05.04.2004

"Stefan Barmettler, ist der Facts-Relaunch bloss Origami?"

Am Mittwoch erscheint das Nachrichtenmagazin Facts in neuem Kleid. "persoenlich.com" hat aus diesem Anlass mit Chefredaktor Stefan Barmettler (Bild) gesprochen, der seinen Vorgänger Hannes Britschgi im vergangenen Herbst erst interimistisch ablöste und vor knapp zwei Monaten definitiv eingesetzt wurde. Im Interview verrät Barmettler, welche seine neuen Kolumnisten sind, was er unter "Generation D" versteht und wie man fokussieren kann, ohne Leser zu verlieren. Das Interview:
"Stefan Barmettler, ist der Facts-Relaunch bloss Origami?"

Nach einem Traumjob als USA-Korrespondent tragen Sie nun die Repräsentations-Lasten eines Chefredaktors. Vermissen Sie das Schreiben schon?

Vom Paradies in die Strafkolonie an der Werdstrasse? So wars ja nicht gerade, ich habe schon in New York relativ viel gearbeitet. Die neue Aufgabe als Chefredaktor sehe ich als neue spannende Herausforderung und als persönliche Weiterentwicklung. Schreiben tue ich ja ab und zu immer noch -- letzthin ein Interview, zuvor einen Primeur. Aber klar kommt das zu kurz, das ist die Schattenseite des Jobes.

Welche Ziele haben Sie sich als Chefredaktor von Facts gesteckt?

Wir wollen neue Leserinnen und Leser gewinnen und Facts mit einem neuen Design ins 21. Jahrhundert katapultieren. Schliesslich hat sich das Layout seit der Gründung des Titels 1995 kaum verändert. Unser Anspruch ist es, mit unserem Neukonzept zurück an die Spitze des Zeitschriftendesigns zu gelangen.

"Facts bleibt natürlich Facts" schrieben Sie vergangene Woche im Editorial. Ist der Relaunch demnach bloss Origami?

Nein, das Heft wird sich relativ stark ändern. Wir haben dem Layout eine Frischzellenkur verpasst, wobei wir das alte Facts-Design weiter anklingen lassen -- etwa im nur leicht überarbeiteten Logo oder bei den kleinteiligen Service-Seiten.

Der Fokus des Relaunchs ist also primär gestalterisch?

Nein, parallel dazu findet eine inhaltliche Erneuerung statt. Wir haben uns in letzter Zeit mit diversen erfahrenen Leuten aus anderen Produkten verstärkt -- nun haben wir eine Triple-A-Truppe zusammen. Zusätzlich werden ein paar neue Kolumnisten anheuern -- unter ihnen Christoph Schlingensief oder Thomas Held.

Die Frage zielte eigentlich auf die thematische Ausrichtung ab...

Wir haben eine Zielgruppe im Auge, die wir intern als "Generation D" bezeichnen -- D wie digital. Ein urbanes, emanzipiertes, undogmatisches und politisch offenes Publikum, das Freude hat an der Provokation, am Genuss, das sich über viele Kanäle informiert. Für diese Leute liefern wir den News-Primeur und den Ideen-Primeur, alles elegant angereichert mit Info-Grafiken. Aber eine enge politische Generalausrichtung wird es bei uns nicht geben. Ich bin nicht der Politkommissar, das würde auch nicht zum Haus Tamedia passen.

Wieviele Primeurs gab es denn beispielsweise in der letzten Ausgabe von Facts?

Der grösste war sicher unsere Story über den Kopftuch-Streit in Grenchen, der eine nationale Welle ausgelöst hat. SonntagsBlick hat nachgezogen und uns zitiert, die SonntagsZeitung aus dem Haus Tamedia hat auch nachgezogen, uns aber nicht zitiert... Dann gings im Ziischtigs-Club weiter. Ein Ideen-Primeur war sicher das Interview mit dem Chef-Exorzisten des Vatikans -- der geht regelmässig mit Weihwasser und Holzkreuz auf den Teufel los. Klar: Wir werden nicht jede Woche den World Shaker, den grossen Knaller, haben. Den hat der Spiegel aber auch nicht. Doch wir müssen in jedem Artikel einen added news value bieten, den mit einer spannenden oder unterhaltenden Dramaturgie präsentieren. Vorletzte Nummer hat übrigens hat Die Zeit das Bin-Laden-Titelbild von uns kopiert.

Enter the questionAufgemacht haben Sie dann allerdings mit dem butterweichen Allerweltsthema "Yoga". Warum?

