18.11.2022

Katar 2022

So berichten NZZ, CH Media, Tamedia und SRF

Wenige Tage vor dem Turnierstart im Wüstenstaat: Mit welchem Aufgebot werden die Sportressorts der grossen Medienhäuser die Fussball-WM in Katar begleiten? Wurde auf den Redaktionen ein Vor-Ort-Boykott diskutiert? Eine Umfrage.
Katar 2022: So berichten NZZ, CH Media, Tamedia und SRF
Die Sportchefinnen und Sportchefs äussern sich zur Berichterstattung in Katar (oben v.l.): Alexandra Stäuble (Tamedia), Susan Schwaller (SRF), (unten v.l.) Elmar Wagner (NZZ, NZZ am Sonntag) und François Schmid (CH Media). (Bilder: Keystone, Tamedia, NZZ, SRF/Oscar Alessio, CH Media).
von Tim Frei

Bald hat das Warten für die Fussballfans ein Ende: Am Sonntag um 17 Uhr mitteleuropäischer Zeit startet die Weltmeisterschaft 2022 in Katar mit dem Eröffnungsspiel zwischen dem Gastgeberland und Ecuador. So richtig los geht es für die hiesigen Anhänger allerdings erst am Donnerstag, wenn die Schweizer Nationalmannschaft um 11 Uhr gegen Kamerun ins Turnier steigt.

Nicht nur die Natistars Granit Xhaka, Yann Sommer, Xherdan Shaqiri und Co werden im Wüstenstaat gefordert sein, sondern auch die Schweizer Medienschaffenden. Blick-Fussballchef Christian Finkbeiner nahm im WM-Interview von persoenlich.com zu den Boykott-Aufrufen Stellung und sagte, mit welchem Aufgebot Blick Sport aus Katar berichten wird. Wie sieht es bei den Sportredaktionen der anderen grossen Medienhäuser aus? Mit welchem Team und weshalb werden sie vor Ort berichten? persoenlich.com hat bei NZZ, CH Media, Tamedia und SRF nachgefragt. 

Weshalb auf Vor-Ort-Boykott verzichtet wird

Wohl noch kaum wurde eine WM im Vorfeld dermassen stark kritisiert wie Katar 2022. Das führte in den Wochen und Tagen vor Turnierstart dazu, dass verschiedene Lager einen Boykott vieler Parteien forderten. Deshalb fragt man sich: War es für die Sportredaktionen ein Thema, ob man aufgrund dieser Kritik überhaupt vor Ort berichten soll?

Während das Sportressort von CH Media und der NZZ sich diese Frage nicht gestellt hatten, war dies bei Tamedia der Fall gewesen. An der Werdstrasse fiel die Antwort schliesslich «klar» aus, wie Sport-Ressortleiterin Alexandra Stäuble sagt: «Wir berichten über das Weltgeschehen. Und damit auch über Unsinniges, Unerfreuliches. Über den Krieg in der Ukraine. Oder über diese WM. Und wir tun das nach unseren journalistischen Grundsätzen.»  

Für die NZZ war ein Boykott aus diesem Grund kein Thema: «Als Journalistinnen und Journalisten wollen wir über alle wichtigen Vorgänge möglichst kompetent berichten, aus gut informierter Warte, jenseits von Scheuklappen», sagt Elmar Wagner, Sport-Ressortleiter der NZZ und NZZ am Sonntag. Denn nur so könnten sie zu einem vertieften Verständnis der Verhältnisse beitragen, worauf ihre Leserinnen und Leser zählen würden.

Ähnlich tönt es bei CH Media: «Es besteht ein grosses Interesse unserer Leserschaft an der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft und an der Fussball-WM. Es ist uns ein grosses Anliegen, die Bedürfnisse unserer Leserschaft zu befriedigen», sagt Sport-Ressortleiter François Schmid. Weiter bestehe kein Risiko für ihre Reporter vor Ort. 

