03.07.2013

NZZ Libro

"Werbeagenturen haben eher ein schlechtes Image"

Für ihr brandneues Buch "Integrierte Kommunikationsberatung" haben Benno Maggi und Roman Griesser bei Schweizer Werbeagenturen und Kommunikationsprofis den Puls gefühlt. Dabei fiel ihnen auf, dass sich viele Kommunikationsberater "Berater" nennen, obwohl sie gar nicht dazu ausgebildet sind. Zudem sind Werbeagenturen nicht besonders beliebt - dies, weil sie "zu kurzfristig" und "zuwenig im Sinne des Unternehmens" denken, sagen die Co-Autoren. Im Interview über ihr Buch legen die beiden Ihre Vorstellung von guter "Integrierter Kommunikation" dar und sie nennen drei Vorzeige-Beispiele: Starbucks, Google und Swatch.
NZZ Libro: "Werbeagenturen haben eher ein schlechtes Image"

Herr Griesser, Sie haben Ihre HWZ-Diplomarbeit über Integrierte Kommunikation geschrieben. Warum nun auch noch dieses Buch?
Roman Griesser: Ich befasste mich in meiner Diplomarbeit mit Beratungsmethoden im Rahmen der Kommunikationsberatung und erarbeitete anhand aktueller Theorien meinen Ansatz der Integrierten Kommunikationsberatung. Nach Abschluss meiner Diplomarbeit haben mich verschiedene Dozenten – mit dem Wissen darum, dass es kein Buch über mögliche Beratungsmethoden in der Kommunikationsberatung gibt – ermutigt ein Buch zu schreiben. Ich wusste, dass es neben den theoretischen Grundlagen aussagekräftige Praxisbeispiele braucht. Auf Empfehlung meiner Referentin wurde ich auf Benno Maggi aufmerksam.

Benno Maggi: Zusammen realisierten wir schnell, dass es im Bereich "Integrierte Kommunikationsberatung" ein Fachbuch braucht, das Praxis und Theorie verbindet. Wir suchten nach einer geschickten Form, um diese beiden Perspektiven intelligent zu verknüpfen. Durch die Anreicherung der Theorie mit Praktiker-Interviews ist uns dies sehr schön gelungen, finden wir.

Sie, Herr Griesser, befragten 400 Agenturen in einer Online-Umfrage. Welchen Eindruck haben Sie dadurch von der Schweizer Agenturwelt?
RG: Die Rücklaufquote meiner Umfrage lag bei 26 Prozent, was mich sehr gefreut hat und meiner Ansicht nach das Interesse der Agenturen am Thema „Integrierte Kommunikationsberatung“ wiederspiegelt. Interessant ist die zunehmende Akademisierung im Bereich der Unternehmenskommunikation. Erst seit rund 10 Jahren gibt es neben den universitären ein entsprechend breites Angebot an Kommunikationslehrgängen von den Fachhochschulen. Die Umfrage hat gezeigt, dass sich viele Kommunikationsspezialisten als Kommunikationsberater bezeichnen, jedoch kaum über Kenntnisse von theoretischen Grundlagen aktueller Beratungsmethoden verfügen. Im Gegensatz zu Unternehmensberatungen, wo Beratungsmethoden seit 40 Jahren bereits ein fester Bestandteil sind, sind Werbe- und Kommunikationsagenturen hier in einem Rückstand. Diese Erkenntnis motivierte mich zusätzlich das Fachbuch zu realisieren.

Herr Maggi, was genau verstehen Sie unter "Integrierter Kommunikation"?
BM: Meine Definition von „Integrierter Kommunikation“ ist die, dass alle Anspruchsgruppen über alle Prozesse und über alle Kanäle das kommunizieren, was in den einzelnen Bereichen einer Organisation wichtig ist. Prozesse, Kanäle und Personen – diese drei Bereiche müssen in der Strategie mit einbezogen, im Konzept definiert und anschliessend geplant und umgesetzt werden, damit man von "Integrierter Kommunikation" reden darf. Dass die Definition in der Praxis etwas anders ist, spürte ich auch in den Gesprächen, die ich mit erfahrenen Kommunikationsprofis führte. Oftmals erklärten meine Gesprächspartner etwas, das eigentlich integrierte Kommunikation war, bezeichneten es aber nicht so oder vice versa. Man muss auch sehen, dass heute die Berater von der HSG, anderen Unis oder aus den Fachhochschulen kommen. Eine zunehmende Akademisierung ist auch im Bereich der "Integrierten Kommunikation" spürbar.

