TV-Kritik

Erinnerungen an TV-Ikone Heidi Abel

Am Nachmittag des 23. Dezember 1986 sass ich mit dem Schauspieler Ruedi Walter (gestorben 1990) beim Kaffee im Restaurant am Zürcher Pfauen. Im gut besetzten Lokal lief das Radio. Unser Gespräch wurde durch die Nachrichten jäh unterbrochen: «Heidi Abel ist gestorben», lautete die erste Meldung. Es herrschte minutenlange Stille im ganzen Raum. Als Zeichen der kollektiven Trauer verstummte das Schweizer Fernsehen am Abend für eine Minute. Über eine Million Zuschauer sahen einen schwarzen Bildschirm. Das ist bis heute ein einmaliges Ereignis in der Geschichte des Senders. Abel hatte mit 57 Jahren ihren verzweifelten Kampf gegen den Brustkrebs verloren. Am 21. Februar wäre sie 90 geworden. Wenn es beim Schweizer Fernsehen je grosse TV-Stars gab, dann waren es zwei Basler: Heidi Abel und Mäni Weber.

Das Schweizer Fernsehen in seinen Kinderschuhen: Es waren gerade mal ein halbes Dutzend TV-Pioniere, die ab Ende Juli 1953 an fünf Abenden pro Woche im Studio Bellerive an der Zürcher Kreuzstrasse für rund 900 Konzessionäre ein einstündiges Programm produzierten. Am 1. Januar 1954 stiess die 25-jährige Abel dazu – als Ansagerin. Die Zahl der Zuschauer stieg täglich und damit ihre Popularität. Die charmante Baslerin mit der herzerwärmenden Ausstrahlung hatte Mühe mit dem Rummel um ihre Person und fühlte sich von den Zuschauern bald «regelrecht aufgefressen».

Abel machte im Laufe der Jahre eine immer steilere Karriere als Moderatorin: «Musik & Gäste», «Karambuli» und «Telebühne» waren nur drei ihrer wichtigen Stationen. In der Vorabendsendung «Karussell» vermittelte die grosse Tierfreundin Hunde und Katzen, die auf der Strasse oder im Heim gelandet waren. Die Rubrik «Heidi Abel sucht Plätze für Tiere» mit immer wieder köstlichen Pannen war Kult. Im Radio moderierte die «First Lady» der SRG Sendungen wie «Persönlich» oder «Musik für einen Gast». Nie verstanden habe ich, dass das Schweizer Fernsehen seinen grössten Star «degradierte», in «Blickpunkt Region» und dem späteren «DRS-aktuell» ein paar Kurznachrichten zu verlesen. Abel war immer freie TV-Mitarbeiterin, musste Durststrecken überwinden, war auf das Wohlwollen ihrer männlichen Chefs angewiesen.

Mit «Licht und Schatten einer TV-Pionierin» ist Felice Zenoni, einst TV-Ansager, ein Dok gelungen, der ans Herz geht. Er zeigt, wie schwer sich diese charismatische Frau mit sozialer und grüner Ader tat mit den Ansprüchen, die sie an sich stellte. Heidis beste Freundinnen kommen zu Wort, ebenso Beat Müller, von 1970 bis 1977 Abels Lebenspartner, ferner die ehemaligen TV-Direktoren Ulrich Kündig und Peter Schellenberg, Kolleginnen und Kollegen, etwa Kurt Aeschbacher, einst «Karambuli»-Redaktor. Aeschbi und Heidi hatten eine schwierige berufliche Beziehung. Wir sahen im Dok noch einmal den bekannten TV-Fotografen Eric Bachmann, der Tausende von Bildern von Abel geschossen hat. Am 20. Februar, ein Tag vor der Ausstrahlung des Films, ist Eric Bachmann an Krebs gestorben (persoenlich.com berichtete).


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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Kommentare

  • Bieri Christoph, 22.02.2019 15:32 Uhr
    Heidi Abel war eine grossartige, lebensfrohe Grande Dame, äusserst tüchtig eine Macherin in Ihrem TV-Metier, einfach ein Vorbild erster Klasse! Frau Abel war für mich als Zuschauer so verbindend und sympatisch. Der Dok Film war herzergreifend und sehr traurig wie Sie uns verlassen hatte.- Heidi Abel ich verneige mich zu Ihrem Todestag. Ch. Bieri
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