09.05.2017

Goldener Bremsklotz

Bundesstrafgericht erhält Schmähpreis

Für ihr Urteil gegen einen RTS-Journalisten werden die Bundesstrafrichter in Bellinzona «ausgezeichnet»: Sie sind die Informationsverhinderer des Jahres.
Goldener Bremsklotz: Bundesstrafgericht erhält Schmähpreis
Den «Goldenen Bremsklotz» bekommt in diesem Jahr das Bundesstrafgericht in Bellinzona. (Bild: zVg.)

Das Recherche-Netzwerk investigativ.ch vergibt den «Goldenen Bremsklotz» an Personen oder Organisationen, die sich besonders um Informationsverhinderung «verdient» gemacht haben. In diesem Jahr geht der Schmähpreis an das Bundesstrafgericht in Bellinzona für sein Urteil gegen einen RTS-Journalisten: Die Bundesstrafrichter bestraften ihn wegen Wahlfälschung zu einer bedingten Geldstrafe von zwei Tagessätzen zu je 200 Franken. Er musste zusätzlich die Verfahrenskosten in Höhe von 2500 Franken übernehmen.

Das Bundesstrafgericht warf dem Verurteilten vor, dass er skeptisch war und den Behörden nicht einfach glauben wollte, wie investigativ.ch in einer Mitteilung vom Dienstag schreibt. Damit habe das Gericht den Schmähpreis des Recherche-Netzwerks redlich verdient.

Doppelte Stimmabgabe gemeldet

Der 47-jährige Journalist hatte am Morgen des 3. März 2015 in den Büroräumen seines Senders in Genf zwei Mal elektronisch abgestimmt, um einen möglichen Systemfehler beweisen zu können. Möglich geworden war dies überhaupt nur, weil der Journalist das Material für die Abstimmung vom 8. März 2015 versehentlich zwei Mal erhalten hatte. Er war zuvor vom Ausland in die Schweiz umgezogen und konnte so einmal als niedergelassener Schweizer abstimmen und einmal als Auslandsschweizer.

Der Journalist hatte seine doppelte Stimmabgabe anschliessend bei der Kanzlei gemeldet und anschliessend in einem Beitrag thematisiert. Trotzdem verurteilte das Bundesstrafgericht ihn wegen Wahlfälschung.

Solidarität für Journalisten gefordert

Aus Sicht von investigativ.ch war dies «ein völlig falsches Signal». Wahlen und Abstimmung seien zentrale Säulen der schweizerischen Demokratie. Es bestehe ein grosses öffentliches Interesse, Mängel und Schwachpunkte aufzudecken.

Das Urteil ist laut dem Recherchenetzwerk kein Einzelfall: «Staatsanwälte und Richter kennen selten Pardon, wenn Journalisten während der Recherche die Grenzen der Legalität ritzen.» Das öffentliche Interesse an Recherche müsse in der Rechtsprechung mehr Gewicht bekommen.

Die Preisverleihung findet im Rahmen des Jahrestreffens des Netzwerks am 10. Mai in Zürich statt. Im vergangenen Jahr ging der Schmähpreis an die damalige Nationalratspräsidentin Christa Markwalder. Sie erhielt den Preis im Zusammenhang mit der so genannten Kasachstan-Affäre (persoenlich.com berichtete). (sda/lom)

 

 



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