Welche Unternehmen sind Ihrer Meinung nach Best-Practice-Beispiele für "Integrierte Kommunikation"?
BM: Es ist schwierig, konkrete Beispiele zu nennen. Doch die neueren Firmen tun dies in der Regel relativ gut, also Google und Starbucks zum Beispiel.

Woran genau erkennen Sie bei Starbucks die gute "Integrierte Kommunikation"?
BM: Das Beispiel Starbucks ist auch in unserem Buch zu finden. Im Interview erklärt Samantha Yarwood, die Marketingchefin der Schweiz und Österreich, das Konzept. Starbucks hat einen sehr klaren Fokus auf die für sie wichtigste Zielgruppe: die Mitarbeiter. Dies spürt man, finde ich.

Sie spüren also in jeder Starbucks-Filiale, dass Starbucks den Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellt?
BM: Ich kenne nicht jede, aber in jenen, in denen ich Kunde bin schon. Ja.

Benno Maggi ist Gründer und Inhaber der Agentur Partner&Partner

 

Roman Griesser arbeitet als Kommunikations- und PR-Berater bei Grayling.

Integrierte Kommunikation ist ein Modell, eine Idealvorstellung, die in der Praxis nie perfekt vorkommt. Daher ist es schwierig zu bestimmen ist, welche Unternehmen tatsächlich integrierte Kommunikation betreiben. Doch können Sie weitere Beispiele machen?
RG: Gute Integrierte Kommunikation macht meiner Ansicht nach beispielsweise Swatch. Bei diesem Unternehmen ist die Kommunikation, geprägt durch Swissness, durchgehend. Vom POS bis zum in Dialekt veröffentlichten Geschäftsbericht.

BM: Was den Kunden kommuniziert wird, muss eine innere Verwandtschaft haben zu dem, wie die Mitarbeiter in der täglichen Arbeit die Firma erleben. Wenn, um beim Kunden ein bestimmtes Bild zu erzeugen, seitens der Kommunikation eine Übersetzungsleistung notwendig ist, handelt es sich nicht um Integrierte Kommunikation. Je unterschiedlicher die Mitarbeitenden bei einem Unternehmen sind, desto schwieriger ist es, Integrierte Kommunikation zu betreiben. Und wenn ein Unternehmen dann auch noch eine sehr heterogene Kundschaft hat, ist dies noch viel schwieriger.

Soll ein Auftraggeber mit einer einzigen Agentur zusammenarbeiten, um "Integrierte Kommunikation" sicher zu stellen, oder klappt dies auch in der Zusammenarbeit mit mehreren, spezialisierten Agenturen?
RG: Generell kann man sagen, dass die Zusammenarbeit mit mehreren Agenturen, die Etablierung einer Integrierten Kommunikation erschweren kann. Die systemische Prozessführung wird bei der Beteiligung verschiedenster Akteure entsprechend noch wichtiger.

BM: Eine langfristige, vertrauensbasierte Zusammenarbeit mit derselben Agentur verspricht zudem eher Erfolg, als viele Wechsel von Agentur und zuständigen Personen und immer wieder neuen Pitches. Die Agenturwelt präsentiert sich als sehr kurzlebig. Alte Agenturen werden verkauft oder fusionieren und es mischen immer wieder neue junge Agenturen mit, die teilweise rasch wieder verschwinden oder neue Namen tragen. Durch die fehlende Kontinuität ist es schwierig, nachhaltig zu arbeiten.

