Nach dem Zürcher Bezirksgericht hat nun auch das Zürcher Obergericht den «Weltwoche»-Autor Philipp Gut wegen übler Nachrede schuldig gesprochen. Gut hatte geschrieben, dass sich die ehemalige Zuger Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin die mutmassliche Schändung durch SVP-Kantonsrat Markus Hürlimann nur ausgedacht habe, um ihren Seitensprung zu vertuschen.
Das Obergericht verurteilte Gut am Dienstag zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 130 Franken bei einer Probezeit von zwei Jahren. Gut muss Spiess-Hegglin zudem eine Genugtuung von 2500 Franken sowie Entschädigung für die Anwaltskosten zahlen. Somit bestätigten die Oberrichter das Urteil des Bezirksgerichtes vom Mai 2017. Gut habe keine genügenden Anhaltspunkte für seine Behauptung, fanden die Oberrichter.
Der «Weltwoche»-Autor beteuerte vor Gericht erneut, dass sein Artikel richtig und faktentreu sei. Er habe gute Quellen und halte an den Kernaussagen des Textes fest. «Wer die Öffentlichkeit dermassen sucht wie Spiess-Hegglin, muss sich auch gefallen lassen, dass kritisch berichtet wird», doppelte sein Anwalt nach.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Gut kann es noch ans Bundesgericht weiterziehen. Ob er dies tun wird, ist offen. Zuerst werde man das Urteil analysieren, so sein Anwalt.
Text wird nicht gelöscht
Einen Erfolg verbuchte Gut hingegen bei den Zivilforderungen: Das Obergericht kam zum Schluss, dass der Artikel mit dem Titel «Die fatalen Folgen eines Fehltritts» nicht aus dem Online-Archiv der «Weltwoche» und auch nicht aus der Mediendatenbank SMD gelöscht werden muss. Zudem muss die «Weltwoche» das Urteil nicht im Blatt abdrucken. Dies hatte das Bezirksgericht noch so verfügt.
Das Obergericht war aber der Ansicht, dass Philipp Gut als Einzelperson vor Gericht stehe - und nicht die «Weltwoche». Gut habe als Mitarbeiter gar keine Legitimation, Texte zu löschen. Einen Dämpfer gab es für Spiess-Hegglin auch bezüglich der Einstellungsverfügung der Zuger Staatsanwaltschaft, die sie für alle Zeiten unter Verschluss halten wollte, um weitere Medienberichte zu verhindern.
Das Obergericht erachtete diese Gefahr einer neuen Persönlichkeitsverletzung aber als nicht ausreichend. Zudem sei Spiess-Hegglin nicht berechtigt, dies zu verlangen, da sie den Fall nicht ans Obergericht weitergezogen habe. Ein Weiterzug wäre jedoch Voraussetzung dafür gewesen, um Forderungen zu stellen.
Auslöser für den Prozess war ein «Weltwoche»-Artikel vom September 2015. Darin arbeitete Gut die Affäre um Jolanda Spiess-Hegglin und ihren damaligen Ratskollegen Markus Hürlimann auf, bei der K.O.-Tropfen im Spiel gewesen sein sollen. Das Verfahren gegen Hürlimann wurde jedoch mangels Beweisen eingestellt.
Gut schrieb, dass sich Spiess-Hegglin die Schändung nur ausgedacht habe, um ihren Fauxpas vor ihrem Ehemann zu vertuschen. Die Ermittlungsakten würden zeigen, wie «die linke Frau den rechten Mann planmässig falsch beschuldigt».
«Blick» verletzte Persönlichkeitsrechte
Erst im Mai ging Spiess-Hegglin gegen den Ringier-Verlag als Siegerin vom Feld. Das Zuger Kantonsgericht kam zum Schluss, dass der «Blick» die Persönlichkeitsrechte der ehemaligen Politikerin verletzt habe. Ringier soll Spiess-Hegglin eine Genugtuung von 20'000 Franken zahlen. Ihren Antrag auf eine Entschuldigung wies das Zuger Gericht jedoch ab. Sowohl Ringier als auch Spiess-Hegglin akzeptieren das Urteil nicht und ziehen es weiter.
Spiess-Hegglin trat Ende 2016 aus dem Zuger Kantonsrat zurück und konzentriert sich seither auf ihren Kampf gegen Hasskommentare. Sie gründete einen Verein, der Opfern von verletzenden Kommentaren beistehen will. SVP-Politiker Hürlimann wählte einen anderen Weg als Spiess-Hegglin. Statt die Öffentlichkeit zu suchen, ging er auf Tauchstation und liess Gras über die Sache wachsen. Auch er sitzt mittlerweile nicht mehr im Zuger Kantonsrat. (sda/wid)
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19.06.2019 08:43 Uhr