Um ein Land und seine Gesellschaft zudem besser kennenzulernen, sei es von grossem Vorteil, wenn man hinreise. «Den Spruch ‹das wichtigste Werkzeug eines Journalisten sind seine Beine› halte ich nicht für falsch», betont Schmid. Wegzuschauen würden sie aus journalistischer Optik für keine Option halten, denn: «Unsere Aufgabe besteht darin hinzugehen, zu fragen, zu beobachten, zu berichten und einzuordnen.» 

Auch SRF hat sich laut Sport-Chefredaktorin Susan Schwaller «bewusst für eine Berichterstattung vom Veranstaltungsort entschieden». Dies aus ähnlichen Gründen wie CH Media, sagt doch Schwaller: «Die Präsenz unserer Mitarbeitenden am Veranstaltungsort erfüllt eine wichtige journalistische Funktion und bietet dem Publikum einen Mehrwert. Die eigenen Eindrücke und selber gesammelten Informationen sind – gerade vor dem Hintergrund der Kritik an dieser WM – grundlegend für eine unabhängige Berichterstattung und ausserdem zentral für den Schweizer Fokus auf dem internationalen Grossanlass.» 


Schwaller präzisiert mit einem Beispiel: «Nur wenn unsere Journalistinnen und Journalisten selber am Austragungsort sind, können sie die Realität rund um die WM-Stadien beschreiben oder etwa auch besondere Vorkommnisse sowie Aktionen auf den Publikumsrängen, die von den TV-Kameras nicht eingefangen werden, schildern.»  

Wie aus Katar berichtet wird

Apropos vor Ort: Die Sportredaktion von Tamedia wird für die Deutschschweiz mit zwei Personen aus Katar berichten. Für das Medienhaus an der Falkenstrasse werden drei Mitglieder der Sportredaktion der Neuen Zürcher Zeitung und der NZZ am Sonntag die WM im Wüstenstaat verfolgen. Sie werden von Daniel Böhm unterstützt, dem für die Region zuständigen Ausland-Korrespondenten. «Somit sind wir personell ungefähr gleich aufgestellt wie zuletzt an den Olympischen Spielen in Peking 2021 und der WM 2018 in Russland», sagt Elmar Wagner. 

Für die Sportredaktion von CH Media werden die Reporter Etienne Wuillemin und Christian Brägger von der Fussball-WM in Katar berichten. «Dabei ist uns wichtig, dass sie nicht nur das sportliche Geschehen im Fokus haben, sondern den Menschen in der Schweiz auch ihre persönlichen Eindrücke vom Land, von der Gesellschaft und von der WM vermitteln», so François Schmid. Die beiden Reporter sollen für die Leserinnen und Leser «quasi das Fenster nach Katar» sein. Zentral sei dabei, «dass der Blick weder durch Vorurteile noch durch Einflussnahme seitens der Fifa oder des Gastgeberlandes verstellt ist».

Gleich 24 Mitarbeitende werden für SRF Sport in Katar zum Einsatz kommen. Ein Vergleich mit den Zahlen der privaten Medienhäuser ist aber nicht angebracht, da das Schweizer Radio und Fernsehen nebst online auch im TV und Radio über die WM berichten wird. Im Zentrum der Sportberichterstattung stehen laut Susan Schwaller schliesslich auch alle 64 Livespiele – sowie das Schweizer Nationalteam, was selbstredend auch für die Verlagshäuser gilt.

Nebst der Crew von SRF Sport werden zwei weitere Medienschaffende aus Katar für das Schweizer Radio und Fernsehen im Einsatz stehen: Das Nahost-Korrespondenten-Duo Anita Bünter und Jonas Bischoff, das für SRF News berichten wird. «Sie bilden die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Realität im WM-Austragungsland ab und ordnen die aktuellen Geschehnisse für das TV-Publikum in der Schweiz ein», sagt Schwaller.

