TV-Kritik

Wieder flauer Schweizer «Tatort»

Es ist kein Zufall, dass dieser «Tatort» im Sommer, als letzter der Saison, ausgestrahlt wurde. Die Schweizer Ausgaben der Krimi-Reihe brillieren nämlich nie mit Top-Quoten. Stefan Gubser lag falsch, als er kürzlich in einem Interview mit der NZZ erklärte, die Schweizer Filmszene werde im Ausland dadurch wahrgenommen, «dass ein Tatort jeweils rund 10 Millionen Zuschauer hat.» Das schaffen oft Krimis aus Münster, Köln, Bremen, München oder Ludwigshafen. Die Luzerner aber nie. Wenn die neue Ausgabe «Ausgezählt» in Deutschland sechs bis siebeneinhalb Millionen Zuschauer erreicht hat, ist SRF sehr gut bedient. Und die ARD einmal mehr unzufrieden.

Mit «Friss oder stirb» lief Ende 2018 eine spannende und dramatische Schweizer "Tatort"-Folge (persoenlich.com berichtete). Die neuste Krimi aus der Zentralschweiz hingegen überzeugt nicht. Die Story indessen hat Potenzial. In Kürze: Eine Boxerin stirbt im Ring an einem Herzinfarkt. Ihre Gegnerin will danach sofort mit dem Dopen aufhören und die Öffentlichkeit über die Dopingszene informieren. Um dies zu verhindern, schliesst sie ihr korrupter Manager in einen Luftschutz-Keller ein. Der Mann wird erschossen, und niemand weiss, wo sich das Kellerloch befindet. Der Countdown läuft, und damit die Zeit unerbittlich rückwärts.

Was folgt? Langeweile. Das muss man mit dieser Geschichte erst mal schaffen... Das Rennen um die Zeit und somit die Spannung werden nur «vorgetäuscht». Es war wie schon oft beim Schweizer «Tatort»: Die Geschichte ist vielversprechend, aber hausbacken umgesetzt. Regisseurin Katalin Gödrös ist es nicht gelungen, die Zuschauer in den Bann zu ziehen und neunzig Minuten in Atem zu halten. Effektvoll waren einzig die Boxszenen. Dazu kommt mindestens eine Fehlbesetzung: Der im Gefängnis einsitzende, skrupellose Drahtzieher (gespielt von Pit-Arne Pietz) wirkt eher wie ein welk gewordener Klosterschüler als ein Schwerverbrecher. Den permanent mürrischen, motzenden und daher unerträglichen Regierungsrat und Ermittler-Vorgesetzten Mattmann (Jean-Pierre Cornu) und seine in dieser Form veraltete Rolle müssen wir zum Glück nur noch während einer Folge ertragen. Und die hölzernen Dialoge hoffentlich ebenso.

Dass es dem griesgrämigen Kripo-Duo (Delia und Mayer und Stefan Gubser) an Humor sowie Ecken und Kanten fehlt, wissen wir inzwischen seit acht Jahren. Gubser entschuldigend in der NZZ: «Wie hätte ich diese spielen sollen, wenn die Situation und die Emotion dafür nicht im Drehbuch stehen...?» Und: «Delia Mayer und ich haben immer dafür gekämpft, dass unsere Rollen mehr Fleisch erhalten. Das wurde uns irgendeinmal zugestanden, doch in meinen Augen zu wenig und zu spät.»

Die Schweizer Regisseurin hat auch verpasst, in Kürze ein paar der vielen schönen Seiten der Stadt Luzern zu zeigen. Resultat: Dieser Schweizer «Tatort» hätte auch in einem hässlichen Quartier ihrer Wahlheimat Berlin gedreht werden können. Am Ende des Films werden die Ermittler vor den hohen Mauern der «JVA Luzern» gezeigt. In Wirklichkeit ist es die Strafanstalt Lenzburg.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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Kommentare

  • Tobias Frey, 18.06.2019 14:51 Uhr
    Nicht nur die Schweizer "Tatorte" sind schlecht; die ganze Serie hat sich überlebt. Das gilt sowohl für die Serie als solche wie für die fragwürdigen, meist zur selben zeit ausgestrahlten deutsch-österreichisch-schweizerischen Gemeinschaftsproduktionen als Ganzes. Im Zeitalter von Kabel-TV und Satellit ist es eine Zumutung, wenn dem Gebührenzahler in gleich drei Programmen der selbe Einheits-Schmarren zugemutet wird (gilt erst recht für die diversen Schlager&Schunkel-Shows). Dass dabei der deutsche Geschmack bestimmt, was Österreicher und Schweizer mitfinanzieren, sei nur nebenbei bemerkt...
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