27.03.2014

Reporter

"Wir merkten, dass wir auf ganz andere Art und Weise arbeiten"

Zwei Schwestern, die beide beim Fernsehen, aber bei Konkurrenz-Sendern arbeiten, spannen jetzt zusammen: Corinne Eisenring, Redaktorin bei "Schweiz Aktuell" und Yvonne Eisenring, Reporterin bei TeleZüri, haben ihren grossen Traum erfüllt und ein gemeinsames Projekt realisiert. Für die Sendereihe "Reporter" reisten sie zwei Wochen nach New York und drehten ihren ersten Dokumentarfilm "Wenn Schwule Kinder kriegen", der am Sonntag auf SRF 1 ausgestrahlt wird. Im Gespräch mit persönlich.com erzählen die beiden von geschwisterlicher Konkurrenz und der eisigen Kälte bei den Dreharbeiten.
Reporter: "Wir merkten, dass wir auf ganz andere Art und Weise arbeiten"

Anstoss für das erste gemeinsame Filmprojekt gab der letzjährige Gewinn des Schweizer Medienpreises in der Kategorie TV. Gleich beide Geschwister waren für ihre Einzel-Projekte nominiert, Corinne wurde ausgezeichnet. Mit dem Preisgeld von 20'000 Franken leistete sich die 28-Jährige eine Kamera-Ausrüstung und wagte sich zusammen mit ihrer 26-jährigen Schwester Yvonne an das Projekt Dokumentarfilm. 

Corinne und Yvonne Eisenring, wollten Sie beide schon immer Journalistinnen werden? 
Corinne: Seit ich 17 war, war mir dieser Berufswunsch klar. Wir haben damals beide bei der Jugendsendung "Videogang" mitgewirkt. Bei Yvonne kam der Wunsch erst ein wenig später auf.

Yvonne: Als Mädchen hatte ich noch das Ziel, Prinzessin zu werden. Aber das hat sich als eher schwierig herausgestellt (lacht). Nach der Matura wollte ich Musical studieren, merkte aber, dass auch dies nicht das Richtige für mich ist. Ich wollte schon immer mit Corinne zusammen arbeiten. Da sie unbedingt Journalistin werden wollte, musste ich mitziehen.

Wie nehmen Sie den Unterschied zwischen Tele Züri und dem staatlich finanzierten SRF wahr? 
Yvonne: Also ich arbeite ja nur 60 Prozent bei Tele Züri. Nebenbei bin ich Kolumnistin bei "Beobachter Natur" und freie Autorin, wobei ich viel für die "Annabelle" und für "Friday" schreibe. Ich schätze diese Abwechslung. Bei Tele Züri haben wir einen riesigen Output: Wir filmen, schneiden und vertonen selber und wir machen die Schlussmoderation der Beiträge.

Corinne: Bei "Schweiz Aktuell" steckt viel mehr Teamarbeit dahinter. Es gibt zwei Dienste: Einerseits den Aktualitätsdienst, in dem wir unter grossem Zeitdruck aus der ganzen Schweiz berichten, andererseits einen Hintergrunddienst für intensiver recherchierte und gestaltete Geschichten und Reportagen. Die Anforderungen sind gross; das Publikum schaut uns sehr genau auf die Finger.

Yvonne EIsenring, Sie sind bereits seit sechs Jahren bei Tele Züri. Viele Videojournalisten werden vom SRF abgeworben. Ist es auch Ihr Wunsch eines Tages von SRF angestellt zu sein und somit wiederum der Schwester nachzuziehen? 
Yvonne: Mein grosser Wunsch ist es, mit Corinne zusammen zu arbeiten. Wo das schlussendlich ist, ist mir egal. Ich bin sehr glücklich bei Tele Züri. Da ich schon so lange dabei bin, geniesse ich eine gewisse "Narrenfreiheit". Das Vertrauen in meine Arbeit seitens des Senders ist gross und ich kann unterschiedliche Beiträge und Serien realisieren, im In- und im Ausland. So durfte ich bereits in meinem dritten Jahr bei Tele Züri für eine Serie auf den Kilimandscharo reisen.

