TV-Kritik

So lustig wie ein Zimmerbrand

Nachdem Viktor Giacobbo und Mike Müller Ende 2016 aufhörten, erbte Kurt Aeschbacher deren SRF-Sendeplatz am Sonntagabend nach 22 Uhr. Mit sehr unterschiedlich interessanten Gästen in seiner netten Talkrunde für ältere Semester holt «das alte Schlachtross» (Selbstbezeichnung) zwar etwas mehr Zuschauer ab als bei seinem früheren Termin Donnerstagnacht. Das junge Publikum erreicht er indes auch zum Wochenausklang nicht.

Ich kenne in meinem Umfeld keine wirklich jungen Menschen, die Aeschbacher schauen. Bei Giacobbo & Müller taten es die meisten von ihnen. Mit Vergnügen. Schrill in Aeschbis Sendung ist meistens nur noch seine Kleidung. Und der schrägste Vogel ist er vielfach selber. Immerhin mag der Berner Selbstironie. «Blick» verriet er mal: «Ich beneide meine Maskenbildnerinnen nicht: Die müssen Altersflecken überspachteln und die schüttere Haarpracht herrichten.»

SRF hatte es bekanntlich sträflich verpasst, sich rechtzeitig um die Nachfolge von Giacobbo & Müller zu kümmern. Und ich würde wetten, dass sich die (zu) stolzen Chefs der zuständigen Abteilung am Leutschenbach nicht von Viktor Giacobbo beraten liessen, wer die Nachfolge antreten könnte. Dabei kennt doch keiner die Szene besser als der Super-Chef des Casino Theaters Winterthur.

Bei den im letzten Jahr testhalber ausgestrahlten neuen Comedy-Formaten zeigte sich rasch, dass Dominic Deville am meisten Potential hat. Was ist seit Mai 2016 passiert? Seine Late Night Show ist bis zum Abspann so lustig wie ein Zimmerbrand. Der Luzerner hat das Tempo nicht im Griff. Er tritt auf wie ein Marktschreier. Die lauen Sprüche und Einspieler sind zum Gähnen. Die transsilvanische Assistentin ist eine Fehlbesetzung wie es schon Sidekick Manuel Stahlberger war. Ausserdem: Der wilde Deville nahm sich selber auch am letzten Freitag wichtiger als seinen Gast. Diesmal war es Art Furrer. Das Walliser Original könnte durchaus ein Spassvogel sein.

So gern ich anderes feststellen würde: In einem ländlichen Kellertheater kann das am Karfreitag mal gehen, aber für einen Publikumserfolg im Fernsehen reicht es noch lange nicht. Oder ist der Sponsor etwa ein Valium-Produzent?

Dennoch: Ich zweifle nicht am Talent von Dominic Deville. Sein total witziges Video «Switzerland Second», eine Anwort auf Trumps «America First», ist grossartig produziert und wurde im Internet ein Mega-Hit.

Was ist zu tun? Deville und seine Crew sollten dringend gründlich über die Bücher. Und sie müssten geführt werden. Sowie bereit sein, sich eng begleiten zu lassen. Auch empfehle ich ihnen, zur Auflockerung mal in Ruhe ein paar alte Sat-1-Sendungen von Harald Schmidt anzusehen.

Es gibt also noch sehr viel zu tun, Deville & Co. Packt es rasch an. Bevor sich der gute alte Aeschbi in sein Häuschen in Frankreich oder ins Altersheim zurückzieht.

 

 


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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Kommentare

  • Felix Hürlimann, 28.02.2017 21:46 Uhr
    Dominic Deville müsste erst mal die Ochsentour durch die Bühnen der Schweizer Provinz machen. Er hat durchaus Potential, ihm fehlt aber Erfahrung und Routine für eine wöchentliche Late Night Show. Und sein Produktionsteam sollte ein paar Basics im Produzieren einer (Live on Tape-) Talkshow lernen. Technisch ist die Sendung noch auf Lokalfernseh-Niveau (Schärfe, Blende, Anschlussfehler etc.). Fernsehmachen ist halt doch nicht so einfach wie es aussieht.
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