Die medienethischen Regeln gelten auch für die Bearbeitung von Leserbriefen. Deshalb sind Leserbriefe zurückzuweisen, die eindeutig nicht gerechtfertigte Anschuldigungen enthalten. Und die Veröffentlichung eines Unfallbildes, das einen sterbenden jungen Mann in Nahaufnahme zeigt, verletzt die Menschenwürde und die Privatsphäre. Die Boulevardzeitung "Blick" hätte darum beides nicht veröffentlichen dürfen. Zu diesen Schlüssen gelangte der Presserat in zwei am Freitag veröffentlichten Stellungnahmen.
Im April 2000 gelangte die Direktion des Busbetriebs Solothurn und Umgebung (BSU) an den Presserat und beschwerte sich in erster Linie über den Abdruck eines Leserbriefes im"Blick", in dem ihr im Zusammenhang mit einem umstrittenen Busbeschaffungsentscheid indirekt die Annahme von Schmiergeldern unterstellt wurde. Darüber hinaus beschwerte sie sich über die aus ihrer Sicht generell "unsachliche Medienkampagne" des "Blick" über den Busbeschaffungsentscheid. In einer zweiten Beschwerde rügte eine Leserin die "schockierende" Bildberichterstattung des "Blick" über einen tragischen Verkehrsunfall, bei dem das Bild eines sterbenden Unfallopfers gross abgedruckt wurde. In seinen Stellungnahmen wies der "Blick" den Vorwurf der unsachlichen Berichterstattung rund um den Busbeschaffungsentscheid der BSU zurück, räumte aber ein, dass es besser gewesen wäre, auf den Abdruck des umstrittenen Leserbriefs zu verzichten. Ebenso räumte "Blick" hinsichtlich des schockierenden Unfallbildes ein, die Grenze des emotional Erträglichen überschritten zu haben.