11.08.2003

Sommer-Tagebuch

Roy Oppenheim über den Zynismus in der Medienbranche

"Zynismus ist die wohl schlimmste Krankheit der Medienmacher und –Macherinnen", schreibt Roy Oppenheim (Bild) im "Sommer-Tagebuch" auf "persoenlich.com". Zum erfolgreichen Überleben in der Medienwelt brauche es ein vernünftiges Verhältnis zwischen Beständigkeit und Erneuerung, ist er überzeugt. Oppenheim muss es wohl wissen, war er doch unter anderem Chef der SF-DRS-Kultur, von Schweizer Radio International sowie von S Plus. Roy Oppenheim, heute Leiter Kommunikation der Rechteverwertungsgesellschaft Suisa, ist der vierte Autor mit Carte Blanche:
Sommer-Tagebuch: Roy Oppenheim über den Zynismus in der Medienbranche

"Unvergesslich ist mir das Erlebnis, als ich vor einigen Jahren mit einem landesweit bekannten TV-Kollegen am Filmfestival von Locarno weilte. Während unserer gemeinsamen Reise ins Tessin war alles normal. Kaum aber tauchten wir in die Menschenmenge auf der Piazza Grande, veränderte mein Kollege sein Verhalten. Der Dialog mit mir wurde auf ein Minimum beschränkt. Sein ganzes Interesse, seine ganze Konzentration schien von der Frage bestimmt: Wer erkennt mich? Wie bekannt (und bedeutend) bin ich?

Medien verändern das Verhalten der Menschen. Sie steigern das Selbstwertgefühl -- oft ins Masslose. Und auf die Dauer können sie zu Selbstüberschätzung, Arroganz und auch Zynismus führen. Beides habe ich im Laufe meiner Medienlaufbahn beobachtet. Zynismus ist die wohl schlimmste Krankheit der Medienmacher und -Macherinnen. Die Boulevardisierung, der vergängliche, oft oberflächliche Charakter der Aktualität (es gibt nichts älteres als die Zeitung von gestern), das Hier und Jetzt... all das führt oft zur einer besonderen Art seelischer Prostitution und letztlich zu Menschenverachtung. Wer ein Leben lang in den Medien, vor allem in den Massenmedien, tätig ist, braucht Standhaftigkeit und ein hohes Mass an Berufsethik.

Immer wieder habe ich mir überlegt, welches die entscheidenden Dinge zum erfolgreichen Überleben in der Medienwelt sind. Dazu gehört ein vernünftiges Verhältnis zwischen Beständigkeit und Erneuerung. Sobald sich Routine, Resignation, Verschleisserscheinungen ankündigen, ist ein Wechsel angesagt. Im Rückblick habe ich durchschnittlich alle 7 Jahre eine neue Aufgabe übernommen (Ressort Kultur im SF DRS, nationale Programmkoordination, Stabschef SRG, Schweizer Radio International, 4. Fernsehkanal, Kommunikation und Marketing etc.). Nur durch regelmässige Wechsel, davon bin ich überzeugt, lässt sich die schnelllebige und oft unbarmherzige Medienwelt bewältigen. Dazu gehören auch Niederlagen nach dem Motto: Was uns nicht umbringt, macht uns stärker.


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