TV-Kritik

Was ist uns ein Leben wert?

Es ist ein emotionales Thema: Was oder wie viel ist uns ein Menschenleben wert? Sind wir als Gesellschaft bereit, einem kranken Menschen jede erdenkliche Therapie zu ermöglichen? Auch dann, wenn diese bis zu einer halben Millionen Franken und mehr kostet. Und der kranke Mensch bereits betagt ist? Diesen Fragen ging Eveline Falk in ihrer «SRF Dok» nach. Entstanden ist ein bemerkenswerter und – vor allem wegen zwei der gezeigten Fälle – teils bewegender Film. Allerdings liess er manche Fragen offen.

Die moderne Medizin kann und kostet immer mehr. Laufend kommen Fortschritte und Errungenschaften dazu, die noch teurer sind. Das bedeutet: Die Gesundheitskosten überborden. Auch dieses Jahr werden sie wieder rund vier Prozent steigen – auf gegen 90 Milliarden Franken. Nicht alles ist bezahlbar, was heute medizinisch möglich ist. Nach einem Entscheid des Bundesgerichtes muss die obligatorische Krankenversicherung nicht jede mögliche Therapie übernehmen. Eine Beschränkung der Leistungen wird unumgänglich. Die Frage, was ein Leben kosten darf, muss auf den Tisch.

Alte Menschen sollen keine teuren Therapien mehr bekommen, sagte die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung letztes Jahr in einer repräsentativen Umfrage. Und schon heute gibt es politische Vorstösse, die fordern: keine Herzschrittmacher, Hüft- und Knieprothesen mehr für Hochbetagte. In England ist die Rationierung bereits Realität. Für die Briten ist entscheidend, was ein gewonnenes Lebensjahr kostet, das ein Patient bei guter Lebensqualität erlebt. Ein Medikament, welches dies sicherstellt, darf höchstens 30’000 Pfund kosten. Wenn das Medikament teurer ist, wird es nicht bezahlt.

Ein nicht nur in der Schweiz, aber hierzulande besonders grosses Problem: Die Medikamentenpreise. In den letzten zehn Jahren sind allein die Kosten für Krebsmedikamente um rund 180 Prozent gestiegen – eine Milliarde Franken wuchsen sie allein in den letzten vier Jahren. Thomas Cerny, Onkologe und Präsident der Krebsforschung Schweiz im SRF-Film: «Die Dynamik der Medikamentenpreise ist gigantisch. Da muss politisch vorgegangen werden, damit dadurch das Gesundheitssystem letztlich nicht gekillt wird.» Im «Tages Anzeiger» sagte es Cerny kürzlich noch deutlicher: «Die aktuellen Preise neuer Krebsmittel sind nicht länger akzeptabel!»

Wie viel Geld uns ein Leben tatsächlich wert ist, vermochte der Film nicht zu beantworten. Nicht behandelt wurde leider die Frage, wie weit gesunde Schweizerinnen und Schweizer bei besonders schweren Fällen tatsächlich bereit sind, mit Betroffenen solidarisch zu sein.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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