09.09.2018

Digitalisierung

Der Chatbot ist kein guter Mediensprecher

Die Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur testete in einem Versuch, wie gut «Ladina» Anfragen von Journalisten beantworten kann. Was sind die Erkenntnisse? persoenlich.com hat nachgefragt.
Digitalisierung: Der Chatbot ist kein guter Mediensprecher
Chatbot «Ladina» führte den automatisierten Dialog der HTW Chur. (Bild: zVg.)
von Edith Hollenstein

Frau Simeon, wer ist «Ladina»?
Flurina Simeon, Leiterin Kommunikation: «Ladina» war die temporär eingesetzte Chatbot-Mediensprecherin der HTW Chur. Sie war vom 6. bis 10. August 2018 im Einsatz und geniesst seither ihre wohlverdienten Ferien. 

Warum haben Sie sich für eine Frau entschieden?
Marc Wiedmann, Bachelorstudent Multimedia Production: Die Entscheidung für einen weiblichen Chatbot wurde im Kreativ-Workshop getroffen und spiegelt die weiblichen Charakterzüge der HTW Chur wieder («die Fachhochschule», «die Hochschule»). Das Design steht für Freundlichkeit, Seriosität und Internationalität. Der Name «Ladina» geht auf die örtliche Bezogenheit der HTW Chur zu Graubünden ein. 

Wer hatte sich mit «Ladina» in Verbindung gesetzt, respektive sie genutzt?
Simeon: Genaue Auskünfte über die Nutzer unterliegen dem Datenschutz und sind deshalb nicht möglich. Die Zielgruppe dieses Versuchs kann aber klar auf Facebook-Nutzer eingegrenzt werden, da der Chatbot dort eingebettet war. Die Nutzergruppen umfassen Studieninteressierte, Studierende, Dozierende und Mitarbeitende der HTW Chur, die Öffentlichkeit sowie Medienschaffende.

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Wie viele Anfragen gingen ein?
Wiedmann: «Ladina» hatte direkte Gespräche mit 47 Personen auf Facebook und 2 Personen auf der Webseite zur Bachelorarbeit. Dabei hat Ladina 1945 Nachrichten gesendet, was einem Durchschnitt von 39,7 Nachrichten pro User entspricht.

Warum konnte sie nur in einem begrenzten Zeitraum befragt werden und nur über das Projekt «Study Week Abroad»?
Simeon: Die zeitliche Eingrenzung begründet sich in der Notwendigkeit, eine geschlossene Datenlage für die Thesis von Marc Wiedmann im Rahmen seines Bachelorstudiums Multimedia Production (MMP). Auch die inhaltliche Beschränkung begründet sich in der Bachelorarbeit, denn es sollte etwas die Komplexität im Aufbau des Chatbots genommen werden. Wobei, wenn wir genau hinschauen, trat «Ladina» nicht nur zum Thema «Study Week Abroad» (im Rahmen des Bachelorstudiums Tourismus) in den Dialog, sondern sie konnte auch über die strategische Initiative Digitalisierung der HTW Chur und über das Chatbot-Projekt an sich sprechen. Zudem führte sie die User zuerst in die Nutzung des Chatbots ein und konnte an reale Personen für Auskünfte verweisen. 

Wie aufwendig war die Programmierung?
Wiedmann: «Ladina» wurde mit der Plattform Dexter erstellt. Die Erstellung ist von der technischen Seite mit einem minimalen Vorwissen über einfache logische Abläufe nicht aufwendig. Die Eingabe gleicht einem CMS-System wie Wordpress und gibt dem Nutzer verschiedene Möglichkeiten für vorgefertigte Antworten. Für komplexere Dialoge wie bei «Ladina» müssen die Abläufe jedoch händisch eingegeben und manuell überprüft werden. Der Aufwand entsteht also bei der Erstellung der Dialoge, der Funktion und dem Inhalt des Chatbot – das «Programmieren» ist anschliessend relativ schnell umgesetzt.

 

 

Was für ein Budget hatten Sie?
Simeon: Eigentlich keines … Aus Optik Unternehmenskommunikation wollten wir die Chance, im Rahmen dieser Bachelorarbeit Erfahrungen mit einem Chatbot zu sammeln, nicht verstreichen lassen. Die Hauptkosten entstanden entsprechend in Form von Arbeitsstunden des Studenten und von Mitarbeitenden der HTW Chur. Die Kosten für die Plattform wurden ausserdem von der HTW Chur übernommen, diese beliefen sich auf rund 20 US-Dollar.

Warum entschieden Sie, «Ladina» mit dem Facebook-Kanal der HTW zu verbinden?
Simeon: Die HTW Chur wollte für diesen Use Case nicht eine neue Plattform einführen, sondern auf einen bereits gut eingeführten Kommunikationskanal setzen. Da Facebook mit seinem Messenger bereits eine Dialog-Funktion eingebaut hat, war es naheliegend, diesen zu verwenden.

Nun haben Sie «Ladina» in die Wüste geschickt. Inwiefern wird die HTW Chur einen anderen Chatbot aufsetzen?
Simeon: Aus meiner Sicht ist der Einsatz eines Chatbots in Zukunft grundsätzlich denkbar. Besonders spannend scheint ein Chat-Angebot für Interessierte zu sein, welchen so eine weitere Möglichkeit geboten wird, mit der Studienadministration in Kontakt treten zu können. Ein konkretes Projekt liegt zurzeit aber nicht vor

In der Bachelorarbeit kommen Sie, Herr Wiedmann, zum Schluss, dass Chatbots in der Medienarbeit nur limitiert eingesetzt werden können. Was heisst das?
Wiedmann: Chatbots sind ideal dafür geeignet, standardisierte Aufgaben zu übernehmen, aufzubereiten und anschliessend an einen menschlichen Benutzer zu übergeben. Die Nutzungsgewohnheiten von Medien sind durch einen 24/7-Zugang zum Internet, eine veränderte Medienwelt und allgemein durch die Globalisierung verändert und hinterlassen eine «always-on»-Mentalität. Wir brauchen Informationen immer mehr jetzt sofort. Als «first-response» eignen sich Chatbots idealerweise dazu, dass der Kunde ein Bedürfnis platzieren kann, ohne sich über mehrere Minuten in einer Telefonwarteschleife oder einem Supportticket zu befinden. Er weiss, dass das Problem platziert wurde, und kann darauf warten, dass Kontakt aufgenommen wird.

Wo in der Medienarbeitist es denn sinnvoll, Chatbots einzusetzen?
Wiedmann: In der qualitativen Forschung der Bachelorarbeit konnten nur wenige Einsatzfelder für die Medienarbeit ausgemacht werden, die auf diese Aufgabenbeschreibung passen. Dazu zählen die Medienauskunft (FAQs, statische Informationen zum Unternehmen, weiterführende Informationen in Form von Bild, Audio, Video oder Text etc.), der Einsatz auf einer Pressekonferenz (Rückfragen beantworten) oder in der Krisenkommunikation (First Response für den Ernstfall, die Belastung in Spitzenzeiten reduzieren und Zeit für die wirklich wichtigen Aufgaben schaffen). Im Rahmen der Bachelorarbeit konnte aber nur der Einsatz in der Medienauskunft wirklich durchgeführt und überprüft werden.

Sie denken also, dass Chatbots in anderen Disziplinen der Kommunikation mehr Zukunftschancen haben als in der Medienarbeit?
Wiedmann: Ja. Die Kundenkommunikation zeigt deutlich mehr Zukunftschancen als die Medienarbeit.

 



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