03.03.2015

ADC/bsw

"Steuern sollten die Schweizer zum Schmunzeln bringen"

Katrin von Niederhäusern und Andrea Klainguti über Werbung für unattraktive Produkte.
ADC/bsw: "Steuern sollten die Schweizer zum Schmunzeln bringen"

Mittels einer Kampagne die Steuermoral der Schweizer zu heben, das war die Aufgabe, mit welcher sich die Schüler der ADC/bsw Kreativschule bei der Abschlussarbeit auseinandersetzen mussten. Besonders gut haben Katrin von Niederhäusern und Andrea Klainguti diese Aufgabe gelöst. Sie gewannen Gold (persoenlich.com berichtete). Ihre Idee: Löst das Bezahlen der Steuerrechnung erst ein Fluchen aus, bewirkt dies später viel Gutes (Sujets vgl. unten). persoenlich.com hat die beiden Jungkreativen befragt:

Frau von Niederhäusern und Herr Klainguti, wie fühlen Sie sich eigentlich, wenn Sie die Steuerrechnung im Briefkasten finden? Können Sie sich das Fluchen ebenfalls nicht verkneifen?
Von Niederhäusern: Ja, auch wir beide fluchen darüber, wie dieser Chatverlauf (Bild unten) zeigt. Die Idee für unsere Kampagne hatten wir aber erst drei Tage vor der Präsentation.

Klainguti: Scheinbar geht es vielen anderen auch so: Freunde, Mitarbeiter und Bekannte haben alle negativ auf die Steuerthematik reagiert, zuerst mit Mitleid für unsere Aufgabe, dann mit Ärger beim Gedanken an die eigene Steuerrechnung zuhause.

War es schwierig, für etwas so negativ behaftetes wie die Steuerrechnung zu werben? Es gibt sicher attraktivere Produkte für Werber.
Von Niederhäusern: Ich finde schon. Bei dieser Kampagne mussten wir die Leute zuerst davon überzeugen, dass das Bezahlen der Steuern eigentlich etwas Gutes ist, obwohl der Nutzen nicht sofort ersichtlich ist. Erst wenn dieser aufgedeckt ist, kann man das Ganze in eine attraktive, unterhaltsame Kampagne verpacken. Dass die Steuern ein negatives behaftetes Thema sind, hat uns aber geholfen, unsere Idee baut schlussendlich darauf auf. Ich fand die Aufgabe deshalb sehr spannend, da es um mehr geht, als einfach ein Produkt zu verkaufen.

Klainguti: Für Steuern zu werben ist schon aussergewöhnlich. Alle kennen sie, alle sind schon "Kunden" und alle hassen sie. Da muss man lange suchen, um ein Produkt oder eine Dienstleistung mit vergleichbaren Eigenschaften zu finden.

Was wäre noch unattraktiver als die Steuererklärung?
Von Niederhäusern: Spannend fände ich eine Kampagne, welche die Jungen motiviert, öfters abstimmen zu gehen. Das unattraktiveste für mich wäre aber Werbung für Kümmel - ich hasse dieses Gewürz!

Klainguti: Fussnagelpilzcrème!

Drei Tage vor Abgabe eine neue Idee umzusetzen, tönt stressig. Wie sind Sie in dieser kurzen Zeit vorgegangen?
Von Niederhäusern: Das stimmt, es musste in der Tat alles sehr schnell gehen. Am meisten Zeit in Anspruch nahm es, einen klar verständlichen Claim zu finden, der unsere Idee sofort erklärt. Unter dem Zeitdruck litt leider die Gestaltung ein wenig. Am Schluss haben wir sogar noch vergessen, unsere Namen in die Handouts zu schreiben und mussten diese kurz vor der Präsentation noch hineinkritzeln. Dass wir trotzdem gewonnen haben, zeigt, dass die Idee dahinter wirklich das Wichtigste ist.

Klainguti: Es gab während des gesamten Prozesses schon lange Abende und Wochenenden, an denen wir uns die Köpfe zerbrochen haben. Wir wollten uns nicht mit einer Idee früh zufriedengeben, um möglichst viel Zeit für die Umsetzung übrig zu haben. Die letzten drei Tage waren dann, neben dem normalen Agentur-Alltag, schon sehr hektisch.

