17.01.2018

Entlassungen bei der SDA

Redaktion fordert ein Konzept statt Kahlschlag

Die Nachrichtenagentur SDA will den Abbau von 40 Stellen bereits auf Ende Monat umsetzen. Dagegen wehrt sich nun die Redaktion und droht mit Streik. «Die Zitrone ist ausgepresst», schreibt sie in einem Brief an den Bundesrat. Dasselbe sagen auch die Chefs der SDA.
Entlassungen bei der SDA: Redaktion fordert ein Konzept statt Kahlschlag
Eine SDA-Mitarbeiterin in der Redaktion in Bern. (Bild: Keystone/Peter Schneider)
Von Michèle Widmer und Edith Hollenstein

Anfang Januar hat die Schweizerische Depeschenagentur (SDA) angekündigt, innert zwei Jahren 40 von 150 Vollzeitstellen abzubauen (persoenlich.com berichtete). Nun geht offenbar alles schneller als angekündigt. Wie der «Tages-Anzeiger» schreibt, werden 90 Prozent der Kündigungen noch in diesem Monat ausgesprochen. Laut mehreren Quellen soll SDA-CEO Markus Schwab dies an einer internen Informationsveranstaltung am Montag gesagt haben. Welche Mitarbeiter betroffen sind, ist allerdings noch nicht klar.

Nun organisiert die Redaktion einen Widerstand. Laut Tagi haben am Dienstagabend 135 Redaktionsmitglieder der Redaktionskommission den Auftrag erteilt, Kampfmassnahmen wie Streiks auszurufen, sollte die SDA-Direktion ihre Forderungen nicht erfüllen. Das Mandat sei mit «überwältigender Mehrheit» beschlossen worden, schreibt die Zeitung. Diese Informationen bestätigt  Sebastian Gänger. Er ist eines von zehn Mitgliedern der SDA-Redaktionskommission. Auf Anfrage von persoenlich.com sagt er am Mittwoch: «Dass die Kündigungen so rasch erfolgen sollen, schockiert uns. Das ist zu wenig durchdacht, eine Hauruck-Übung». Bevor das Unternehmen Kündigungen ausspreche, sollte es eine Strategie über die künftigen Produkte festlegen – nicht umgekehrt. Gänger weiter: «Wir fordern ein Konzept statt einen Kahlschlag!»

«Zitrone ist ausgepresst»

Um politischen Druck auszuüben hat die Redaktion einen offenen Brief an den Bundesrat, die Präsidenten von Stände- sowie Nationalrat, den Bundeskanzler sowie Vertreter der Kantonsregierungen geschickt. «Ein wichtiger Pfeiler der Schweizer Medienlandschaft ist in Gefahr. Die Zitrone ist ausgepresst», heisst es darin. Die SDA verbreite nicht einfach Vorhandenes. Sie beschaffe Information und ordne diese ein. In den Parlamenten verfolge sie auch Debatten, die nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit stünden – zuweilen als einzige. Andere Journalistinnen und Journalisten könnten auf ihre Arbeit aufbauen. Die Dienste in den Sprachen Deutsch, Französisch und Italienisch würden gleichwertig angeboten, obwohl einzig der deutschsprachige Dienst profitabel sei. Damit leiste die SDA einen wichtigen Beitrag zum Austausch zwischen den Sprachregionen. 

Die Redaktion informiert die Empfänger darüber, dass diese Restrukturierung nicht einfach hinzunehmen sei. «Die Einnahmeausfälle sind hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass den Kunden ein genereller Rabatt von 10 Prozent gewährt und ein kostenloser Videodienst geliefert wurde», schreibt die Redaktion in dem offenen Brief. Für sie ist klar, dass die Restrukturierung auch im Zusammenhang mit der Fusion von SDA und Keystone steht, welche derzeit von der Wettbewerbskommission (Weko) geprüft wird (persoenlich.com berichtete).

Darüber hinaus zählt die SDA-Redaktion die Forderungen auf, mit welchen sie an die Geschäftsleitung und den Verwaltungsrat gelangt sind.

  • auf einen Stellenabbau im angekündigten Ausmass zu verzichten
  • der Redaktionskommission mehr Zeit zu gewähren, um Vorschläge zu unterbreiten
  • der Redaktionskommission die dafür nötigen Unterlagen auszuhändigen
  • das künftige Angebot zu definieren und den Eigentümern und Kunden
  • mitzuteilen, was die SDA mit weniger Ressourcen noch leisten kann
  • keine vorgezogenen Massnahmen mit Blick auf die Fusion zu beschliessen bevor diese genehmigt ist
  • auf Rabatte an die Kunden und Gratisangebote wie den Videodienst zu verzichten
  • eventuelle Frühpensionierungen und Entlassungen mit einem Sozialplan abzufedern, der diesen Namen verdient.

