26.11.2003

Sacha Wigdorovits prüft Klage wegen 20 Minuten

Sacha Wigdorovits (Bild), Ex-Journalist und Kommunikations-Berater, lässt rechtliche Schritte gegen die bisherigen Inhaber von 20 Minuten prüfen. Der Aktionär ist der Meinung, die Ablösung des bisherigen Chefredaktors Markus Eisenhut durch Marco Boselli sei nicht im besten Interesse des Blattes und seiner Investoren. Boselli wurde ernannt, weil die Geschäftsleitung gemäss Verkaufsvertrag paritätisch zu besetzen ist: Ein Mitglied darf 20 Minuten Schweiz stellen und eines die Käuferin Express Zeitung AG. "persoenlich.com" hat mit Wigdorovits gesprochen. Das Interview:
Sacha Wigdorovits prüft Klage wegen 20 Minuten

Sie sind mit dem Wechsel in der Chefredaktion von 20 Minuten unzufrieden. Warum?

Weil ich Markus Eisenhut für den besseren Chefredaktor halte. Keiner war in der Schweiz in den letzten Jahren so erfolgreich wie er, er hat das Blatt zu dem starken Titel gemacht, das es heute ist. Dass Eisenhut der eigentlich Richtige ist für diese Aufgabe, gesteht man selbst im Verwaltungsrat von 20 Minuten Schweiz ein. Wenn jetzt der Zweitbeste eingesetzt wird, kann ich das nicht akzeptieren. Die Geschäftsdevise muss doch heissen: Für jede Position den besten Mann. Eine Quotenregelung aus politischen Gründen einzuhalten, ist in privatwirtschaftlichen Unternehmen der Anfang vom Untergang! Als Aktionär der Muttergesellschaft 20 Minuten Holding fühle ich mich geschädigt, weshalb ich nun eine Klage prüfe.

Inwiefern entsteht Ihnen denn ein Schaden?

Bisher wurden 49.5 Prozent der 20 Schweiz Minuten AG an die Tamedia-Tochter Express Zeitung AG verkauft. Die zweite und dritte Tranche über insgesamt 50.5 Prozent werden Ende 2005 und 2006 fällig, wobei der Verkaufspreis an den wirtschaftlichen Erfolg des Titels geknüpft ist. Es ist deshalb in meinem ureigensten Interesse, dass die Führungsspitze von 20 Minuten möglichst stark ist, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

Gegen wen wollen Sie klagen?

Geprüft werden rechtliche Schritte gegen die beiden grossen Aktionäre der 20 Minuten Holding, Schibsted und Apax. Denn diese haben den Vertrag mit der Express Zeitung AG ausgehandelt, wobei Schibsted meiner Meinung nach die Hauptverantwortung trägt. Ich erwäge aber auch, gegen den Verwaltungsrat von 20 Minuten Schweiz AG vorzugehen, weil er meiner Meinung nach die Interessen seiner Firma nicht optimal vertritt. Ob ich überhaupt klage, wird sich erst zeigen. Gegenwärtig prüft mein Anwalt, inwiefern die Rechtsgrundlage und die Erfolgsaussichten vorhanden sind. Ein Verfahren ohne Chancen macht keinen Sinn. Die Resultate erwarte ich im Verlauf der nächsten zwei Wochen, und je nachdem werde ich mich dann mit den anderen in unserer Partnerschaft zusammengeschlossenen Aktionären in Verbindung setzen, zum Beispiel mit Carolina Müller-Möhl.

Käuferin von 20 Minuten Schweiz ist -- via die Express Zeitung AG -- die Tamedia. Welches Interesse sollte an der Werdstrasse bestehen, den eigenen Titel zu schwächen?

Nüchtern betrachtet überhaupt keines, denn 20 Minuten stellt im ganzen Haus Tamedia das einzige Wachstumspotential dar. Wenn man sich allerdings erinnert, wie die Schweizer Verleger in solchen Situationen bisher reagierten, könnte durchaus der Plan bestehen, das Blatt erst zu schwächen und dann zu schliessen. Genau so ist Tamedia Anfang der achtziger Jahre mit dem Züri Leu verfahren. Ausserdem wird für Tamedia der Kaufpreis für die restlichen 50.5 Prozent der Aktien billiger, wenn 20 Minuten geschwächt wird, weil sich dieser Kaufpreis ja basierend auf dem wirtschaftlichen Erfolg berechnet. Tamedia hat deshalb kein Interesse daran, dass der Titel in den nächsten Jahren gewinnbringend arbeitet. Dies zeigt sich auch an einem Konflikt, der gegenwärtig im Aktionariat tobt: Die bisherigen Investoren möchten 20 Minuten wie bisher weiterführen, was in diesem Jahr zu einem Break-Even und ab nächstem Jahr zu beträchtlichen Gewinnen führen würde. Tamedia hingegen möchte neue Investitionen durchsetzen, um so den Ertrag zu verringern und den Kaufpreis zu senken.

Das tönt etwas konspirativ. Sehen Sie keinen anderen Grund, warum Tamedia auf der Einsetzung des "eigenen" Chefredaktors besteht?

Der Hauptgrund liegt wohl im beim Kauf abgegebenen Versprechen, Express und 20 Minuten würden zusammengelegt -- was natürlich nicht stimmt, denn die erfolgreichere Redaktion war ja die von 20 Minuten. Aber gegenüber den eigenen Leuten soll wohl der Anschein gewahrt werden.

Man kennt Sie als gewieften PR-Menschen. Inwiefern spielen heute auch emotionale Komponenten mit? Sind Sie beispielsweise mit Markus Eisenhut befreundet?

Als einzige emotionale Komponente zählt höchstens der Umstand, dass ich beim Aufbau von 20 Minuten mitgeholfen habe und es mir jetzt weh tut, wie man das Blatt langsam aber sicher herunterreitet. Eisenhut habe ich erst über meine Tätigkeit bei 20 Minuten kennengelernt. Ich hege grossen Respekt und bin ihm sehr dankbar für seine Arbeit. Bestimmt ist er im Umgang nicht der Einfachste -- sonst wäre er ja auch kein guter Chefredaktor (lacht). Ich schätze Marco Boselli als Mensch sehr, halte Markus Eisenhut aber für geeigneter auf diesem Posten. Deshalb ist es absurd und für mich als Aktionär unakzeptabel, wenn wegen eines miserablen Verkaufvertrages jetzt der bessere Mann geopfert wird.


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