TV-Kritik

SRF-«Club» ging in die Schule

Schon die Idee hatte mich angesprochen. Anlässlich der YouNews-Medientage ein «Club» aus der Schule, das könnte doch etwas werden (persoenlich.com berichtete). Wurde es tatsächlich auch. Die Diskussion mit Sekschülern und Lehrern im Oberstufenschulhaus im aargauischen Klingnau war lebendig und erhellend. Wohltuend: Für einmal wurde mit Jugendlichen keine Klimadebatte geführt.

«Club»-Leiterin Barbara Lüthi tat gut daran, die Sendung nicht in einer Grossstadt zu realisieren. Sondern in einer Randregion mit überdurchschnittlich hohem Ausländeranteil. In diesem Fall im unteren Aaretal. Wir sahen und hörten allerhand von freundlichen und intelligenten jungen Menschen und ihren Problemen und Hoffnungen. Die meisten stammen aus ausländischen Familien und müssen sich selber helfen. Kinder aus zwei Kulturen mit schwierigen Geschichten. Gar solche die ohne Eltern aufgewachsen sind.

In der Klingnauer Sek 3a gibt es sieben verschiedene Religionen. Das führt schon dann zu Diskussionen, wenn es um ein Weihnachtsbäumli im Schulhaus geht. Die Stufe hat eine sehr engagierte und zuversichtliche Klassenlehrerin – Yvonne Hügli. Überhaupt: Ich habe noch selten eine so sympathische Lehrerschaft gesehen. Hügli: «Wir Lehrerinnen und Lehrer spüren, wenn Kinder familiäre Probleme haben und alleine gelassen werden.»

Am diskussionsfreudigsten waren die Mädchen. Das hatte wohl damit zu tun, dass Meitli meist weiter sind als Buben im gleichen Alter. «So jung kommen wir im Fernsehen nicht wieder zusammen», werden sich die Gesprächigen gesagt haben. Die sozialen Medien waren eines der Themen der mit nur vier Handykameras gefilmten Sendung. Ein Novum. Die meisten der Sekschüler verbringen nach eigenen Angaben täglich mehr als zwei Stunden am Handy, manche vier oder gar noch mehr. Kontakte draussen, in der Wirklichkeit, gibt es viel zu wenig.

Am wichtigsten für diese Jugendlichen ist derzeit die Lehrstellensuche. Wie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen: Die Klingnauer Schüler träumen von einer eigenen Wohnung, einem guten Job, einer Familie und einem Auto. Hoffen wir, dass es für alle gut kommt. Vor allem auch für die mit den schweren Rücksäcken. Jugend kann auch nach der Schulzeit ein phantastischer Pass sein, der viele Türen öffnet. Leider ist er nicht lange gültig.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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KOMMENTARE

Sonja Conzalez
16.01.2020 21:21 Uhr
Meiner Meinung nach ein düsteres Bild der Schweizer Jugend. Frustrierte Lehrer/innen, die sich beklagen, Jugendliche, die extrem schlecht Mundart sprechen (kein Wunder, kriegen die keine Lehrstelle), und viel Drogenprobleme. Da stellen sich viele Fragen. Immerhin: einige der Sekunarschüler sind gut geschminkt, gut frisiert, und die Fingernägel sind auch gestrichen. Happy Handy. Wahrscheinlich haben die wenigsten dieser Jugendlichen je ein Buch gelesen....... weil sie das nicht mehr können. Ich bin selber eine Seconda, doch ich lege sehr wert, dass meine Kinder die Schweizer Werte und die Schweizer Kultur Eins zu Eins übernehmen. Das scheint in Klingnau nicht der Fall zu sein.
Jonas Portmann
15.01.2020 22:29 Uhr
Da muss man René Hildbrand recht geben: Der Club war lebendig und erhellend. Für einmal wurde nicht die verwöhnte, gebildete, urbane «Klima»-Jugend abgebildet, die zwar gegen den Flugi-Verkehr protestiert, aber mit ihrem Handy-Gebrauch viel mehr CO2 ausstösst, alls alle Flugis der Welt .... Nein, es wurde die Pampa-Durchschnittsschweiz-gezeigt, also die Mehrheit der Jugendlichen, die inzwischen aus mehr Ausländer als Schweizer besteht. Durchaus: Diese Jugendlichen reden schnell, und sie können sich gekonnt ausdrücken. Und sie kämpfen. Chapeau! Trotzdem: Viele sprechen schlecht Schweizerdeutsch (früher hiess das Christbaum, und nicht Weihnachtsbaum), und ja, die Bereitschaft zur wirklichen Integration ist minim ... Gefragt ist der Ehemann aus Kosovo-Albanien (von denen es in der Schweiz sehr viele gibt, obwohl Kosovo-Albanien ein kleines Land ist... aber alle kommen in die Schweiz). Der Club zeigte auch, dass es vor 40 Jahren viel einfacher war, in der Schweiz aufzuwachsen. Heute haben Sek-Schüler schon viele brutale Probleme... sei es Alkohol, keine Eltern, Handy-Sucht und so weiter.... Auch wirken heute 3-Sek-A-Schüler unheimlich alt....Augenringe...schwarzer Nagellack.... Mein Fazit: Die Zukunft sieht eher düster aus....trotz allen Bemühungen dieser Jugendlichen und dem Einsatz der Lehrer. Doch die Schweiz, wie sie ist, wird bald nicht mehr sein. Glücklich ist, wer diese Zukunft nicht mehr miterleben muss. Der Club zeigte die Wirklichkeit, aber nicht wirklich eine Jugend, die Hoffnung haben kann... traurig, aber Realität. Alles wird strenger, überwachter, und unfreier. Selbst die Lehrer sagen es... Da wundert man sich, dass Herr Hildbrand die Jugend noch hochjubelt.
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