Viele Vorteile aufgrund kurzer Distanzen

Aussergewöhnlich an der diesjährigen WM ist, dass die Stadien innerhalb von nur rund 50 Kilometern Entfernung liegen. Darin sehen die Sportchefinnen respektive Sportchefs Vorteile: Die Wege seien kurz, was den Medienschaffenden mehr Zeit und mehr Möglichkeiten biete – so der Tenor. Die Journalistinnen und Journalisten könnten pro Tag mehrere Termine wahrnehmen, sagt beispielsweise Alexandra Stäuble von Tamedia. 

Oder François Schmid von CH Media: «Statt wie an der WM in Russland vier Stunden im Flugzeug zu verbringen, um von einem Spielort zum nächsten zu fliegen, können unsere Reporter diese Zeit nutzen, um Geschichten zu recherchieren.» Kürzere Wege würden auch bessere Möglichkeiten bei der Kontaktaufnahme mit Journalistinnen und Journalisten aus anderen Ländern und anderen Nationalteams bedeuten.  

Elmar Wagner von der NZZ und NZZ am Sonntag meint zwar, dass die Nähe der WM-Stadien «für unsere Berichterstattung unmittelbar keine grosse Rolle» spielen werde. Dennoch sieht auch er Vorteile für die Medienschaffenden vor Ort: «Wegen der kurzen Distanzen werden sie mehr WM-Spiele live sehen können, was ihnen zu einem runderen Eindruck vom Anlass verhelfen wird.»

Auch Susan Schwaller von SRF Sport ist überzeugt, dass die kurzen Distanzen zwischen den Stadien keinen «unmittelbaren Einfluss» auf die Berichterstattung haben werden. Die Erklärung dafür: Das TV-Hauptstudio befinde sich wie gewohnt in Zürich, SRF berichte auf allen Kanälen aus dem Schweizer WM-Camp und bei Spielen der Schweiz aus einem eigenen TV-Studio im Stadion. Und doch sieht sie für die SRF-Mitarbeitenden vor Ort auch einen Vorteil: «Ohne die langen Reisewege fällt für sie eine zusätzliche Belastung während der ohnehin intensiven Weltmeisterschaft weg.»

Was beim Schweizer WM-Out passieren würde

Einige Schweizer Fans dürften insgeheim vom WM-Titel träumen. Wenn das Team von Trainer Murat Yakin aber nicht bis zum Schluss dabei ist und in der K.O.-Phase oder gar bereits nach der Gruppenphase ausscheiden würde: Wie würde dies das Vor-Ort-Aufgebot der hiesigen Medienhäuser verändern?

«Die beiden Redaktoren, die sich um die Schweizer Nationalmannschaft kümmern, würden ebenfalls nach Hause reisen», sagt Elmar Wagner, Sport-Ressortleiter der NZZ und NZZ am Sonntag. Bei CH Media würde einer der beiden Reporter zurückkehren. Ob der andere nach einem Schweizer WM-Out weiter in Katar bleiben würde, ist laut Sport-Ressortleiter François Schmid noch offen. Ähnlich tönt es bei Tamedia: «Wir werden die Situation nach dem Ausscheiden der Schweiz beurteilen und einen Verbleib in Katar diskutieren», so Sport-Ressortleiterin Alexandra Stäuble.

Bei SRF wird nach dem letzten Schweizer WM-Spiel die Mehrheit der am Veranstaltungsort eingesetzten Mitarbeitenden in die Schweiz zurückkehren. Susanne Schwaller, Chefredaktorin von SRF Sport, ergänzt: «Im Verlauf der K.O.-Phase finden immer weniger Spiele statt, weshalb der Personalbedarf vor Ort laufend sinkt und unsere Mitarbeitenden nach und nach in die Schweiz zurückkehren.»

Aus Schweizer Sicht bleibt zu hoffen, dass die in Katar verbliebenen Journalistinnen und Journalisten die Heimreise möglichst spät antreten werden …



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