24.10.2017

Jahrbuch Qualität der Medien

«Wachsendes Marktversagen im Qualitätsjournalismus»

Mark Eisenegger, Hansi Voigt, Res Strehle sowie Anne-Friederike Heinrich diskutierten in Bern über die Befunde aus dem Jahrbuch. Die Qualität der Medien sei gut, waren sich die Vier einig. Zu Diskussionen kam es in Bezug auf Tech-Intermediäre und Medienvielfalt.
Jahrbuch Qualität der Medien: «Wachsendes Marktversagen im Qualitätsjournalismus»
Mark Eisenegger, Leiter des Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) an der Universität Zürich. (Bild: Keystone)
von Marius Wenger

Gleich zu Beginn der Diskussion im Hotel Bellevue Palace in Bern zeichnete sich ab, dass sich die Teilnehmer ziemlich einig sind in der Frage nach der Qualität der Schweizer Medien: Sie sei im Allgemeinen weiterhin gut bis sehr gut – noch. Das grosse Problem hingegen sei das Wegbrechen der Finanzierungsbasis, hauptsächlich verursacht durch den wachsenden Einfluss der Tech-Intermediäre Facebook und Google, die den Grossteil der Werbegelder einnehmen. Zu diesem Befund kam auch das zuvor präsentierte Jahrbuch «Qualität der Medien» des Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög). Und fehlende Einnahmen bedrohen längerfristig auch die Qualität.

Kooperation und finanzielle Förderung als Lösungswege

Mark Eisenegger, kritisierte, dass über die schon lange bekannte Problematik viel zu wenig gesprochen werde, und wenn, dann gehe der Diskurs in die falsche Richtung. Er sprach damit auf die bevorstehende Abstimmung über die «No-Billag-Initiative» an. «Wir haben im Bereich des informationsbasierten Qualitätsjournalismus ein wachsendes Marktversagen, weshalb eine stärkere Medienförderung unumgänglich wird», so der Leiter des fög.

Sowohl Hansi Voigt, ehemaliger «Watson»-Chef und Gründer von «Wepublish», wie auch «Werbewoche»-Chefredaktorin Anne-Friederike Heinrich plädierten für mehr Kooperation unter den Medienhäusern. «Gerade in der Schweiz wäre es verhältnismässig einfach, sich zusammenzuschliessen, und Qualitätsjournalismus nicht mehr gratis verfügbar zu machen», so Heinrich. Nicht nur die Leser, sondern auch und insbesondere die grossen Tech-Intermediäre sollte man so «zum Zahlen zwingen».

Voigt erwähnte Kooperationsmöglichkeiten im Bereich der Infrastruktur. Als weiteres mögliches Geschäftsmodell der Zukunft plädierte Res Strehle für «die Quersubventionierung der Publizistik aus publizistikfernen Bereichen», Voigt zog Stifter-Modelle nach US-amerikanischem Vorbild in Betracht.

Vielfalt und Medienkompetenz sind bedroht

Umstrittener war hingegen die Thematik der Vielfalt: Strehle sah die Vielfalt in den Schweizer Medien gerade im internationalen Vergleich als gut – die Schweiz klage auf hohem Niveau. Voigt stimmte ihm zwar zu, was die Berichterstattung über internationale Themen anbelange, meinte aber: «Sobald es um Regionales geht, steht überall das Gleiche». Es gebe die «guten Kleinen» im Regionaljournalismus durchaus, doch sie erzielten keine Reichweite, so Eisenegger, worauf Voigt ergänzte, dass es genau diese zu fördern gälte.

Ebenfalls zu fördern gelte es die Medienkompetenz der Jugendlichen, die ihre Informationen zunehmend über Social Media beziehen. «Momentan wird unter Medienkompetenz für Jugendliche verstanden, sie zu lehren, sich vor Mobbing zu schützen. Richtige Medienkompetenz bedeutet aber, zwischen wahren, falschen, relevanten und unwichtigen Inhalten unterscheiden zu können», sagt Heinrich. Genau dies will das fög mit einer Online-Plattform, die im Frühling 2018 lanciert wird erreichen, wie Eisenegger sagt.



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Kommentare

  • Oliver Brunner, 24.10.2017 10:32 Uhr
    Irgendwie ist es schon erstaunlich, dass alle diese "neuen" Qualitativ-Blätter als erstes nach öffentlichen Mitteln und Stiftungsgelder rufen. Sehr innovativ. Und ein H. Voigt hat als Chef von 20min-Online und watson dazu beigetragen, das journalistische Niveau zu senken und die Werbepreise zu ruinieren (keine Tarife, die zur Kostendeckung führten).
  • Robert Weingart, 23.10.2017 20:52 Uhr
    Nein, die Qualität ist nicht mehr so gut. Die Vielfalt fehlt, weil Mantelredaktionen zusammengeschlossen werden. Das Geld fehlt vielfach für gut recherchierte Reportagen, stattdessen wird bei ausländischen Blättern eingekauft, statt ein eigenes Netz von Freien zu pflegen - ist halt billiger. Qualität ist vielen nicht mehr viel wert - der Zerfall hat schon begonnen.
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