TV-Kritik

Volle Packung von Deville

Drei Jahre lange musste er zu später Nachtstunde üben. Nach zehn Sendungen des Zugers Michael Elsener darf sich neu der Luzerner Dominic Deville mit seiner Late-Night-Show am Sonntagabend nach dem «Tatort» austoben. Der Komiker startete mit einer prall gefüllten Sendung, die er als «Alternative zum Geschlechtsverkehr» angekündigt hatte. Die Premiere war beachtenswert. Der frühere Kindergärtner macht im Fernsehen inzwischen weniger Kindergarten.

«Michael Elsener nimmt sich Politisches und macht etwas Lustiges daraus. Wir nehmen lieber etwas Lustiges und machen es politisch», sagte Deville gegenüber «20 Minuten». Stimmt so natürlich nicht. Auch er bedient sich direkt bei der Politik. Themen: Die Schlappe der Bürgerlichen bei den Zürcher Wahlen, miese Wahlbeteiligungen oder die Umweltpolitik der FDP. Amüsant unter anderem: Die Wrestling-Nummer mit SVP und SP.

Deville, dessen Stimme nichts an Aufdringlichkeit verloren hat, kann auf eine starke Crew zählen. Patrick Karpiczenko («Karpi») ist als neuer Sidekick mehr als ein Handlanger der Hauptfigur. Der Autor und Filmemacher begleitet Deville seit der ersten Sendung. Jetzt, wo es richtig ernst gilt, darf er auch vor die Kamera. Wie hat Karpi an der Urne gewählt? «Links-kommunistisch-schwul-vegan, wie alle beim SRF.»

Vielversprechend für die weiteren Sendungen: Satirikerin Lisa Catena, die sich bei der Premiere mit dem Aussterben von Pandabären, SRF-Zuschauern und vor allem Italienern auseinandersetzte. Ebenso Gabriel Vetter (machte sich bei seinem ersten Auftritt über die Diskussionen um die Zeitumstellung lustig). Mein Favorit: Nico Semsrott (Thema Schweiz-Europa). Mit seinen Auftritten in der ZDF-«Heute-Show» eroberte der deutsche Slam-Poet und Kabarettist ein Millionenpublikum. Kein Witz: Bei der Europawahl 2019 kandidiert er für «Die Partei» für einen Sitz im Europaparlament.

Die Show von Dominic Deville ist witziger, dichter und spektakulärer als jene von Michael Elsener, der SRF keine berauschenden Quoten abgeliefert hatte. Schauen wir einmal, ob und wie Deville am Sonntagabend einschlägt. Mit seinem Konzept könnte er vor allem beim jüngeren Publikum stärker punkten.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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Kommentare

  • Patrik Kuenzler, 01.04.2019 14:10 Uhr
    Ich fand «Deville» sackstark! Obwohl eigentlich nur «geschwatzt» wird, wurde es mir keine Minute lang langweilig. Mit «Deville» hat SRF endlich wieder eine Late-Night-Show, die sich sehen lassen kann, und die «Giaccobbo/Müller» easy das Wasser reicht. Bei «Giacobbo/Müller» hatte ich nämlich schon mal ab und zu den Fernseher abgeschaltet. Die neue Sendung mit Michael Elsener hatte ich sogar nur einmal angeschaut (die Premiere), bei der zweiten Folge hatte ich in der Hälfte schon abgeschaltet. Doch «Deville» finde ich sehr witzig, jung, frisch. Freue mich auf viele weitere Ausgaben. Mein grosses Kompliment an Deville und Karpi!
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