16.07.2018

Weltwoche

«Unabhängigkeit kommt primär aus innerer Haltung heraus»

Das Amt für Justizvollzug plant ein Jubiläumsheft in Zusammenarbeit mit der «Weltwoche». Viele sehen die journalistische Freiheit gefährdet oder weigern sich mitzuschreiben. «Weltwoche»-Redaktor Alex Baur, der das Heft mitverantwortet, zeigt im Interview wenig Verständnis dafür.
Weltwoche: «Unabhängigkeit kommt primär aus innerer Haltung heraus»
«Wenn es etwas im Amt für Justizvollzug zu kritisieren gibt, werde ich das weiterhin und mit doppeltem Ehrgeiz tun», sagt Alex Baur. (Bild: zVg.)
von Marius Wenger

Im März 2019 feiert das Zürcher Amt für Justizvollzug sein 20-jähriges Bestehen. Zu diesem Anlass möchte das Amt ein Jubiläumsheft herausgeben. Es soll als Beilage der «Weltwoche» und mit gleichem Layout wie das rechte Wochenmagazin erscheinen, was in der Medienlandschaft irritiert, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. In der Projektleitung sitzt neben der Medienchefin des Amts, Rebecca de Silva, und Stabsschef Jérome Endrass auch «Weltwoche»-Redaktor Alex Baur.

Herr Baur, wie kam die Zusammenarbeit zwischen dem Amt für Justizvollzug und Ihnen beziehungsweise der «Weltwoche» zustande?
Als langjähriger Gerichtsreporter habe ich gelegentlich auch mit dem Justizvollzug zu tun, ich kenne deshalb einige Leute bei der Justizdirektion. So wurde ich auf das geplante Jubiläumsheft angesprochen. Ich halte generell nicht viel von solchen Publikationen, weil sie – ausser von den Betroffenen – kaum gelesen werden. Irgendwann kam die Idee auf, dass man etwas Journalistisches machen sollte – und dass eine Vielfalt von Autoren jeglicher Couleur möglichst frei schreiben sollten, was ihnen schon lange unter der Zunge brennt. Ob Kritik oder Lob ist einerlei, Hauptsache es regt zum Denken an. Diese Idee fand den Weg zu Justizdirektorin Jacqueline Fehr, sie zeigte sich offen und interessiert.  

«Ich halte generell nicht viel von solchen Publikationen»  

Weshalb wurde Ihrer Meinung nach die «Weltwoche» als Partner ausgewählt?
Es hat zum einen damit zu tun, dass wir nicht an Zürich gebunden sind. Hätte man Tamedia angefragt, wäre der NZZ-Verlag sauer geworden oder umgekehrt, bei Ringier mangelt es an einem geeigneten Gefäss. Der Weltwoche-Verlag ist ein Aussenseiter. Wir haben mehrfach sehr kritisch über die Zürcher Justizdirektion berichtet – ich erinnere an meine Recherchen zum «Fall Carlos», aber auch etwa an die Berichte zum Thema Verwahrung –, aber wir haben auch immer Gegenmeinungen zugelassen. Die Weltwoche ist und war schon immer ein Autorenblatt, das vieles und vor allem auch Ungewohntes zulässt, schon deshalb war sie prädestiniert. Wahrscheinlich liegt es auch an meiner Person. Bei der Justizdirektion nimmt man mir offenbar ab, dass ich frei von irgendwelchen ideologischen oder politischen Scheuklappen ein spannendes Heft machen will und kann. Und schliesslich hat man ausgerechnet, dass eine journalistische Produktion weniger kostet, als wenn man ein PR-Büro damit beauftragen würde.

Was sind Ihre genauen Aufgaben?
Am Anfang war es nur fachliche Beratung. Nachdem die Justizdirektion beschlossen hat, das Jubiläumsheft über eine Sonderbeilage der «Weltwoche» laufen zu lassen, beteilige ich mich auch bei der Umsetzung, zusammen mit Jerôme Endrass und Rebecca de Silva. 

Welche Vorgaben haben Sie vom Amt?
Ein ansprechendes Jubiläumsheft zu machen, das die wesentlichen Aspekte des Justizvollzugs aus einer ungewohnten oder auch kritischen, eben journalistischen Warte beleuchtet – eine Art Bestandsaufnahme. Andere Vorgaben gibt es nicht, ich fühle mich frei. Sonst würde ich nicht mitmachen.

Mit welcher Auflage wird das Sonderheft erscheinen?
Sie entspricht der Auflage der «Weltwoche» (Anm. d. Red.: 52'543 laut Wemf-Auflagebulletin 2017) plus ein paar tausend Gratis-Exemplare für die Justizdirektion.

Wie häufig publiziert der Weltwoche-Verlag Sonderbeilagen dieser Art?
Meines Wissens hat es eine solche Sonderpublikation bislang noch nie gegeben, ich glaube auch nicht, dass man so etwas regelmässig machen würde. Es ist schon eine spezielle Konstellation. Mit den wirtschaftlichen Belangen habe ich nichts zu tun, doch meines Wissens verdienen wir damit kaum Geld. Mich interessiert nur das Journalistische.

«Wenn wir das ‹Weltwoche›-Label weggelassen hätten, wäre das verlogen gewesen»

Wieso macht man keine klarere Trennung zwischen Sonderheft und «Weltwoche», beispielsweise mit einem klar unterscheidbaren Layout?
Weil es eine journalistische Produktion sein soll, kein PR-Elaborat. Das soll deklariert werden. Wenn wir das Label der «Weltwoche» weggelassen hätten, wäre das verlogen gewesen.

