17.06.2022

Skyguide

«So etwas habe ich bisher nicht erlebt»

Am Mittwochmorgen war der Himmel über der Schweiz leer. Eine technische Panne bei der Flugsicherungsgesellschaft Skyguide hatte den Flugverkehr im ganzen Land lahmgelegt. Was bedeutet ein solches Grossereignis für die Unternehmenskommunikation? Vladi Barrosa, Mediensprecher bei Skyguide, erzählt, wie er den Tag erlebt hat.
Skyguide: «So etwas habe ich bisher nicht erlebt»
«Wir führen regelmässige Krisenübungen und Medientrainings durch», sagt Vladi Barrosa, Mediensprecher bei Skyguide. (Bild: zVg)
von Maya Janik
Herr Barrosa, konnten Sie letzte Nacht ruhig schlafen? 
Ich war am Mittwoch gut 17 Stunden im Einsatz und bin dann nur noch ins Bett gefallen. Wirklich gut geschlafen habe ich aber nicht.
 
Am frühen Mittwochmorgen kam es zu einem Totalausfall bei Skyguide. Wie haben Sie persönlich davon erfahren?
Ich wurde um 4.20 Uhr morgens durch unser Alarmierungssystem geweckt und rückte etwas später im Krisenraum an unserem Sitz in Dübendorf ein, wo ich über die Situation in Kenntnis gesetzt wurde.
 
Und dann? Was haben Sie als Nächstes gemacht?
Zuerst haben wir ein erstes Briefing im Krisenstab abgehalten. Danach habe ich gleich angefangen, eine erste kurze Medienmitteilung zu verfassen, und habe mich mit einzelnen betroffenen Flughafenpartnern ausgetauscht, um sicherzustellen, dass alle das gleiche Wissen haben und die Kommunikation zwischen uns gewährleistet ist.

Wie viel Zeit lag zwischen dem Moment, als Sie von der Störung erfahren haben, und dem Zeitpunkt, als Sie die Panne kommuniziert haben?
Von der konkreten Störung habe ich gegen 5.15 Uhr erfahren. Danach mussten wir prüfen, welche Optionen zur Verfügung standen, um die Störung zu beheben. Als wir feststellten, dass die Situation eine grössere Dimension hatte, welche die Sperrung des Luftraums notwendig machte, und erste gesicherte Informationen zur Verfügung standen, haben wir kommuniziert. Es verging etwas unter einer Stunde.
 
Auf Twitter hat Skyguide nur verkündet, dass der Luftraum gesperrt ist, und anschliessend, dass er wieder offen ist. Reicht das?
Twitter ist ja nur ein Kanal, der dann auch längst nicht von jedermann genutzt wird. Wir haben bis spät in den Abend den Medien gegenüber so schnell wie möglich Auskunft gegeben und alle Informationen mitgeteilt, die zur Verfügung standen.

«Einen Cyberangriff können wir ausschliessen»

Versetzen wir uns zeitlich zurück. Es ist Mittwochmorgen. Was läuft schief?
In Genf ist es bei Skyguide zu einem technischen Vorfall gekommen, dabei sind Systeme von Skyguide, die zur Flugsicherung notwendig sind, ausgefallen. Aus diesem Grund haben wir uns aus Sicherheitsgründen entschieden, den Luftraum zu schliessen, da uns wichtige Informationen zu den Flügen fehlten.
 
Ein «technischer Vorfall» ist sehr vage. Was heisst das konkret?
Wir sind mit Hochdruck daran, die Fehlerquelle zu untersuchen. Was wir sagen können, es handelt sich um ein Hardwareproblem mit einer Netzwerkkomponente, die nicht mehr ordnungsgemäss funktioniert hat und somit auch die Redundanz nicht mehr gegeben war.
 
Können Sie einen Cyberangriff ausschliessen?
Ja, einen Cyberangriff können wir ausschliessen.
 
Hat Skyguide die Qualitätsstandards nicht eingehalten?
Zurzeit liegen mir keine Informationen vor, die einen Rückschluss auf eine Nichteinhaltung dieser Standards nahelegen würden.
 

«Wir sind auf solche Situationen vorbereitet»

 
Was hat das mit den Mitarbeitenden gemacht? Hat sich im Team Panik breit gemacht?
Nein, von Panik keine Spur. Unser Krisenstab ist eingespielt, die Rollen sind klar definiert, und wir führen regelmässige Krisenübungen und Medientrainings durch. Wir sind auf solche Situationen vorbereitet und hatten ein ganz ähnliches Szenario auch schon mal durchgespielt. Alle haben konzentriert ihren Job gemacht.

Haben Sie schon einmal eine ähnliche stressige Situation als Mediensprecher bei Skyguide erlebt?
Nein, so etwas habe ich in den fast zehn Jahren bei Skyguide bisher wirklich nicht erlebt. Eine solche grosse Anzahl an Medienanfragen auf diversen Kanälen effizient zu bewältigen, war für mich ein Kraftakt.
 
Sind Sie zufrieden damit, wie Sie diesen Kraftakt bewältigt haben?
Wir werden in den nächsten Tagen unsere Massnahmen im Team analysieren und die entsprechenden Schlüsse ziehen. Es gibt sicherlich Verbesserungsmöglichkeiten. Aber ich glaube, dass unsere Reaktion in dieser derart aussergewöhnlichen Krisensituation schnell und gut war.
 
Wie viele Passagiere und Flüge waren von der Störung betroffen?
Es waren 98 Flüge und gemäss Flughafen Zürich etwas über 6000 Passagiere davon betroffen, was natürlich bedauerlich ist. Ich kann den Unmut in einer solchen Situation gut verstehen, die Sicherheit geht aber vor.
 
Welche Kosten sind dadurch entstanden?
Es ist noch zu früh, um diese Kosten zu beziffern. Jetzt geht es vor allem darum, die Fehlerursache genau zu verstehen, damit wir einen solchen Vorfall künftig ausschliessen können.
 
Viele fliegen demnächst in die Ferien vom Flughafen Zürich oder Genf aus. Müssen sie Angst haben vor einer neuen Panne?
Pannen können nie zu 100 Prozent ausgeschlossen werden, nirgends. Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir alles tun, damit sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt und Reisende so entspannt wie möglich fliegen können.
 
Was tut Skyguide konkret, damit es nicht mehr zu einem solchen Ausfall kommt?
Unsere Ingenieure und IT-Experten sind mit Hochdruck, auch nachts, daran, den Vorfall genauestens zu analysieren und zu verstehen, wie die Redundanz ausfallen konnte. Sobald wir dies verstanden haben, werden wir die entsprechenden Massnahmen umsetzen.


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Kommentare

  • Rudolf Bolli, 18.06.2022 18:34 Uhr
    Wenn 98 Flüge ausfielen, umgeleitet wurden oder Verspätungen erlitten, so waren wohl erheblich mehr als 6000 Passagiere betroffen, sonst wären das ziemlich schlecht ausgelastete Flüge gewesen. Aber die Passagiere waren sehr unterschiedlich betroffen, und viele dürften ihr Reiseziel doch noch am gleichen Tag erreicht haben.
  • Andi Neukomm, 17.06.2022 10:50 Uhr
    6000 Passagiere waren von diesem Ausfall betroffen. 6000!! Niemals dürfte so etwas passieren, da ist jede Swisscom Panne Pipfax im Vergleich.
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