 

Chef-Löhne seien zu hoch

Unter den SDA-Redaktoren ist die Unzufriedenheit gross. «Wir fordern, dass solidarisch gespart wird. Es sollen nicht nur die Redaktoren betroffen sein, sondern auch die Mitglieder der Geschäftsleitung. Wir sind der Meinung, dass ihre Löhne nicht einfach nur marktgerecht sind, sondern höher liegen und sie sich weitere nicht dringend nötige Privilegien gönnen», sagt Gänger von der Redaktionskommission gegenüber persoenlich.com.

Zudem kritisiert er die Vorgehensweise. «Damit wir ernsthafte Vorschläge machen können, benötigen wir Einblick in die konkreten, bereits ausgearbeiteten Pläne. Diese liegen vor, uns werden sie jedoch vorenthalten». 

Führung ist anderer Meinung

Die SDA-Führung sieht das anders. «Einzelne Mitglieder der Geschäftsleitung haben letztes Jahr Kürzungen bei ihrem eigenen Lohn vorgenommen», erklärt Christian Winiker, von der SDA beauftragte Kommunikationsexperte auf Anfrage von persoenlich.com. Die SDA-Geschäftsleitung leiste sich keinen Luxus; im Gegenteil: «Sie hat einfache Büros und reist kostenbewusst.»

Auch in Sachen Mitsprache sei das falsch: «Die SDA gibt im Vergleich zu anderen Unternehmen sehr offen Einblick in ihre Zahlen, aber auch das hat seine Grenzen. Detaillierte Informationen zum Geschäftsjahr 2017, wie sie die Redaktionskommission haben möchte, haben wir selbst dem Verwaltungsrat noch nicht vorgelegen können», sagt Winiker. Abgesehen davon sei die Abgabe solcher Informationen schon rein rechtlich nicht erlaubt.

Und bei den Kündigungen bereits bis Ende Monat handle es sich nicht um eine überstürzte Handlung. Die SDA habe während vielen Jahren dank verschiedener Sparmassnahmen Kündigungen verhindern können. «Diese Zitrone ist jetzt aber ausgepresst», sagt Winiker und benutzt dabei exakt dieselbe Formulierung wie die Belegschaft in ihrem Brief an den Bundesrat. Und Winiker weiter: «Jetzt müssen leider auch wir Stellen abbauen». Die SDA wolle rasch bekannt geben wen es betrifft, damit diese Mitarbeitenden nicht lange im Ungewissen blieben. Bis alle diese Massnahmen umgesetzt sind und die Einsparungen im ganzen Umfang wirksam würden, werde es jedoch bis zu zwei Jahre dauern – etwa bei Frühpensionierungen.

Syndicom spricht von «Alibiübung»

Unterstützung erhält die SDA-Redaktion von der Mediengewerkschaft Syndicom und dem Berufsverband Impressum. In einer Mitteilung bezeichnen sie das Konsultationsverfahren, in dem die Arbeitnehmenden das Recht haben, Vorschläge zu machen, wie Kündigungen vermieden, deren Zahl beschränkt und wie die Folgen aufgefangen werden sollen, ist bis anhin eine «Alibiübung».

Sollte die Direktion die Forderungen weiterhin ignorieren will die Redaktion «Kampfmassnahmen» ergreifen. Weitere Informationen dazu gibt sie nicht preis, damit sich die Direktion nicht darauf vorbereiten kann. SDA-CEO Markus Schwab zeigt sich in der SRF-Radiosendung «Rendez-vous» wenig beeindruckt von den Drohungen. «Eine Ansage eines Streiks heisst noch nicht, dass er gemacht wird», sagt er. Das gehöre vielleicht jetzt zur Begleitmusik dieses Prozesses.

 



