21.04.2015

Roger Köppel

"Rückblickend kann man immer alles noch klarer sagen"

Der Weltwoche-Chef über seinen vieldiskutierten TV-Auftritt bei Günther Jauch.
Roger Köppel: "Rückblickend kann man immer alles noch klarer sagen"

Herr Köppel, Sie waren am Sonntagabend bei Günther Jauch in der Sendung. Sind Sie zufrieden mit Ihrem Auftritt?
Ich glaube und hoffe, dass es mir gelungen ist, die zentrale Botschaft zu vermitteln. Erstens: Wir müssen uns von der Illusion verabschieden, alle "Verdammten dieser Erde“ in Europa aufzunehmen, wie Diskussionsteilnehmer Heribert Prantl immer wieder schreibt. Das ist verantwortungsloser moralischer Grössenwahn. Wir können nicht ganz Afrika in Europa aufnehmen bei Jugendarbeitslosigkeitsraten von bis zu 50 Prozent in manchen Teilen der EU. Zweitens: Die illegale Migration über den Todeskanal Mittelmeer ist strikte zu bekämpfen. Man muss den illegalen Migranten unmissverständlich sagen, dass sie keine Chance haben, auf diesem Weg nach Europa zu kommen. Wenn wir das trotzdem zulassen, werden Hunderttausende, vielleicht Millionen kommen mit immer noch mehr Toten. Indem wir die Todesroute übers Mittelmeer schliessen, retten wir Leben. Drittens: Die humanitäre Hilfe, die Infrastruktur für die wirklich Verfolgten, also die Asylberechtigten nach Genfer Konvention, ist in den Krisengebieten wenn nötig auszubauen. Beim Syrienkrieg liegt die Hauptverantwortung bei den Nachbarstaaten, auch bei den steinreichen Öldiktaturen Saudi Arabien, Oman und Katar, die bis jetzt keinen ihrer flüchtenden Glaubensgenossen Zuflucht bieten. Sie können jetzt beweisen, dass der Islam auch eine Religion der Nächstenliebe ist und nicht nur gepachtet wird von IS-Mördern.  

Was würden Sie rückblickend anders machen?
Rückblickend kann man immer alles noch besser und klarer sagen, aber ich schliesse aus den Reaktionen, dass meine Botschaft verstanden und von den allermeisten Zuschauern als vernünftig empfunden wurde.

Nun gab es verschiedene Reaktionen von "verantwortungsloser Demagoge“ (FAZ.de) bis "rhetorische Meisterleistung“ (Spiegel online). Was liegt näher bei der Realität?
Das Thema Asyl muss man mit Herz, aber eben auch mit Hirn und Verstand angehen. Ich bin doch kein Demagoge, wenn ich darauf hinweise, dass wir die illegale Migration bekämpfen müssen. Das ist nicht nur ein Gebot unserer Rechtsordnungen, sondern auch unsere moralische Pflicht. Selbst im deutschen Grundgesetz steht, dass Bürgerkriegsflüchtlinge, Armutsmigranten und Leute in perspektiveloser Situation keinen Anspruch auf Asyl haben. Die deutschen Medien hingegen plädieren dafür, dass man die Rechtsordnung  weiter aufweicht, die Asylgesetze nicht umsetzt und immer mehr illegale Migranten aufnimmt. Damit machen sie jenen Leuten Hoffnung, die mit tödlichem Risiko auf die Boote steigen. Diese Medien-Gutmenschen verschlimmern die Lage, die sie verbessern wollen.

Nun handelt es sich beim ganzen Flüchtlingsdrama im Mittelmeer um ein höchst sensibles Thema, weitaus heikler als Bankgeheimnis oder EU. Wie haben Sie sich auf die Sendung vorbereitet?
Ich habe darüber schon öfters geschrieben, ich war dazu schon früher in deutschen TV-Diskussionen. Aktuell habe ich mich wie immer mit vielen Leuten unterhalten und viel gelesen.