Wir hatten eine Serie schwerer politischer Stoffe hinter uns -- Bin Laden, Blocher, FDP -- da brauchte es aus Mischungsgründen eine andere Titel-Tonalität. Wir haben uns dann für einen Wissenstitel mit hoher persönlicher Betroffenheit entschieden, es hätte allerdings auch ein Lifestyle-Thema sein können. Butterweich war die Story allerdings nicht. Es war eine recherchierter Beitrag darüber, dass die Schulmedizin nun plötzlich fernöstliche Methoden integriert. Als Titelstory in Frage gekommen wäre letzte Woche auch der Beitrag über das Phänome Teufel. Doch dunkle, düstere Titelbilder verkaufen schlecht.

Sie versprachen im Vorfeld des Relaunchs einerseits eine Fokussierung auf Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur, gleichzeitig aber auch Themenbreite. Wie lösen Sie diesen Widerspruch?

Das Schwergewicht liegt -- wie bei jedem Nachrichtenmagazin auf der Welt -- in den Dossiers Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Trotzdem pflegen wir eine Themenbreite. Das schaffen wir, indem wir im neuen Layout kleinere Formate, den Einspalter, einführen. Nun verfügen wir über die ganze Palette -- von der Kleinstgeschichte bis zum ausgewachsenen Zehn-Seiter. Zudem haben wir den Bildanteil massiv reduziert und eine schmalere Typographie gewählt. Das alles schafft Platz für mehr Buchstaben und Themen. Und erhöht nebenbei den Rhythmus im Heft.

Dieser neu entstandene Platz will allerdings gefüllt sein...

Facts-Journalistinnen und -Journalisten haben Drive und sind engagiert. Deshalb erhalten sie ja auch immer wieder Job-Angebote. Zudem haben wir die Effizienz durch eine längerfristige Planung massiv erhöht, das Grobkonzept eines Hefts steht bereits drei bis vier Wochen vor Erscheinen. So allozieren wir unsere knappen Ressourcen. Fettpolster gibt's bei uns nicht. Wir sind in Redaktion und Produktion 65 Leute -- und haben exakt 1.6 Stellen im Sekretariat.

Sie zielen offensichtlich auf eine höhere Positionierung. Können Sie sich den damit verbundenen Leserverlust überhaupt leisten?

Es stimmt, das Heft soll eleganter, sachlicher werden. Aber vieles, was sich als Erfolgsrezept bewährt hat, werden wir beibehalten. Die Tests in diversen Fokusgruppen haben gezeigt, dass die Mischung aus Neuem und Bewährtem gut ankommt. Gleichzeitig haben wir aber auch gemerkt, dass ein zu radikaler Schnitt unsere traditionellen Leser vor den Kopf stossen würde. Das wollen wir vermeiden. Wir müssen also den Spagat schaffen, das angestammte Publikum zu behalten und neue Leserinnen und Leser hinzuzugewinnen. In der gesamten Wirtschaft gibt es letztlich nur eine Richtung: Nach oben, das heisst Wachstum.

Da kommt die Unsicherheit, die durch den Abgang von Roger Köppel bei der Weltwoche entsteht, ja gerade gelegen. Planen Sie jetzt eine Attacke?

Ich habe als Soldat der Schweizer Armee 300 Diensttage auf dem Buckel, pflege aber trotzdem keine Kriegssprache. Nein, wir schielen nicht laufend auf unsere Konkurrenten, sondern wollen unser Nachrichtenmagazin-Geschäft möglichst perfekt machen -- und die Leserschaft damit überzeugen. Ich sehe Facts weniger in Abgrenzung zu den Anderen, wir definieren uns über das Genre und über die Bedürfnisse unserer Zielgruppen. Dazu müssen wir unsere eigene Agenda setzen.

Das ist edel gedacht, doch in der Realität sind die Gewinne des Einen die Verluste des Anderen.

Nicht unbedingt, es gibt auch Nichtleser, die man gewinnen kann. Facts hat bei seiner Gründung neue Leserschichten erschlossen -- vor allem jüngere Leute, die vorher nie über Politik gelesen haben. Heute fehlt manchen Frauen ein passendes Leseangebot im Newsbereich. Wir haben bereits einen Leserinnen-Anteil von 43 Prozent, da gäbe es durchaus weiteres Potential. Aber natürlich sind uns auch ehemalige Cash- oder Weltwoche-Leser willkommen.


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