08.04.2019

Schawinski

Talkshow führt zu Eklat in Deutschland

Nach der Aufzeichnung der aktuellen «Schawinski»-Sendung beschuldigte der Gast Salomé Balthus den Gastgeber. Mit Konsequenzen.
Schawinski: Talkshow führt zu Eklat in Deutschland
Salomé Balthus bei einem Auftritt in der SRF-Sendung «Sternstunde Philosophie». (Bild: Screenshot)

Die aktuelle Ausgabe der Fernsehtalkshow «Schawinski» sorgte in Deutschland bereits vor ihrer Ausstrahlung für Schlagzeilen. Zur Vorgeschichte: Da Talkmaster Roger Schawinski ausser Landes ist, wurde die Sendung mit der bekannten deutschen Edelprostituierten, Philosophin und Autorin Salomé Balthus, bereits vor einigen Tagen im Fernsehstudio der Schweizer Fernsehens aufgezeichnet.

In ihrer Kolumne «Das Kanarienvögelchen» auf welt.de schrieb Salomé Balthus am Sonntag über ihre Erfahrungen bei «Schawinski». Der Moderator habe sie nach ihrem Verhältnis zu ihrem Vater, dem bekannten DDR-Künstler Reinhard Lakomy, befragt: «Es ist wie ein tiefer Schnitt mit einem scharfen Messer, der später erst anfängt zu schmerzen. Dafür dann umso heftiger. Auf dem Monitor erscheinen Bilder. Ich wusste ja, es würde auch um meine Herkunft gehen, meine DDR-Künstler-Eltern - mein Exotenstatus hier im Westen, erst recht in der Schweiz. (...) Schawinski möchte von mir wissen, was mich am meisten schmerzt, wenn ich an meinen Vater denke. Es fällt mir nicht leicht, es in Worte zu fassen, zumindest mündlich so spontan.»

Anschliessend habe Moderator Schawinski – so Balthus in ihrer Kolumne – einen Clip eingespielt, in welcher die berühmte Frauenrechtlerin Alice Schwarzer erklärt habe, dass alle Prostituierten von ihren Eltern missbraucht worden seien. Balthus wörtlich: «Und kaum, dass man diese Aussage richtig verarbeiten könnte, auch ihre Absurdität erkennen, stoppt der Clip und Schawinski stellt mir seine nächste Frage: ‹Hat Ihr Vater Sie als Kind sexuell missbraucht?›»

Gemäss ihrer Aussage erstaunte es Balthus rückwirkend, wie «ruhig» sie blieb. «Dass ich nicht ausrastete, nicht den Faden verlor, nicht Herr Schawinski mein Wasserglas ins Gesicht schüttete. Dass ich nicht aufstand und die Sendung verliess.» Ihren Rückflug nach Berlin habe sie übrigens verpasst, da sie sich auf dem Zürcher Flughafen «zielstrebig betrunken» habe.

Schawinski dementiert die Frage nach dem Vater

Roger Schawinski konfrontierte nach Veröffentlichung der Kolumne Ulf Poschardt, den Chefredaktor der «Welt», da diese Beschreibung in der Balthus-Kolumne eine «arge Verunglimpfung meiner Person und meiner Integrität als Journalist» darstelle. Das Zitat «Hat Ihr Vater Sie als Kind sexuell missbraucht?» sei in der Sendung nie gefallen und erfunden. Als Beleg führte Schawinski eine Abschrift des Gesprächsverlauf an, wo er nach dem Einspieler von Alice Schwarzer fragt: «Ist das bei Ihnen auch der Fall gewesen? Oder würden Sie mir gestehen, wenn es so gewesen wäre?»

Balthus antwortet: «Ich nehme an, wenn ich jetzt Nein sage, was ich tue, kommt bestimmt als nächstes jemand, der behauptet, ich hätte es verdrängt. Ich könnte Ihnen diesselbe Frage stellen, Herr Schawinski.» «Welche Frage?» Balthus: «Diese Frage, ob man als Kind missbraucht worden ist, ob man verdrängte Traumata hat.» Schawinski: «Aha, nee, aber... Sie sagen, Sie können sich daran nicht erinnern?» Balthus: «Es ist nicht der Fall. Ich glaube ich kenne genügend Leute, die mir das auch sagen würden, wenn das der Fall wäre.»

