TV-Kritik

Jürg Marquard über Geld, Luxus und schöne Frauen

«Ich liebe das Geld. Wenn man es nicht liebt, liebt es einem auch nicht. Das Geld kommt zu den Leuten, die es gern haben.» So erklärt der erfolgreiche Verleger und Unternehmer Jürg Marquard sein Gelingen. Wenn das doch nur so einfach wäre. In dem Fall würde ich die schönsten Wochen des Jahres ebenfalls auf einer Jacht verbringen ...

Marquard war prominenter Hauptprotagonist in der neusten Folge der empfehlenswerten DOK-Reihe «Geboren am ...» von SRF. Es geht dabei jeweils um drei Menschen, die eines verbindet: Sie kamen am gleichen Tag auf die Welt. Diesmal handelte es sich um drei Biografien, die am 13. Juli 1945 begannen – und freilich doch ganz anders verlaufen sind. Eine Frau aus einem reichen jüdisch-orthodoxen Haus hat als Witwe den Tango entdeckt. Und ein in jungen Jahren aus den Bergen nach Zürich übersiedelter Mann fand erst sehr spät seine erste Liebe.

Jürg Marquard, in dritter Ehe verheiratet, ist das früher geglückt. «Ich habe das Leben und die Frauen immer sehr genossen und geliebt.» Er hatte nie Scheu, sein Privatleben offenzulegen und zu zeigen, was er besitzt: eine Traumvilla hoch über Herrliberg, Luxuskarossen im Wert von mehreren Millionen Franken, oder eine feudale Jacht auf dem Mittelmeer. Marquard: «Ja, ich leiste mir einen angenehmen Lebensstil. Und ich habe keine Probleme damit, wenn andere das sehen.» Leuten, die ihn als Bluffer bezeichnen, sagt der 74-jährige Multimillionär: «Ich bin ein hart arbeitender Unternehmer und Verleger.» Und: «Ich habe viel Geld verdient, aber auch viel verloren.»

Schon als Gymnasiast schrieb Marquard seine ersten Artikel für die «Annabelle» und die damalige «Femina». Ausserdem war er Lokalkorrespondent des «Limmattaler Tagblatt». Zeilenhonorar: 30 Rappen. Als Zwanzigjähriger gründete der ehrgeizige Journalist die Zeitschrift «Pop». Das Startkapital betrug 2000 Franken. Geld, das er von Schulkameraden geliehen hatte. Sein strenger Vater, ein Zahnarzt, hielt wenig von der Verlegertätigkeit seines Sohnes. Er wollte aus seinem Sprössling einen Akademiker machen. Und gab Jürg mit klaren Worten zu verstehen und zu bedenken, dass seine Schulkollegen mit 25 ein abgeschlossenes Studium in der Tasche haben würden. Doch der Junior wollte nicht studieren und entgegnete keck: «Und ich werde dann meine erste Million auf dem Konto haben!» So kam es auch.

Was brachte Marquard auf die Idee, die Zeitschrift «Pop» zu gründen? In der Sendung «Geboren am ...» erzählte der Verleger: «Ich war selber musikbegeistert. Die Pop-Musik, die damals von England zu uns überschwappte, hatte für mich eine revolutionäre Sprengkraft. Später, als Moderator der Hitparade, war ich der erste, der diese Musik im Radio spielte. Die NZZ schrieb damals über die Pop-Musiker: `Diese langhaarigen Affen mit ihren Gitarren verderben unsere Jugend». Marquard («Ich wollte immer etwas Besonderes sein!») wäre liebend gerne selber Pop-Star geworden. «Doch ich konnte weder singen noch ein Instrument gut spielen.» Dass er zur Moderation der Hitparade mit seinem Ferrari vor dem Radiostudio vorfuhr, kam übrigens nicht bei allen SRG-Mitarbeitern gut an ...

Richtig viel verdient hatte der Zürcher ab 1981 als Herausgeber der Frauenzeitschrift «Cosmopolitan». Marquard: «Ich habe ein Sensorium für Zeitgeist und hatte das Bedürfnis der Frauen für einen Rollenwechsel vorausgeahnt. Es ging um ein Frauenbild ohne die drei K`s – Kinder, Küche, Kirche.» Ein weiteres Bombengeschäft wurde eine Weile lang auch das Männermagazin «Penthouse». Die erste Ausgabe mit der unverhüllten Monika Kaelin auf dem Cover war ein Verkaufshit.

Heute publiziert die Marquard Media Group Lifestyle-, Special-Interest-, Gaming- und Electronic-Entertainment-Titel in Deutschland, Ungarn und Polen. Jürg Marquard dirigiert und steuert sein europäisches Medienunternehmen und seine Geschäfte als Investor weitestgehend aus dem Büro in seiner Herrliberger Villa. Viel lieber aber per Tablet aus seinem «ausgelagerten Büro». Der Chrampfer und Geniesser meint damit seine Jacht.

Das wurmt den Unternehmer mit Traumkarriere bis heute: «Mein Vater zweifelte immer an mir. Als er ging, empfand ich eine tiefe Leere. Er bekam noch mit, dass meine erste Zeitschrift ein Erfolg wurde. Aber er hatte nicht mehr erlebt, wie ich ein Imperium aufgebaut habe.»

Die Zahlen belegen es: Auf Sendungen wie «Talk am Grill» oder «Club am Gartentisch» mit Marktanteilen zwischen 10 und 12 Prozent kann SRF im Sommerprogramm 2020 locker verzichten. Das Format «Geboren am ...», hergestellt von B&B Endemol Shine, darf gerne wieder kommen.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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