Es ist ein eingängiges Bild: Schrumpft die SRG, profitieren davon die Privaten – was die einen verlieren, gewinnen die anderen. Wissenschaftliche Untersuchungen aus dem In- und Ausland stützen diese «Crowding-out»-These nicht (persoenlich.com berichtete). Nichtsdestotrotz fordern private Verlage regelmässig ein schlankeres Newsangebot der SRG, weil sie ihr Onlinegeschäft von einem privilegierten Akteur bedrängt sehen.
Grössere Unterschiede – geringere Konkurrenz
Zusätzlichen Stoff für die Diskussion zum Thema liefert eine unlängst veröffentlichte Untersuchung der Universität Zürich zur Frage: Wie unterscheidet sich die inhaltliche Ausrichtung von Online-Newsangeboten der SRG und privater Medien? Daniel Vogler und Linards Udris, die Autoren des Vergleichs, formulieren dazu folgende Hypothese: «Falls sich die inhaltliche Ausrichtung der SRG-Onlineangebote nicht grundsätzlich von derjenigen privater Onlinemedien unterscheiden würde, könnte man zumindest auf inhaltlicher Ebene von einer stärkeren Konkurrenzsituation sprechen.» Oder andersrum: Unterscheiden sich die Inhalte der Newssites von SRG und Privaten, dann stehen sie weniger in Konkurrenz zueinander.
Für den Vergleich haben die Medienwissenschaftler über 11'000 Onlineartikel von Schweizer Medien berücksichtigt. Rund 1500 stammten von Newssites von SRF, RTS und RSI. Die übrigen von zwanzig privaten Medien wie 20 Minuten, NZZ oder Bluewin. Untersucht haben die Medienforscher Themen, Formen, Umfang und Stil der ausgewählten Textbeiträge. Die untersuchten Texte wurden 2022 und 2023 veröffentlicht.
Eigenständiges Profil trotz Überschneidungen
Insgesamt lässt sich das inhaltliche Profil der SRG-Newssites zwischen jenem der privaten Onlineangebote verorten, lautet einer der zentralen Befunde. Was auch heisst: Es gibt zwar Überschneidungen mit den unterschiedlichen Gattungen der Privaten, aber grundsätzlich weisen die Nachrichtenportale von SRF, RTS und RSI ein eigenständiges Profil auf.
Das zeigt sich etwa bei der inhaltlichen Ausrichtung, wo insbesondere zwei Werte auffallen. So weisen die SRG-Portale den geringsten Anteil an lokaler und regionaler Berichterstattung auf im Vergleich mit den Newsangeboten der Privaten – unabhängig davon, ob abonniert oder gratis. Dafür gibt es bei SRF & Co am meisten nationale News im Vergleich mit den privaten Medien. Einen Topwert verzeichnet das SRG-Angebot ebenfalls beim Sport. Hier liegt es ebenfalls an der Spitze, noch vor den Boulevard- und Pendlermedien, denen gemeinhin eine hohe Kompetenz in Sachen Sport zugemessen wird.
SRG mit Bestwert bei Sachlichkeit
Einen Spitzenwert verzeichnet die Newsberichterstattung auf SRG-Websites bei der Sachlichkeit. Nur gerade vier Prozent der ausgewerteten Artikel gelten in der Tonlage als moralisch emotional oder gefühlsbetont. Bei den Abozeitungen liegt der Wert hierfür mit 14 Prozent am höchsten.
Dafür liegen die SRG-Portale bei der Einordnungsleistung deutlich hinter den Abotiteln. Das heisst, die Newssites von SRF & Co. bieten insgesamt weniger Einordnung und Hintergrund als Tages-Anzeiger, NZZ oder CH Media. Das mag auch daran liegen, dass die SRG-Sites insgesamt einen geringeren Anteil an Beiträgen aus den eigenen Redaktionen und viele Texte von Nachrichtenagenturen anbieten.
Beim durchschnittlichen Umfang der untersuchten Texte steht das SRG-Angebot auf der kürzeren Seite. So liegt der Medianwert der Newssites von SRF, RTS und RSI bei 2113 Zeichen. Die Texte auf tagesanzeiger.ch, nzz.ch oder letemps.ch zählen im Schnitt 3716 Zeichen und sind damit fast doppelt so lang. Kürzer als die SRG-Newsbeiträge sind nur die Nachrichten auf Pendler- und Boulevardportalen mit 1415 Zeichen.
Wie es die Autoren der Untersuchung formuliert haben, stehen Angebote, die sich inhaltlich und formal voneinander unterscheiden, in geringerem Masse in Konkurrenz zueinander als weitgehend identische Angebote.
Der Ruf nach Einschränkung wird nicht verstummen
Das eigenständige Profil der SRG-Onlinenews, wie es dieser Vergleich zeigt, erfüllt im Prinzip die Forderung, wonach die SRG nur machen solle, was die private Konkurrenz nicht selbst anbieten könne oder wolle. Ob die Unterschiede indes als gross genug wahrgenommen werden, ist dann Gegenstand der medienpolitischen Diskussion. Dass nun der Ruf nach einer weiteren Einschränkung der Onlineaktivitäten der SRG verstummen wird, ist indes wenig wahrscheinlich.