Schawinskis Intervention zeigte Folgen. Die Balthus-Kolumne wurde umgehend gelöscht und der Autorin vom Chefredaktor der «Welt» gekündigt. (ma)


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KOMMENTARE

Jolf Berghaus
11.04.2019 20:21 Uhr
Ob die Frage nun wie behauptet "‹Hat Ihr Vater Sie als Kind sexuell missbraucht?›» oder - wie der Herr in seiner Mitschrift die wohl nicht allen Beteiliugten zugänglich war "«Ist das (sexueller Missbrauch i.d.Kindheiut) bei Ihnen auch der Fall gewesen? Oder würden Sie mir gestehen, wenn es so gewesen wäre?»" lautete ist doch nun wirklich egal - beides ist absolut übergriffig - zumindest wenn man es nicht im Vorgespräch geklärt hat.
Martin Hartmann
10.04.2019 21:42 Uhr
Es würde der falschen Person gekündigt.
Stefan Martig
10.04.2019 19:32 Uhr
Fau Balthus hat die Frage sinngemäss zitiert, anschliessend an die Aussage von A.Schwarzer wo es um Traumatisierung durch väterlichen Missbrauch ging, ist ihr nicht zu verübeln, dass Sie die Frage so (auf ihren Vater bezogen) verstanden hat. Ich kann diese (möglicherweise als Vorwand genommene) Begründung für die Kündigung der Kolumnistin überhaupt nicht nachvollziehen, Frau Balthus hat sich im Interview gegenüber Herrn Schawinsky souverän behauptet.
Jochen Krüger
10.04.2019 15:46 Uhr
ich kannte die Sendung "Sternstunde der Philosophie" aus länger zurückliegenden Momenten am TV, irgendwie ist mir, wenn ich mich nicht täusche, ein Auftritt von Thea Dorn in guter Erinnerung. Hätte ich gewusst, dass Frau Balthus interviewt wird, wäre ich unbedingt Zuschauer gewesen. So habe ich es verpasst, leider. Oder besser Gott sei dank. Mich hätte, in dieser Sendung, die provokative Art der Vorführung eines Gastes sehr gestört! Beim Lesen des Berichts kam mir auch sofort die wortspalterische Rechtfertigung des Herren Schawinskys "hoch". Zuerst dachte ich, ihm sei gekündigt worden, zu Recht, war meine spontane Empfindung. Dass es dann aber die in der Sendung missbrauchte Frau Balthus war, lässt mich von weiterer Lektüre der "Welt" ab sofort wegen Ekels Abstand nehmen. Frau Balthus ist für mich die unangefochtene moralische Siegerin des Disputs. Möge sie bald ein neues Medium für ihre Kolumne finden. Wie wäre es bei "Emma"? Das hätte etwas!
Ernst Mathys
09.04.2019 23:41 Uhr
10:0 für Frau Balthus. Herr Schawinsky konnte Frau Balthus während seines Interviews nicht das Wasser reichen. Seine wiederholten Angriffe parierte sie eloquent. Dass sie sich danach über Herrn Schawinskys Stil öffentlich beschwert, finde ich richtig. Peinlich, wie Herrn Schawinsky danach nichts mehr übrig bleibt, als über seine Beziehungen zu versuchen, Frau Balthus zu schaden. Sein Schuss wird für Herrn Schawinsky zu recht nach hinten losgehen.
Ravena Frommelt
09.04.2019 21:38 Uhr
Wieso wurde ihr gekündigt, anstatt Kolumne erst publiziert, nachdem alle Zitate überprüft worden sind? Voll scheisse für sie, hat sie nicht verdient, denn die Frage ist schon recht persönlich und geht Schawinski nichts an; wieso sollte sie über das in der Öffentlichkeit reden wollen, wenn was dran wäre... Und wenn nichts dran wäre, ist die Frage ebenso grenzüberschreitend. Wenn es ein Psychologe fragen würde, okay, dann seh ich auch den Sinn dahinter, aber medial damit konfrontieren? Sensationsgeilheit.
Mike Holder
09.04.2019 20:02 Uhr
Was soll das alles? Er hat die Frage provokativ und ohne grosse Umschweife gestellt. Respektlos, arrogant! Hoffentlich zieht das schweizer Fernsehen Konsequenzen,
Peter Krähenbühl
09.04.2019 18:56 Uhr
Frau Balthus konnte oder musste die Frage Herrn Schawinskis eigentlich genau in dem Sinne verstehen, der jetzt verneint wird. Ich habe nämlich geschluckt, als er fragte, ob das (eben eine Vergewaltigung) bei ihr auch passiert sei.
Rolf Meier
09.04.2019 12:33 Uhr
Das verstehe ich jetzt auch nicht ganz. Kann das jemand erklären? Das Zitat ist zwar ungenau, aber sinngemäss stimmt es doch.
Julian Stauffer
09.04.2019 10:48 Uhr
Wiso wurde IHR gekündigt? Die Aussage ist ja nicht per se falsch, Sinnesgemäss hat er ja gefrag. Das ist das Problem mit diesem System… IHR wird gekündigt, und nicht mal nachgefragt. ER kann sich weiterhin profilieren und seinen LiberalChauvinismus von sich geben.
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