TV-Kritik

Wie die Digitalen die Analogen überholen

Die Zukunft ist digital. Und die Digitalisierung stellt unser Leben auf den Kopf. In welchen Datenland wollen und werden wir künftig leben? Um diese richtungsweisende und einschneidende Frage ging es am Mittwoch in allen Landesteilen beim über dreistündigen SRG-Themenabend «Dataland». Es war ein etwas gar langer, aber erkenntnisreicher und auch kontroverser Abend über die Digitale Revolution und die Umwälzungen in praktisch allen Lebensbereichen. 

Im SRF-Programm moderierte Susanne Wille. Gewohnt souverän – von der ersten bis zur letzten Minute. Die Liveschaltungen in die anderen Regionen brachten nichts. Das waren Alibiübungen, wie gewohnt bei nationalen TV-Veranstaltungen. Vom Leutschenbach wurde viel und weitgehend das geliefert, was man von einer solchen Sendung gern erwartet: Information, Denkarbeit, Erklärstücke und Klarsicht. Kernstück war eine helle, mehrteilige Westschweizer Dokumentation zu den Themen Datensammlung, Datenverarbeitung und Datenmacht. 

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Jede Minute werden auf Facebook 3,3 Millionen Posts platziert. Bei Google 3,8 Millionen Anfragen getätigt. Und über WhatsApp 29 Millionen Nachrichten verschickt. Im Jahr 2020 wird jeder Mensch 1,7 MB Daten produzieren – pro Sekunde. Unser digitaler Aktivismus erzeugt eine Datenlawine. Und die Daten sind das «Erdöl des 21. Jahrhunderts». Laut einer SRG-Umfrage stehen «nur» rund 40 Prozent der Schweizer der Datenspur kritisch gegenüber. Vielsagendes Experiment in der Sendung: Mit dem harmlosen Spiel «CheeseMaster» wurde gezeigt, wie die Mitspieler Daten lieferten, die sie nicht aktiv preisgegeben hatten.

Aufschlussreich die Studiogespräche mit Top-Experten und vor allem der Dok-Teil über künstliche Intelligenz, die unser Leben erobert. Fazit des Films: «Künstliche Intelligenz will unsere beste Freundin werden. Sie entschlüsselt unsere Gefühle, sie berät uns, orientiert uns und folgt uns überall hin. Sie wird allgegenwärtig.» Brisant zu sehen und zu hören, wie weit die Digitalisierung und künstliche Intelligenz in der Medizin in Finnland bereits fortgeschritten ist (Stichworte: Personalisierte Medizin, Entschlüsselung des genetischen Codes). Die Sendung deckte eine breite Palette ab: Big Data als Machtfaktor, Algorithmus, Veränderungen der Arbeitswelt durch künstliche Intelligenz oder Digitalisierung als Chancen und Gefahren in der Demokratie waren weitere Themen. Bundesrätin Doris Leuthard (sprach sich für E-Voting aus) ist überzeugt: «Die Digitalisierung bringt mehr Gewinner als Verlierer hervor.»

Versagt hat im «Dataland» nur eine – Sprachassistentin Alexa: Sie scheiterte schon an einer einfachen Sätzchenrechnung. Irgendwie tröstlich.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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