Wie haben Sie sich dabei aufgeteilt?
Klainguti: Gar nicht, jeder war für alles zuständig. Zum Teil haben wir sogar das Gleiche gemacht und dann das ausgewählt, was uns besser gefallen hat.

Wieso waren Sie von Ihrer neuen Idee so überzeugt?
Von Niederhäusern: Wir waren uns zu Beginn alles andere als sicher. Am Schluss hatten wir zwei Ideen: Eine brave und eine riskante, frechere. Wir haben uns für Letztere entschieden, weil wir so einfach mehr Spass bei der Umsetzung und der Präsentation hatten.

Sie haben also nicht mit dem Sieg gerechnet?
Von Niederhäusern: Nein, wir wussten, entweder haben wir Glück, die Jury findet unseren Insight gut und lacht mit oder aber sie findet die Idee einfach nur doof.

Klainguti: Vielleicht haben wir davon profitiert, dass unser Insight sehr einfach ist und doch Raum für viele witzige Umsetzungen lässt. Mit dem Sieg hätte aber auch ich nicht gerechnet. Er war auf jeden Fall der krönende Abschluss einer tollen Zeit an der Kreativschule.

Was bringt euch diese Auszeichnung für die Zukunft?

Wir sehen das folgendermassen:

In Ihren Agenturen sind Sie beide als ADs angestellt. Bei Ihrer Kampagne steht jedoch der Text im Vordergrund. Weshalb?
Klainguti: Eigentlich wollten wir zuerst schon etwas mit einer aufwändigen und ausgeflippten Umsetzung machen, wir haben aber schnell gemerkt, dass unsere Aussage ohne Bilder einfach stärker ist.

Von Niederhäusern: Die Idee gibt die Gestaltung vor. In diesem Fall hätte die Umsetzung mit Bildern nicht funktioniert. Wir entschieden uns deshalb für Typografie-Plakate, um unsere Idee möglichst prägnant zu erzählen. Ein Bild hätte dabei nur abgelenkt.

Glauben Sie, Bern gäbe eine solche Kampagne tatsächlich in Auftrag? Der Bund würde damit eingestehen, dass die Steuerrechnung für viele ein Ärgernis ist.
Von Niederhäusern: Ich fände das super! Da Steuern ohnehin schon ein trockenes Thema sind, wäre es genau richtig, die Stimmung aufzulockern, indem man die Schweizer Bevölkerung zum Schmunzeln bringt. Es wäre ja auch solidarisch, würde der Bund zugeben, dass es halt einfach blöd ist, Steuern zu bezahlen. Er würde sich mit einer solchen Kampagne mit einem Augenzwinkern bedanken und gleichzeitig aufzeigen, was unsere Steuern bewirken können.

Klainguti: Es muss ja nicht gleich unser Vorschlag sein, aber ich finde schon, dass sich der Bund Gedanken über das Image der Steuern machen sollte. Am Ende der Rechnung steht ja nicht einmal ein "Danke!".

Sind die hiesigen Werbekampagnen zu langweillig?
Von Niederhäusern: Ich finde schon, dass die Werbebranche noch mehr zu bieten hat, vor allem in TV-Spots. Man sollte öfters einmal etwas riskieren und nicht erst nachziehen, wenn es alle anderen auch schon gemacht haben. Es braucht mehr Mut für ungewöhnliche Ideen.

Klainguti: Vor allem im digitalen Bereich, wo ständig neue Trends oder Technologien erscheinen, könnte man viel Neues ausprobieren und nicht nur Print-Kampagnen adaptieren.

Gibt es positive Beispiele?
Von Niederhäusern: Ja, mutig fand ich die Love-Life-Kampagne im Jahr 2014. Da hat das Bundesamt für Gesundheit Mut bewiesen.

Sie beide sind noch jung, was sind Ihre Zukunftsziele? Für welches Produkt möchten Sie einmal werben?

Von Niederhäusern: Mein Traumjob ist Trailer-Regisseurin. Ich bin aber nicht einmal sicher, ob es diesen Beruf überhaupt gibt. Mein Traumkunde wäre Gruyère Käse, mein Liebling!

Klainguti: Mein Ziel ist es, nie aufhören zu lernen. Ich will nie das Gefühl haben, irgendwo angekommen zu sein, sondern immer schauen, was ich noch anders machen könnte. Mein Traumkunde wäre der Nationalpark.

Fragen: Nicolas Brütsch, Bilder: z.V.g.

 

 



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