17.04.2019

Schweizer Presserat

RTS hat Informationen unterschlagen

In einem TV-Beitrag ein Dokument einzublenden, reicht nicht zwingend aus, um Fakten zu belegen.
Schweizer Presserat: RTS hat Informationen unterschlagen
Die Anzeigezeit von elf Sekunden erlaubte es laut Presserat nicht, den gesamten Brief sorgfältig zu lesen. (Bild: Screenshot RTS)

Das Einblenden eines Dokuments zum Belegen von Fakten ist ein gängiges Element der Fernsehberichterstattung. Dies allein reicht aber nicht immer aus, um alle massgebenden Informationen zu liefern, hält der Schweizer Presserat fest. Entscheidend ist auch, welche Passagen hervorgehoben werden.

Im Rahmen einer Reportage über Wohngenossenschaften der Sendung «Temps Présent» auf RTS interviewte die Journalistin den Direktor einer Genossenschaft in Genf. Eine zentrale Frage war, ob die Mieter Mietzinssenkungen geltend machen könnten. Unmittelbar nach der positiven Antwort des Direktors wurde ein Brief der Verwaltung eingeblendet, welchen die Mieter als Antwort auf einen Antrag auf eine Mietzinssenkung erhalten hatten. Die Textpassage «keine Mietzinssenkung möglich» wurde optisch hervorgehoben und vorgelesen:

Der Direktor der Genossenschaft reichte eine Beschwerde gegen RTS ein. Er sah insbesondere die Wahrheitssuche dadurch verletzt, dass die erwähnte Aussage nicht näher erklärt wurde. Die Erklärung dafür sei zwar im angezeigten Dokument erschienen, aber ohne Hervorhebung: «(....) Wir erinnern Sie daran, dass Sie einen subventionierten Mietvertrag haben und dadurch von der Senkung des Hypothekarzinses nicht betroffen sind.»

RTS verteidigte sich mit der Aussage, die «wichtigste» Passage hervorgehoben zu haben. Da der ganze Brief gezeigt worden sei, habe der Zuschauer alle relevanten Informationen gesehen. Der Presserat kam zu einem anderen Schluss: Die Anzeigezeit von elf Sekunden erlaubte es nicht, den gesamten Brief sorgfältig zu lesen, wie es in einer Mitteilung vom Mittwoch heisst. Zudem war bewusst die Verweigerung einer Senkung hervorgehoben worden, nicht jedoch die Erklärung dazu. Auf diese Weise wurde den Zuschauern eine wesentliche Information vorenthalten und damit Ziffer 3 der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt. (pd/cbe)



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