Gäbe es auch Aufträge ähnlicher Art, die Sie aufgrund Ihrer Rolle als Journalist ablehnen würden?
Alles, was über eine Einzelproduktion hinaus geht, würde ich ablehnen. Ich war mein Leben lang Journalist, ich lehne nicht nur PR-Aufträge ab, ich nehme überhaupt keine Aufträge entgegen. Die journalistische Unabhängigkeit stand für mich stets ganz oben, aber diese orientiert sich nicht an Äusserlichkeiten, sie kommt primär aus einer inneren Haltung heraus. Und das beginnt zuerst einmal bei der Redaktion selber – dort wird in der Regel der grösste Druck auf uns Journalisten ausgeübt. All die Bedenkenträger, die nun um die «journalistische Unabhängigkeit» bangen, sollten erst einmal tief in sich selber gehen und dann in den Spiegel schauen. Im Kollegenkreis ist es am schwierigsten, seine Überzeugungen und seine Eigenständigkeit zu wahren.

Weshalb ist für Sie dieses Jubiläumsheft unproblematisch?
Da es von der Idee getragen ist, etwas Journalistisches zu ermöglichen. Für eine beschränkte Zeit arbeite ich nun mit der Justizdirektion zusammen – was für mich übrigens auch ein spannendes Experiment ist –, doch wenn das Heft einmal fertig ist, bestehen keine Verpflichtungen mehr. Es gibt keine Fortsetzung. Wenn es etwas im Amt zu kritisieren gibt, werde ich das weiterhin und mit doppeltem Ehrgeiz tun. Jene Journalistenkollegen, die regelmässig mit der Justizdirektion zu tun haben, sind wahrscheinlich befangener als ich. Und wenn wir von finanzieller Unabhängigkeit reden: Die «Weltwoche» hat keine amtlichen Publikationen, wir bekommen, anders als andere, kein Geld vom Staat.     

«Entscheidend ist der Inhalt, und der soll ein breites Spektrum abdecken»

Viele angefragte Kollegen wollen gemäss Tagi nicht mitmachen – um ihre Unabhängigkeit zu wahren, oder weil sie nicht «im Umfeld der Weltwoche» publizieren wollen. Wie erklären Sie sich das?
Ich habe Autoren aus allen Verlagen und aus allen politischen Lagern angefragt, und ich bürge mit meinem Ruf und Namen dafür, dass sie alle die grösstmögliche journalistische Freiheit geniessen. Das ist ja der Reiz dieses Jubiläumsheftes, das war von Anfang die Idee: Die «Weltwoche» produziert es zwar, doch entscheidend ist der Inhalt, und der soll ein breites Spektrum abdecken. Ich bin nicht mehr als der Coach. Wichtig ist, dass die Autoren etwas von der Materie verstehen, etwas zu sagen haben und schreiben können, egal aus welcher Warte, dass die Fakten stimmen und dass die Texte zum Denken anregen. Anfänglich haben fast alle zugesagt, und es war übrigens von Anfang an deklariert, dass das Heft unter dem Label der «Weltwoche» erscheint. Dann gab es zuerst bei der NZZ ein Verbot, für dieses Heft zu schreiben, einige Autoren sagten mir mit grossem Bedauern ab. In einer zweiten Welle gab es einige Absagen aus dem Haus «Tages-Anzeiger» und, sagen wir mal, linken und linksliberalen Kreisen. Offenbar wurden Autoren moralisch unter Druck gesetzt, ja nicht für dieses Heft zu schreiben. Was soll ich dazu sagen?

Sind Sie überrascht? Oder enttäuscht?
Überrascht hat mich dieser Kleingeist im Schreib-Schrebergarten von Seldwyla nicht, der hier wieder mal zum Tragen kommt. Ich finde diese Haltung kläglich, aber ich lass mich dadurch nicht beeindrucken. Es ist wie es ist, tant pis, keiner muss müssen. Vielleicht ist es auch ganz gut so. Es gibt ja immer noch genügend Freigeister, die sich von einem derartigen Gruppendruck nicht beeindrucken lassen. Und das sind am Ende ja auch die Autoren, welche die guten Geschichten, Essays, Ideen und Kommentare bringen.  

***

Alex Baur hat die Fragen schriftlich beantwortet.



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Kommentare

  • Bébié Hans, 20.07.2018 15:27 Uhr
    Herr Brunner, was soll das? Haben sie es so eilig über etwas zu schreiben, das noch lange nicht erschienen ist? Dies hat echt nichts mit Journalismus zu tun!
  • Victor Brunner, 17.07.2018 08:39 Uhr
    20 Jahre, ist das schon ein Jubiläum, oder will sich das Amt nach Flaach und den Diskussionen um die Isolationshaftbedingungen für Untersuchungshäftlinge mit CHF 100'000 reinwaschen? Wird in der Beilage auch erwähnt warum Urbaniok Gutachten über Menschen schreiben kann die er nie gesehen und nie gesprochen hat? Alex Baur ist entwaffend, wie er sich zum Filz um die Gerichte bekennt. Man kennt sich ja, tauscht sich aus und dann ist der Altjournalist froh wenn er eine Aufgabe vom Filz bekommt! In anderen Fällen würden die Journis der WW, die alles andere als unabhängig sind, laut aufheulen, Kumpanei, Korruption und Steuerverschwendung schreien. In diesem Fall wo die WW von Steuergeldern profitieren kann ist natürlich von Köppel verordnete Grabesruhe in der Redaktion! Eine wesentliche Frage, wer die Beilage lesen will muss die WW kaufen? Da wird eine kleine Gruppe von Lesern einer Randpostille vom Amt für Justizvollzug bevorzugt behandelt. Das ganze Projekt ist ein absolutes nogo und bevorzugt in unzulässiger Weise die rechtsnationale Kampfpostille, die immer gegen den Staat schreibt, aber die hohle Hand macht wenn es etwas zu holen gibt!
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