Sie waren im letzten Jahr gemeinsam für den Schweizer Medienpreis in der Kategorie TV nominiert. Wie war die geschwisterliche Konkurrenz untereinander?
Corinne: Die war überhaupt nicht vorhanden. Es war einfach aufregend, zusammen nominiert zu sein. Wir hatten ja auch beide viel Herzblut in unsere Geschichten investiert.

Tauschen Sie sich im Alltag oft aus? 
Corinne: Ja. Wir wissen eigentlich stets, woran die Andere gerade arbeitet. Ganz wenige Male hatten wir sogar die gleichen Themen zu bearbeiten. Da merkten wir, dass durch die verschiedenen Sendungen, trotz gleichem Thema und gleichen Interview-Partnern, eine völlig andere Story entsteht. Ich hole mir aber oft Rat von Yvonne.

Yvonne: Es kommt uns zu Gute, dass wir auf dem gleichen Gebiet arbeiten. So können wir uns gegenseitig absichern. Ich schicke Corinne auch alle Texte zur Korrekturlesung.

Jetzt haben Sie Ihren ersten gemeinsamen Dokumentarfilm realisiert, den die Sendung "Reporter" am Sonntag auf SRF1 ausstrahlt. Ihre Reportage zeigt das Schweizer Schwulenpaar Wolf, das seit längerem in New York lebt und sich in Amerika mithilfe einer Leihmutter und einer Eizellenspenderin den Wunsch nach eigenen Kindern erfüllte. Wie entstand die Idee? 
Yvonne: Ich hatte von diesem Paar gehört und für die "Annabelle" vor einem Jahr darüber geschrieben. Dass ein homosexuelles Paar Kinder haben möchte, finden wir ein spannendes Thema, weil es gesellschaftliche, juristische und ethische Fragen beinhaltet. Der Auslöser für unser erstes gemeinsames Projekt war der Gewinn des Medienpreises, mit dessen Preisgeld sich Corinne eine eigene Kamera-Ausrüstung kaufte.

Corinne: Danach haben wir bei der "Reporter"-Redaktion verschiedene Themen eingereicht; dieses wurde ausgewählt. Das hat uns sehr gefreut, denn "Reporter" ist die Sendung, die wir beide seit Jahren immer schauen. Dass wir nun bereits mit 28, respektive 26 Jahren, einen eigenen "Reporter" realisieren können, war eine grosse Chance. Es ist nicht selbstverständlich, dass auf Junge gesetzt wird und dieses Vertrauen des DOK-Redaktionsleiters Marius Born schätzen wir sehr.

Wie war die Reaktion des Paares auf Ihre Anfrage? 
Yvonne: Sie waren mir gegenüber sehr offen, da sie mich schon kannten. Wir mussten aber trotzdem zuerst Vertrauen schaffen, um sie beispielsweise auch beim Morgenessen und beim ins Bett bringen der Kinder mit der Kamera begleiten zu dürfen.

Corinne: Natürlich haben sie sich im Vorfeld gefragt, wie viel sie von ihrem Familienalltag preisgeben wollen, denn wir hatten von Anfang an die Bedingung gestellt, dass wir einen Einblick ins Familienleben, also private Dinge, filmen wollen. Sie waren aber grundsätzlich sehr motiviert mitzumachen, weil sie einen Beitrag dazu leisten wollten, dass in der Schweiz das Thema diskutiert wird.

Wie lange waren Sie für den Film unterwegs? 
Corinne: Wir waren knapp zwei Wochen in den Staaten, in New York bei der Familie Wolf und in Kalifornien bei der Eizellenspenderin. Insgesamt haben wir an sieben Tagen gefilmt. Es war eine sehr intensive Zeit, von New York sahen wir praktisch nichts.

Yvonne Eisenring, Sie konnten diese zwei Wochen ohne Probleme fehlen bei Tele Züri? 
Yvonne: Da ich nur 60 Prozent arbeite und mit Markus Gilli einen super Chef habe, war das möglich. Er erlaubt mir auch solche Projekte auf anderen Gebieten. Das rechne ich ihm hoch an.

Wie viel Material kam zusammen? 
Corinne: Beinahe zehn Stunden. Wir haben mindestens eine Stunde pro Tag gefilmt, wenn nicht sogar mehr. Der Film dauert 23 Minuten.

