TV-Kritik

Gepusht, gehypt und lobgepreist

Das gabs noch nie: Schon eine Woche vor ihrer Premiere hatte das Schweizer Fernsehen eine neue Moderatorin hochgejubelt. Jennifer Bosshard wurde im People-Magazin seit dem 30. April gefeiert, als wäre sie es, die am übernächsten Wochenende Prinz Harry heiraten wird. Und das alles nur, weil eine triviale, wenn auch beliebte Sendung ein neues Antlitz bekommt.

Da wurde masslos übertrieben. Jenny beim Casting, Jenny zuhause im Garten mit ihren Eltern, Jennys Freund, Jenny beim Training vor der Kamera, Jenny beim Aussuchen ihrer Kleidli. Diese und weitere Banalitäten waren «Glanz & Gloria» eine ganze Woche lang Beiträge wert. Wohl auch mangels wirklich guter Ideen und Geschichten. Solche fehlen seit Wochen oft in dieser Sendung.

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Wie man eine Sache anfängt, so gerät sie meist. Oder: Ein mutiger Beginn ist der halbe Gewinn. Jennifer Bosshard hat ihre erste Sendung ansprechend und ohne Patzer auf die Reihe gekriegt – an ihrem (selber angekündigten) 25. Geburtstag. Allerdings packte die Baslerin das Tuch noch nicht an allen Zipfeln. So vermisse ich bei ihr noch (echte) Natürlichkeit. Diese scheint bei der Jungmoderatorin wie eine Pose. «Nichts steht der Natürlichkeit mehr im Weg als die Absicht, natürlich zu erscheinen.» (La Rochefoucauld).

Bosshard erschien topmodisch – ganz in Rot. Einwandfreies Styling. Doch Kleider machen noch keinen Star. Angenehm: Die Moderatorin wurde nicht überschminkt, wie das regelmässig bei ihrer G&G-Kollegin Nicole Berchtold passiert. Start gelungen, aber es gibt noch zu tun. Der Erfolg entscheidet sich nicht bei der Premiere, sondern im Abonnement.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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