20.05.2021

Protest bei Tamedia

So reagiert Tamedia auf die Sexismus-Vorwürfe

Per Mai 2022 will Tamedia den Frauenanteil um vierzehn Mitarbeiterinnen, eine Teamleiterin, sechs Kaderfrauen sowie zwei obere Kadermitarbeiterinnen erhöhen. Die 119 Frauen begrüssen die Schritte.
Protest bei Tamedia: So reagiert Tamedia auf die Sexismus-Vorwürfe
Sexuelle Belästigung, Diskriminierung oder Mobbing wollen von Tamedia nicht mehr toleriert werden. Deshalb wurden nun erste Massnahmen vorgestellt. (Bild: Tamedia/Raisa Durandi)

Grosses Aufsehen Anfang März: 78 Frauen von Tamedia unterzeichneten einen Brief an die Geschäftsleitung, um die Zustände auf den Redaktionen anzuprangern (persoenlich.com berichtete). Von Diskriminierung und strukturellem Sexismus war die Rede. Das Schreiben landete schliesslich auf Twitter, worauf zahlreiche Medien über den Protest berichteten und sich intern weitere Frauen und Männer der Aktion anschlossen

Nun hat Tamedia zuerst am Mittwoch die 78 Frauen und am Donnerstag die restliche Belegschaft über die Massnahmen informiert. persoenlich.com wurden die Infos zugespielt, worauf unsere Redaktion nach Kontakt mit der Kommunikationsstelle von Tamedia eine exklusive Stellungnahme der Geschäftsleitung dazu erhielt.

Ziel: 40 Prozent Frauen auf allen Stufen

Laut Marco Boselli, Co-Geschäftsführer von Tamedia, sind die kommunizierten Ziele Resultate einer internen Arbeitsgruppe unter der Leitung von Priska Amstutz, Co-Chefredaktorin des Tages-Anzeigers, mit dem Thema Diversity und dem Fokus Frauenförderung. Die Arbeitsgruppe ist schon seit Dezember 2020 aktiv, also bereits vor der Publikation des Protest-Schreibens.

Im Zentrum der Resultate steht eine Strategie zur Förderung von Frauen und Steigerung des Frauenanteils, insbesondere in Führungspositionen. Dazu hat sich Tamedia das Ziel gesetzt, auf jeder Stufe nicht weniger als 40 Prozent Frauen zu haben. Auf dem Weg dahin soll der Anteil an Frauen jedes Jahr um fünf Prozent gesteigert werden.

Momentan 15 Prozent Frauen im oberen Kader

Stand Mai 2021 sind 41 Prozent der gesamten Belegschaft des Unternehmens Frauen. Das Problem sind aber einzelne Bereiche, wo Frauen teils stark untervertreten sind. Dies betrifft vor allem die Kaderstufe mit 32 Prozent sowie das obere Kader mit nur 15 Prozent Frauenanteil.

Für Mai 2022 heisst das, basierend auf der heutigen Anzahl von Mitarbeitenden, den Frauenanteil um vierzehn Mitarbeiterinnen, eine Teamleiterin, sechs Kaderfrauen sowie zwei obere Kadermitarbeiterinnen zu erhöhen, wie aus der Präsentation vom Mittwoch hervorgeht.

Dies bedingt aber, dass das Unternehmen die nötigen Rahmenbedingungen schafft, um Mitarbeiterinnen im Unternehmen zu halten, interne Karrieremöglichkeiten für Frauen zu bieten sowie den Frauenanteil bei Neuanstellungen kontinuierlich zu erhöhen. Hierbei soll beispielsweise der Rekrutierungsprozess neu und inklusiver gestaltet werden, wie Boselli sagt.

Für «Vielfalt, Fairness und Respekt»

Als weiterer zentraler Fokus sollen konkrete Massnahmen zur Sicherung von Gleichstellung, Schaffung eines guten Betriebsklimas und einer inklusiven diskriminierungsfreien Unternehmenskultur ergriffen werden.

Boselli: «Wir wollen eine Arbeitgeberin sein, die für Vielfalt, Fairness und Respekt steht und dies auch lebt. Sexuelle Belästigung, Diskriminierung oder Mobbing werden von Tamedia nicht toleriert. In Bezug auf die im offenen Brief der Journalistinnen geschilderten Erlebnisse führen wir, wie angekündigt, eine externe Untersuchung durch.»

Aus diesem Grund habe die Geschäftsleitung die Expertin Christine Lüders beauftragt. Sie berät Unternehmen in den Themen sexuelle Belästigung, Diskriminierung und Diversity und war davor unter anderem Leiterin der deutschen Bundes-Antidiskriminierungsstelle.

Lüders werde dabei vertrauliche Anlaufstelle und Beraterin für betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von sexueller Belästigung, Diskriminierung und Mobbing sein, so Boselli.

Ausserdem soll bei Tamedia eine zusätzliche Lohngleichheitsanalyse im Bereich Publizistik sowie eine Mitarbeitenden-Befragung durchgeführt werden. Diese Resultate sowie jene aus der externen Untersuchung werden voraussichtlich an einer weiteren Mitarbeitenden-Information im August vorgestellt.

Protest-Frauen begrüssen Ziele

Die 119 Frauen, die den Protest-Brief unterzeichnet haben – 78 plus 41, die nachträglich unterschrieben haben – nehmen gegenüber persoenlich.com wie folgt Stellung zu den Massnahmen: «Wir begrüssen es sehr, dass eine externe Person die Vorfälle untersuchen wird. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Christine Lüders. Mit ihr haben wir eine erfahrene und kompetente Beraterin zur Seite und sind entsprechend gespannt auf die Resultate der Untersuchung. Wir begrüssen die Ziele zur Steigerung des Frauenanteils und erwarten, dass die Führungsebene diese konsequent verfolgt.»


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KOMMENTARE

Marcel Marolf
21.05.2021 12:34 Uhr
Die einzige Lösung für diese Art Probleme ist ein Ethic Code. https://www.novartis.com/sites/www.novartis.com/files/code-of-ethics-english.pdf
Tek Berhe
21.05.2021 10:57 Uhr
Was wird dann die Rolle von Claudia Blumer sein. Werden bestehende Prozesse in allen Tx-Firmen überprüft und in neue Prozesse integriert? An was ist dee gegenwärtige Prozess denn eigentlich gescheitert?
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