27.04.2018

DOK

Stadt Grenchen interveniert – SRF lenkt ein

Ein Dokfilm sorgte für Empörung in der Uhrenstadt. Von «schäbigem Boulevard-Journalismus» sprach der Stadtpräsident. SRF publizierte nun seine Gegendarstellung.
DOK: Stadt Grenchen interveniert – SRF lenkt ein
Der «DOK» zeige Grenchen zu einseitig und negativ, finden die Einheimischen. (Bild: Videostill SRF)
von Marius Wenger

Mitte April strahlte SRF den Dokfilm «Die schweigende Mehrheit – Schweizer Nabelschau in Grenchen» aus – er kam in der Solothurner Uhrenstadt nicht gut an. Regisseurin Karin Bauer hatte den Ort zum «Seismografen für die Schattenseiten der Globalisierung» auserwählt.

Der Film zeichnet ein düsteres Bild der Stadt: Sterbende Industriebetriebe, hohe Arbeitslosigkeit, Menschen, die den Glauben an die Politik und die direkte Demokratie verloren haben und den Wahlen fernbleiben. Zudem ein wachsender Ausländeranteil, der die politische Linke schwächt und rassistisches Gedankengut zu befördern scheint – «der Zuschauer wähnt sich im Rust Belt der Schweiz», fasst der «Tages-Anzeiger» die 50 Minuten zusammen.

In Grenchen waren die Reaktionen eindeutig, wie das «Grenchner Tagblatt» einen Tag nach der Erstausstrahlung schreibt: Der Film sei tendenziös, polemisch und einseitig. Diese Meinung teilte auch Stadtpräsident François Scheidegger (FDP): «Ich bin absolut entsetzt!», sagt er gegenüber dem «Grenchner Tagblatt». Das sei «schäbiger» Boulevard-Journalismus und die Filmemacherin habe darauf abgezielt, Grenchen schlecht zu machen.

Die Parteien sämtlicher im Gemeinderat vertretenen Parteien forderten rechtliche Schritte. Scheidegger war erfolgreich – ohne rechtliche Interventionen. Daniel Pünter, Bereichsleiter «DOK» und Reportagen, sagt auf Anfrage: «In einem Gespräch habe ich dem Stadtpräsidenten von Grenchen angeboten, ein Zitat zu ergänzen, in welchem er seine Sicht der Dinge darlegen kann.» Dieses Angebot habe Pünter Aufgrund der journalistischen Haltung des SRF und dem «Anspruch auf Fairness und Transparenz» gemacht.  Die Stellungnahme ist nun auf der Website zum Dokfilm aufgeschaltet. Darin erwähnt der Stadtpräsident insbesondere die positiven wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre, die der Film verschweigt. So etwa, dass die Zahl der Beschäftigten in der Stadt zwischen 2005 und 2015 um 11,9 Prozent gestiegen seien.

Ausserdem wurden nach der Ausstrahlung des Films zwei kurze Sequenzen herausgeschnitten – «aufgrund eines Missverständnisses zwischen der ‹DOK›-Autorin und einer Privatperson», wie Pünter sagt. Beim Ombudsmann sind in der Zwischenzeit gemäss Pünter Beanstandungen zum «DOK»-Film eingegangen.

Die Regisseurin Karin Bauer zeigte sich im Interview mit dem «Grenchner Tagblatt» erschrocken über die heftigen Reaktionen: «Die Intention des Films war, am Beispiel von Grenchen die zunehmende Politikverdrossenheit zu zeigen.» Ein Grenchen-Bashing sei nie ihr Ziel gewesen.

 



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