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Kommentare

  • Oliver Brunner, 19.01.2018 11:48 Uhr
    @weingart Doch, das weiss ich. Aber alle reduzieren. Weil sie sehen, dass diese Art der Spritzkannen-News nicht mehr funktioniert - insbesondere auf dem Internet.
  • Robert Weingart, 19.01.2018 10:21 Uhr
    @Oliver Brunner: Sie scheinen keine Ahnung zu haben, wie viel Tageszeitungen heute noch von Agenturen beziehen.
  • Oliver Brunner, 19.01.2018 09:27 Uhr
    Es scheint einfach kein Bedürfnis nach 1:1 Pressekonferenzen-Berichterstattung zu geben. Die Zeitungen lassen "Nachrichten" vermehrt beiseite und konzentrieren sich auf Klatsch, Blogs und Meinungen. Das erfordert kaum Aufwand und ist nie falsch. Auch die Retter des Journalismus "Republik" u.a. brauchen keine Nachrichtenagenturen. Hier erklären einem Edelfedern, wie es eigentlich hätte sein sollen. Manchmal ändern sich Bedürfnisse und Märkte. Und zu obenstehender Behauptung: Nein, nicht die Mehrheit der Nachrichten, Informationen im Internet stammt von den Agenturen (vielleicht bei 20min, aber dieses Modell ist bald überholt).
  • Lahor Jakrlin, Fruitcake.ch, 18.01.2018 14:17 Uhr
    Was mir gefällt: Bei der SDA (diese liefert übrigens den Grossteil der "SRF-Recherchen" ...) regen sich die MA und stellen auch die Leitung unter Anklage. Und bei SRF? Das überbezahlte Kader hats total vergeigt. Hatte über 3 Jahre Zeit, etwas zu unternehmen, tat aber nada (vermutlich schoben SRG und UVEK in ihrer Beamtenmentalität einander den Ball laufend zu). Jetzt droht, und ich finde zu Recht, ein gewaltiger Schuss vor den Bug von Leutschenbach, niemand weiss, wie es ausgehen wird, noch nie konnte man mit einem Abstimmungszettel so viel Geld auf einmal sparen. Doch die MA von SRF halten wie eine verängstigte Herde still, wagen es nicht, die de Wecks, Leuthards, Cinas, Marchands, Matters etc. an den Pranger zu stellen, stellen die Wahnsinnsgehälter und Goldenen Fallschirme nicht in Frage. Zitterhelden. Und damit selber schuld, wenns am 4.3.2018 wirklich in die Hosen geht.
  • Hardy Jäggi, 18.01.2018 09:18 Uhr
    Christoph Walther war vor Jahren mal Leiter der IT-Abteilung der SDA. Ich habe ihn zu meiner Anfangszeit bei der SDA auch noch erlebt. Was auch immer damals passiert ist, jedenfalls hat das Herr Walther bis heute nicht verarbeiten können und hegt noch immen einen Groll gegen die SDA. Deshalb möchte er die Agentur gerne abschaffen. Seit Jahren schreibt er immer wieder dieselben unwahren Floskeln. Leider werden sie damit nicht wahrer. Ich geben den Herren Oswald und Weingart vollkommen Recht. Es braucht eine unabhängige Nachrichtenagentur die einen Basisdienst für alle anderen Medien erbringt. Zum Kahlschlag bei der SDA: Ich bin erschüttert, wie die SDA demontiert wird. Der Geschäftsleitung scheint es nicht mehr um Journalismus zu gehen. Der Abbau von mehr als 40 Personen (in der Redaktion arbeiten die meinsten Teilzeit) ist meines Erachtens die falsche Massnahme. Es wäre an der Zeit, dass der Verwaltungsrat der SDA einmal Rückgrat zeigt und dafür sorgt, dass die SDA wieder zu dem wird, was sie sein sollte. Es kann ja nicht sein, dass in der nationalen Nachrichtenagentur kein Journalist mehr in der Geschäftsleitung sitzt.
  • Robert Weingart, 18.01.2018 07:40 Uhr
    @Christoph J. Walther: Leider komme ich nicht umhin, Ihre Kompetenz und ihre Kenntnisse des Mediuenbetriebs anzweifeln. Offenbar stammen Sie nicht aus der Branche. Ihre Behauptung ist so was von falsch. Von wem bezieht das Internet die Nachrichten, von wem die 24-Std-Onlineredaktionen? Von Agenturen wie der SDA. Das Gegenteil Ihrer Ausführungen ist der Fall. Nie hat es Agenturen mehr gebraucht als heute, in der die überregionalen Redaktionsressorts ausgedünnt werden.
  • Thomas Oswald, 18.01.2018 05:44 Uhr
    Christoph J. Walther geht bei seinem Kommentar von völlig falschen Annahmen aus. 1. Agenturen erbringen eine Grundleistung, damit nicht alle Kundenredaktionen denselben Fakten hinterherrennen müssen. Diese können damit Geld sparen und sich auf Hintergründe, Kommentare und Eigenrecherchen konzentrieren. Agenturen sind ja keine Konkurrenten der Redaktionen, sondern Dienstleister für sie. 2. Agenturen schreiben nicht einfach unbestätigte "News" aus dem Internet zusammen. Sie überprüfen Informationen und geben nur Bestätigtes weiter.
  • Christoph J. Walther, 17.01.2018 18:15 Uhr
    Tempi passati: Nachrichtenagenturen braucht es im Internet-Zeitalter nicht mehr. Sind sind ein überflüssiges Relikt aus den analogen Zeiten den 20. Jahrhunderts. Sie weiter zu betreiben, heisst, dass dadurch dem Mediensystem wertvolle Ressourcen entzogen werden, die für die Neuausrichtung im digitalen 21. Jahrhundert weit besser gebraucht werden könnten. Fakt eins: Zu analogen Zeiten kosteten Fernmeldeverbindungen ein Vermögen und es war sinnvoll, sie gemeinsam zu nutzen. Heute sind sie, Internet sei dank, so gut wie gratis. Fakt zwei: In vor-digitalen Zeiten waren Nachrichtenagenturen die einzigen, die rund um die Uhr ohne Deadline im Einsatz waren. Heute betreiben alle Medienhäuser Online-Redaktionen, die genau so wie Nachrichtenagenturen arbeiten. So gesehen, wäre es ehrlich und anständig, den Betrieb der SDA ganz einzustellen, anstatt ihre vertraute Marke als Mäntelchen für PR-Aktivitäten zu benutzen. Merke: Wo SDA drauf steht, ist immer weniger Journalismus drin.
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