Wie war die Arbeitsaufteilung? 
Yvonne: Da ich das Paar schon kannte, kontaktierte ich die beiden Männer und war für die Recherche und das Organisatorische zuständig. Ich habe vor Ort die Fragen gestellt und später den Text geschrieben und vertont. Corinne hat gefilmt und die Geschichte geschnitten.

Corinne: Und ich habe das Konzept geschrieben.

Yvonne: Irgendwann beim Dreh sagte ich zu Corinne, dass ich es total aufregend finde, dass wir ein Konzept haben. Darauf sah sie mich überrascht an und fragte mich, ob ich nie mit einem Konzept arbeite.

Corinne: Da merkten wir, dass wir auf ganz andere Art und Weise arbeiten. Yvonne hatte noch nie im Leben überhaupt ein Konzept für einen Beitrag geschrieben und ich würde niemals ohne eins an eine Sache rangehen. Ich muss jeweils auch meinem Produzenten etwas vorlegen, bevor ich mit dem Dreh beginne. Wir besprechen den möglichen Inhalt sehr genau. Improvisieren kann man später immer noch, aber ich finde es wichtig, einen roten Faden zu haben.

Wird der Film auch noch auf einem anderen Sender ausgestrahlt, beispielsweise auf Tele Züri? 
Corinne: Das ist unrealistisch, denn die Rechte des Films liegen bei SRF.

Yvonne: Tele Züri hätte auch nicht das passende Sendegefäss.

Ich nehme an, die Familie mit den zwei Vätern hat den Film bereits gesehen. Was haben Sie von ihnen für ein Feedback erhalten? 
Yvonne: Sie haben ihn noch nicht gesehen.

Corinne: Aber wir haben von ihnen trotzdem schon ein Feedback erhalten. Sie haben uns zum Schluss gesagt, dass es anstrengend war, während der Dreharbeiten ständig von der Kamera begleitet zu werden, aber dass sie unsere Arbeit geschätzt haben.

Haben Sie noch Kontakt zu ihnen? 
Corinne: Regelmässig per Mail. Ich bin gespannt, wie sie auf den "Reporter" reagieren. Sie wissen am besten, wie oft wir sie gefilmt haben und was gekürzt wurde.

Welches waren die grössten Herausforderungen beim Dreh selber? 
Yvonne: Der Jetlag. Wir sind nach der Ankunft halb tot umgefallen. Da war es schon vorteilhaft, wenn man mit der eigenen Schwester unterwegs ist, die so vertraut ist, dass man sich ohne grosse Absprachen versteht.

Corinne: Zudem herrschte eine eisige Kälte: Es war minus zehn Grad und in den Strassen New Yorks blies ein kalter Wind. Als wir die Aussenaufnahmen gedreht haben, mussten wir uns nach wenigen Minuten im Café aufwärmen gehen. Ich habe noch nie so gefroren wie bei diesem Dreh.

Yvonne: Der Rest war wirklich super, auch weil wir uns perfekt ergänzen. Corinne filmt gerne, ich texte gerne und sie wiederum liebt, es, einen Film zu schneiden, was ich als Horror empfinde. Wenn wir beide Spass an den gleichen Dingen hätten, wäre es uns nicht so einfach gefallen.

Welches war der emotionalste oder schönste Moment für Sie? 
Yvonne: Als der Film fertig vertont war, begann ich beinahe zu weinen. So viel Arbeit und immer die Angst, dass etwas schief geht, und dann hast du das fertige Produkt, das ist unglaublich schön.

Corinne: Für mich war es der Moment, als wir im Flugzeug zurück von New York nach Zürich sassen. Es war für mich der erste Dreh im Ausland. Meine grösste Angst war, dass irgendetwas mit der Technik nicht funktionieren würde. Als wir dann heim flogen, ist mir die ganze Last von den Schultern gefallen. Alles hatte funktioniert, der grosse Aufwand hatte sich gelohnt.

Sind weitere gemeinsame Projekte in Planung? 
Corinne: Wir haben noch keine konkreten Projekte. Wir hoffen aber sehr, dass dies nicht das erste und letzte gemeinsame Projekt war.

Interview: Marco Lüthi; Bilder: zVg.



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