Wie gehen Sie mit dem Vorwurf des "Demagogen“ um?
Der FAZ-Journalist hatte anscheinend keine besseren Argumente, also blieben ihm nur Beleidigungen. Ich treffe mich jederzeit gerne mit ihm, um über Asylpolitik zu sprechen.

Sie hatten in der Sendung ein heftiges Wortgefecht mit dem Süddeutsche-Journalist Heribert Prantl. Hat man sich nach der Sendung ausgesprochen?
Prantl ist sehr wohlhabend, er lebt mit der millionenschweren Erbin des Spiegel zusammen. In seinen Leitartikeln prangert er die EU als „Mörder-Union“ an. Er findet, man müsse alle illegalen Migranten nach Europa lassen, alles andere sei Mord. Wenn er so schlimm findet, warum nimmt er dann selber bei sich in einer seiner Villen keine Flüchtlinge auf? Das ist doch alles scheinheiliger Moralismus, und das musste ich ihm sagen. Es ist auch gefährlich. Prantl schafft als einflussreicher Journalist ein aggressives Gutmenschen-Meinungsklima, das dazu beiträgt, dass die Behörden die Asylgesetze nicht mehr umsetzen und sich niemand mehr traut, die eigene Meinung zu sagen. Warum haben sie sonst einen Schweizer eingeladen, um dieses wichtige Thema zu besprechen? Wir gaben uns nach der Sendung trotzdem die Hand.

Wie war die Reaktion von Moderator Günther Jauch nach der Sendung?
Jauch ist ein wirklich hervorragender Moderator. Ich vermute, er war wie wir alle sehr überrascht von seinem Gast Herr Höppner, der am Schluss eine Schweigeminute für die Opfer forderte.

Wie waren die Reaktionen aus der Schweiz?
Ich hatte sehr viele positive Reaktionen aus der Schweiz, vor allem aber enorm viele Reaktionen aus Deutschland. Die meisten stimmten mir zu, aber natürlich gab es auch Leute, die mich mit den schlimmsten Schimpfwörtern eindeckten. Viele Deutsche schrieben mir, sie seien meiner Meinung, aber so etwas dürfe man als Deutscher nicht sagen, sonst werde man von den Medien verteufelt. Zum Glück leben wir hier in einer direkten Demokratie, wo es die Meinungskartelle der Medien und der Politik viel schwerer haben. Nicht zuletzt wegen der Weltwoche.
 
Viel das Echo heftiger aus, als bei andern TV-Auftritten in Deutschland?
Nach meinem Auftritt zur Masseneinwanderungsinitiative bei "Hart, aber fair“ erhielt ich weit über tausend Mails, die fast ausschliesslich Bewunderung für die Schweiz und ihre direkte Demokratie ausdrückten. Diesmal gab es neben der weit überwiegenden Zustimmung mehr Kritik und deftige Polemik. Das war aber auch abzusehen. Ich betone: Es ist unsere moralische Pflicht, die illegale Migration zu bekämpfen. Sonst machen wir uns mitschuldig am Tod dieser Unglücklichen, die in Europa ein besseres Leben suchen. Schutz für die wirklich Verfolgten in den Krisengebieten und entschlossene Bekämpfung der illegalen Zuwanderung: Das ist das ethisch richtige Verhalten.

Momentan sind Sie im Wahlkampf. Wie gehen Sie mit der Doppelbelastung Chefredaktor Nationalratskandidat um?
Indem ich versuche, etwas früher aufzustehen.

Gestern hat auch Frau Martullo-Blocher ihre Nationalratskandidatur bekanntgegeben. Sehen Sie dies als Konkurrenz oder Bereicherung?
Es ist eine Riesenbereicherung, wenn Unternehmerinnen wie sie in die Politik einsteigen. Es zeigt eben auch, dass es vielen Bürgerlichen geht wie mir. Sie fühlen sich gezwungen, die Missstände in Bern selber anzupacken.

Hat Sie sie im Vorfeld über das Ansinnen informiert?
Bitte um Verständnis, aber über Geheimpläne, Verschwörungen und vertrauliche Absprachen führe ich keine öffentliche Korrespondenz.

Interview: Matthias Ackeret



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