Anlass zur nun beigelegten Auseinandersetzung gab eine Studie über historische Hausnamen und Darstellungen mit dem Begriff «Mohr» in Zürich. Verfasst hatte sie der Historiker Bernhard C. Schär gemeinsam mit einer Co-Autorin im Auftrag der Stadt Zürich.
Die NZZ stellte am 6. September 2025 die wissenschaftliche Qualität dieser Studie infrage. Autor Michael von Ledebur bezeichnete Schärs Studie als «mangelhaft» und warf den Autoren «abenteuerliche» sowie «falsche» Interpretationen vor. Sein Artikel stützte sich auf ein unveröffentlichtes Gutachten des Historikers Martin Illi, das dieser im Auftrag des Zürcher Heimatschutzes für einen Rechtsstreit mit der Stadt erstellt hatte.
Zentraler Kritikpunkt im Artikel war, dass im ETH-Bericht Quellen falsch interpretiert worden seien. So werde im ETH-Bericht die These vertreten, dass das «Haus zum Mohrenkopf» vor über 500 Jahren seinen Namen erhalten habe, weil die Besitzerfamilie einen abgeschlagenen Kopf eines Schwarzen im Wappen geführt habe. Gemäss dem Gutachten Illi fusst diese These aber auf einer Namensverwechslung: Das Haus gehört demnach einer anderen Familie gleichen Namens. Zudem zeige Illi auf, dass die vermeintliche Besitzerfamilie gar keinen Kopf eines Schwarzen im Familienwappen führte.
Am 12. September verschärfte NZZ-Feuilletonchef Rico Bandle die Vorwürfe in einem ganzseitigen Artikel unter dem Titel «Der Professor, der überall Rassismus sieht». Er behauptete, Schär seien «wiederholt schwere wissenschaftliche Fehler nachgewiesen» worden. Als Gewährsleute nannte er neben Illi eine inzwischen verstorbene Ethnologie-Professorin sowie einen emeritierten Professor für ältere Schweizer Geschichte.
Wissenschaftliche und rechtliche Gegenreaktion
Schär wehrt sich vehement gegen diese Darstellung. Er kritisiert insbesondere, dass die Artikel auf einem nicht öffentlichen Parteigutachten basierten, das wissenschaftlich nicht überprüfbar sei. Zudem verschweige die Berichterstattung, dass Illi die Studie vor ihrer Publikation selbst begutachtet und deren Hauptergebnisse gutgeheissen habe. Die NZZ hatte das Autorenduo des ETH-Berichts vor der Publikation des Artikels mit den einschlägigen Passagen im Illi-Gutachten konfrontiert.
Die zitierten Kritiker hätten sich nie wissenschaftlich mit seiner Forschung befasst und selbst nicht zur Schweizer Globalgeschichte der Neuzeit geforscht. Schär betont, dass seine Forschungen in den letzten zehn Jahren sowohl in internationalen und nationalen Fachkreisen als auch in der NZZ selbst «höchste Anerkennung» gefunden hätten. Die Behauptung wiederholter schwerer wissenschaftlicher Fehler bezeichnete er als «völlig haltlos» und als «gravierenden Angriff» auf seine Reputation.
Der Fall schlug auch sonst Wellen: 670 Professorinnen, Professoren, weitere Forschende und Privatpersonen aus dem In- und Ausland protestierten in zwei öffentlichen Briefen gegen die Artikel.
Aussergerichtliche Einigung
Wie Ende vergangener Woche bekannt wurde, konnten sich die beiden Parteien nun aussergerichtlich einigen. So verpflichtete sich die NZZ, eine Gegendarstellung zu publizieren. Am 16. Oktober 2025 ist sie in der Printausgabe erschienen und online steht sie im Volltext unter den betreffenden Artikeln.
Darin wird klargestellt, dass Schär anhand des unveröffentlichten Gutachtens «kein wissenschaftlicher Fehler nachgewiesen» werde. Unter schweren wissenschaftlichen Fehlern seien «erwiesene Datenmanipulationen, Plagiate oder vorsätzliche Verfälschung von Forschungsergebnissen zu verstehen. Nichts Vergleichbares liegt hier vor».
Auch die Behauptung, Schär seien «nicht zum ersten Mal schwere wissenschaftliche Fehler nachgewiesen worden», wird als falsch bezeichnet. Richtig sei vielmehr, dass ihm «nie wissenschaftliche Fehler nachgewiesen wurden».
Bemerkenswert an der Gegendarstellung: Der sogenannte Redaktionsschwanz fehlt. Anders als bei früheren Gegendarstellungen verzichtet die NZZ-Redaktion auf den Hinweis, wonach die Redaktion an ihrer Darstellung festhält. (nil)


