TV-Kritik

Doris Leuthard im Schmuse-Club

Zwei Tage nach der SRF-Abschiedsshow für Kurt Aeschbacher ehrte der Sender seine oberste Chefin: In einem Kuschel-«Club» wurde Medienministerin Doris Leuthard gepriesen. Zum Schluss der Sendung durfte die abtretende Bundesrätin überraschende Liebesgrüsse aus Brüssel empfangen. Absender: Jean-Claude Juncker.

Der Präsident der Europäischen Kommission: «Doris Leuthard war eine angenehme Gesprächspartnerin, sanft in der Methode, hart in der Sache. Ich bedaure ihren Weggang sehr. Wenn ich einen Menschen mag, dann küsse ich ihn. Ich weiss, dass ich damit in der Schweiz vor Jahren auf Unverständnis gestossen bin. Ich küsse viele, aber nicht alle. Wenn ich jemand so hoch schätze und mag wie Doris Leuthard, dann ist der Kuss mein Beweis dafür.»

Abschliessend hegte Juncker im Gespräch mit EU-Korrespondent Sebastian Ramspeck die Hoffnung, «dass Doris Leuthard dem öffentlichen Leben in der Schweiz und Europa nicht verloren geht.» Und: «Sie gehört zu den Menschen, durch die die Welt besser geworden ist. Ich schicke ihr alle Küsse der Welt.» Strahlefrau Leuthard bedankte sich – mit einer Kusshand.

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Bestnoten bekam die Bundesrätin von allen vier «Club»-Gästen. Trotz «schwierigen Diskussionen im Energie- und Verkehrsbereich» auch vom Aargauer SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner. Vorbehalte gegenüber Leuthards Energiepolitik äusserte auch Grünen-Präsidentin Regula Rytz: «Sie ist eine harte Gegnerin, doch ich habe grossen Respekt für ihre Arbeit und gebe ihr die Note 6.» Für Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl ist die abtretende Bundesrätin «die beste Botschafterin, welche die Schweiz je hatte».

Von 18 Volksabstimmungen hat die populäre Bundesrätin nur zwei verloren. CH-Media-Chefredaktor Patrik Müller: «Wenn ihr etwas wichtig war, brachte sie es durch. Leuthard hat Feuer und Siegerwillen. Und sie strahlt Lockerheit aus, die andere Bundesräte nicht haben.» Müller meinte damit etwa die früheren Minister Moritz Leuenberger und Didier Burkhalter.

Doris Leuthard («Bundesrätin ist ein Superjob!») im «Club» über die Medien: «Die Qualität der Medien habe ich nie gerügt, diese finde ich gut. Aber mit gewissen Verlegern hatte ich ab und zu ein strapaziöses Verhältnis, bis heute vielleicht.» Ob sie wohl auch Patrik Müllers Chef Peter Wanner meinte?


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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