TV-Kritik

Der «Kassensturz» schwächelt

Wie alle Sendungen verliert auch der «Kassensturz» Zuschauer. Die Publikumszahlen liegen zwar immer grünen Bereich, aber das Konsumentenmagazin hat massiv an Attraktivität verloren. Grund: Der Sendung fehlen Scoops. Der Skandal wegen den Raviolis mit Ekelfleisch, die Berichte über Mineralwasser ohne Mineralien und Zucker im Wein – das war vor Jahrzehnten. Seit der Enthüllung über abgelaufenes Fleisch an der Coop-Frischfleischtheke sind auch bereits sieben Jahre vergangen.

Konsumentenschutz betrifft alle Lebensbereiche – von AHV bis Zahnarztkosten. Und er ist nach wie vor enorm wichtig. Weil er den Menschen den Alltag erleichtert und sicherer macht.

Die Themen im «Kassensturz» vom Dienstag: Einstieg mit einem ungefreuten Fall aus der Telemedizin. Probleme und Reklamationen beim Angebot von Salt-Fiber als Schwerpunktthema. Und Ameisenköder im Schulnoten-Test. Zum Schluss haben die Zuschauer noch erfahren, dass man seinen Platz im Theater oder Konzert vor der Vorstellung nicht mit Gegenständen besetzen darf. Das wars dann auch schon. Niemand hat es vom (unbelagerten) Fernsehstuhl gerissen. Ebensowenig wie kürzlich getestete Vanilleschoten. Immerhin: Moderatorin Kathrin Winzenried hat outfitmässig ganz leicht zugelegt.

Bauernfänger, Betrüger, Nepper, Mogelpackungen, Etikettenschwindel – das wird es immer geben. Doch der «Kassensturz» ist harmlos geworden und bohrt nur noch selten hartes Holz. Undercover (gibt es diese Rubrik überhaupt noch?) wird nicht mehr aufgedeckt. Es müsste viel mehr rausschauen – auch durch die Zusammenarbeit mit «A Bon Entendeur» (RTS) und «Espresso» (Radio SRF 1). Bei der Lektüre der Konsumenten- und Beratungszeitschrift «Beobachter» erfahre ich regelmässig nutzbringendere und spannendere Geschichten. Der «Kassensturz» hat Jahrgang 1974. 44 ist noch zu jung für Zahnverlust. Nun, kaufen Sie auch ohne diese Sendung keine Krähe für eine Nachtigal. Und lassen Sie sich nicht hinters Licht führen. Dort ist es dunkel.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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