möglichkeiten für den Journalismus entschied er sich, ganz auf die Online-Karte zu setzen und OnlineReports zu gründen. Der Rest ist Geschichte.



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