Problematisch ist auch, wenn die Verantwortlichen auf Auftraggeberseite zu oft wechseln.
BM: Ja, das ist so. Aus eigener, langjähriger Agenturerfahrung weiss ich, dass es eine der grössten Herausforderungen für eine Agentur ist, die Personalwechsel auf Auftraggeberseite zu überleben. Gelingt dies, ist es ein grosser Qualitätsbeweis für die Leistung der Agentur. Wichtig ist, dass die Zusammenarbeit nicht nur auf Ebene der persönlichen Beziehung basiert, sondern auf der Sach-Ebene. So ist die Chance für eine langfristige Zusammenarbeit grösser.

RG: Neben den vielen Wechsel auf Auftraggeberseite ist auch die fehlende Professionalisierung auf Agenturseite ein Thema. Gut ausgebildete Kommunikationsfachleute, die nach neusten Erkenntnissen der Kommunikationsberatung und der Beratungsforschung arbeiten, sind immer noch rar. Dank breiten Ausbildungsangeboten ist die Professionalisierung jedoch in vollem Gange.

Für das Buch führten Sie, Herr Maggi, 33 Interviews mit Kommunikationsprofis und Führungskräften von bekannten Unternehmen. Welchen Eindruck haben Sie vom Image der Berater: Haben sie bei den Kommunikationschefs ein gutes Ansehen?
BM: Berater als solche geniessen ein gutes Image. Schwieriger wird es bei den Agenturen. Werbeagenturen haben eher ein schlechtes Image. Ein Grund dafür liegt in der Kurzfristigkeit des Denkens, das natürlich nötig ist bei der Arbeitsweise der Agenturen, doch dem Kunden oft wenig bringt. Die Agenturen, so mein Eindruck aus den Gesprächen, denken oft zu wenig im Sinne des Unternehmens. Zudem entsprechen gewisse Arbeitsweisen der Werbeagenturen nicht mehr den heutigen Anforderungen.

Was genau meinen Sie damit?
BM: Wenn man in Zeiten von Diversity und Employer Branding die Fluktuation der Mitarbeiter in Agenturen anschaut oder die Hierarchien betrachtet, die dort oft noch vorherrschen, wenn man hört, dass Agenturen im Jahr 2013 keine Teilzeit-Berater, -Kreative oder -Manager einstellen, dann entspricht das a) nicht mehr den heutigen Anforderungen an die Arbeitswelt und b) würde ich als Kunde auch von diesen Agenturen keine Konzepte über Relationship Management oder Brand Consistency lesen wollen.

Ihr Buch ist seit rund zwei Monaten erhältlich. Welches ist das schönste Kompliment, das Sie bisher für Ihre Arbeit bekommen haben?
RG: Allgemein wird das Buch vor allem wegen der Verbindung zwischen den Theorien Integrierte Kommunikationsberatung und der Beratungsmethode Systemische Prozessberatung und als Nachschlagewerk mit einer Auswahl von wichtigsten Ansätzen aktueller Kommunikationstheorien geschätzt. 

BM: Eine intelligente Form gefunden zu haben, Praxis und Theorie zu reflektieren und mit der Wahl der Gesprächspartner ein interessantes Spektrum der Unternehmenslandschaft Schweiz aufzuzeigen. Dieses Feedback habe ich mehrfach von Fachleuten erhalten, was mich sehr freut.

Interview: Edith Hollenstein

 


Das Buch "Integrierte Kommunikationsberatung" beleuchtet die beiden Themen "Integrierte Kommuntion" und "Kommunikationsberatung". Dabei wurden Theorie und wissenschaftliche Modelle ergänzt durch die Praktiker-Sicht. Kommunikationsverantworliche renommierter Unternehmen Schweizer Unternehmen nehmen Stellung zu den Themen Expertenberatung, Systemische Prozessberatung und Integrierte Kommunikation. Mit dem Buch wollen die beiden Autoren Maggi und Griesser Denkanstösse und Vorschläge für eine erfolgreiche Kommunikationsberatung bieten. Erhältlich ist es beim Verlag NZZ Libro und im Buchhandel. Es kostet 48 Franken. 

 


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