31.12.2018

Schweizer Presserat

Tamara Funiciellos Handynummer war zuviel

Neben den «Schaffhauser Nachrichten» und Radio Munot hat der Presserat den «Blick» und «Blick am Abend» für einen unsorgfältigen Bericht über Kindsmissbrauch und das Entstellen von Tatsachen kritisiert.
Schweizer Presserat: Tamara Funiciellos Handynummer war zuviel
Die umstrittene Karikatur erschien am 18. August 2018 in den «Schaffhauser Nachrichten». Teile davon wurden durch «20 Minuten» unkenntlich gemacht. (Bild: 20min.ch)

Der Schweizer Presserat hat die «Schaffhauser Nachrichten» und Radio Munot wegen der Publikation der privaten Handynummer von Juso-Chefin Tamara Funiciello gerügt. Kritik gab es auch für den «Blick» und «Blick am Abend» wegen eines unsorgfältigen Berichts über Kindsmissbrauch und des Entstellens von Tatsachen.

Die Veröffentlichung der privaten Handynumer einer kritisierten Person verletze den Schutz der Privatsphäre auch dann, wenn die Nummer sehr einfach eruiert werden könne, hielt der Presserat in einer Mitteilung vom Montag fest.

Er spielte damit auf eine Karikatur der «Schaffhauser Nachrichten» vom 18. August 2018 an, welche die Handynummer der Juso-Präsidentin Funiciello zeigte (persoenlich.com berichtete). Dass diese Nummer sehr einfach zu finden sei, wie dies die Zeitung geltend gemacht habe, ändere nichts daran, dass für einen derart weitgehenden Schritt eine besondere Rechtfertigung gegeben sein müsse.

Dass die Kritisierte halbnackt und Büstenhalter-schwingend karikiert wurde, beurteilte der Presserat hingegen nicht als diskriminierend. Denn die Kritisierte habe eine solche Pose selber im Sinn eines Protestes bewusst öffentlich eingenommen.

Unsorgfältiger Bericht über Kindsmissbrauch

Der «Blick am Abend» wurde wegen eines in den Augen des Presserats unsorgfältigen Artikels über einen schweren Fall von Kindsmissbrauch gerügt. Im Artikel sei der leibliche Vater des Kindes zu Wort gekommen, der den Verdacht geäussert habe, dass die Tochter missbraucht worden sei. Er habe dies der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) gemeldet. Diese sei dem jedoch nicht nachgegangen.

Trotz dieser schweren Beschuldigung habe «Blick am Abend» auf eine Stellungnahme der Kesb verzichtet. Damit sei die im Journalistenkodex vorgeschriebene Anhörung bei schweren Vorwürfen verletzt worden. Neben dem Vater habe die Zeitung keine weitere Quelle genannt. Gleichzeitig seien detaillierte Handlungen des Missbrauchs aufgeführt worden.

Eine massgebliche Quelle, konkret wohl die Anklageschrift, habe die Zeitung nicht genannt und damit wesentliche Informationen unterschlagen. Zudem habe die Redaktion dem Schutz des Kindes nicht ausreichend Rechnung getragen.

Der Presserat anerkenne zwar, dass bei Gewaltverbrechen an Kindern andeutungsweise darüber berichtet werden könne. Höchste Zurückhaltung, wie sie der Kodex verlange, habe sich im Artikel von «Blick am Abend» jedoch nicht gezeigt.

Wahrheitspflicht verletzt

Im Urteil des Presserats haben «Blick» und «Blick am Abend» mit dem Artikel «Sozialamt finanziert Kaufsüchtige» vom 19. Juni 2018 sowie der «Blick» mit einem Folgeartikel die Wahrheitspflicht verletzt und Tatsachen entstellt.

Konkret war in einer Beschwerde beanstandet worden, dass sich eine verstorbene Sozialhilfebezügerin gemäss den Medienberichten neue Kleider, Schuhe und Schmuck im Wert von 100'000 Franken geleistet habe. Dabei stützten sich die beiden Zeitungen auf die Äusserung des Wohnungsverwalters, die in den Augen des Presserats spekulativ erschien.

Es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass «Blick» und «Blick am Abend» sich bemüht hätten, den effektiven Wert der Gegenstände zu eruieren, schrieb der Presserat. Die Zeitungen hätten sich einzig auf die spekulative Aussage des Wohnungsverwalters berufen, nicht relativiert und auch keinen weiteren Hinweis auf die Quelle gemacht.

Fakt war in den Augen der Beschwerdeführerin, dass die 100'000 Franken nicht im Entferntesten der Wahrheit entsprochen hätten. 98 Prozent der Kleider seien gebrauchte Billigware gewesen, die zum Grossteil habe entsorgt werden müssen. (sda/as)

 



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