15.04.2020

Serie zum Coronavirus

«Jammern dürfen andere Firmen und Branchen»

Im Teil 22: Roman Hirsbrunner, CEO Jung von Matt/Limmat, glaubt, dass Solidarität als Thema wiederentdeckt wird. Und hofft, dass gewisse krisenbedingte Neuerungen auch nach Corona noch bleiben werden.
Serie zum Coronavirus: «Jammern dürfen andere Firmen und Branchen»
«Die Werbewelt änderte sich schon vor Corona laufend. Die Erfahrungen im Umgang mit einer solchen fundamentalen Krise beschleunigt diese Entwicklung einfach noch einmal», sagt Hirsbrunner im Gespräch mit persoenlich.com. (Bild: zVg.)

Herr Hirsbrunner, wie fest beeinträchtigt die ganze Krise Ihren persönlichen Alltag und wenn ja, wo?
Wie bei den meisten wohl auch sehr fundamental: Ich verbringe viel mehr Zeit zu Hause. Allerdings ohne «so richtig» zu Hause zu sein. Besonders vermisse ich das «Unterwegssein», das «Programm machen» für mich und meine Familie. Der Lockdown ist zwar auch Slowdown (ich sitze vor allem in meinem Büro zuhause, habe weder Arbeitsweg noch Abendveranstaltungen), andererseits bringt er auch viel Speedup: Meetings schliessen sich nahtlos aneinander ohne natürlichen Unterbruch durch Ortsverschiebungen und auch die Familie ist nur noch zwei Meter oder eine Sekunde entfernt vom letzten Apéro... Ich glaube, diese Beschleunigung muss man mental erst mal absorbieren.

Welche Auswirkungen hat der Virus auf Ihre Firma?
Uns geht es den Umständen entsprechend gut. Wir können alle – von zu Hause aus – arbeiten, alle sind gesund. Und den gestoppten oder verschobenen Projekten stehen auch viele spannende neue Aufgaben und Gespräche gegenüber. Jammern dürfen definitiv andere Unternehmen oder Branchen.

Wie erleben Sie die Auswirkungen auf die Werbung? Wie gross ist der Rückgang?
Diese Krise betrifft alle. Weil wir als Dienstleister für alle Branchen arbeiten, merken wir natürlich sofort, dass die Nachfrage reihum nachlässt. Was uns jetzt sicher hilft, ist, dass Werbeagenturen schon seit einigen Jahren nicht einfach mehr «Werbung» machen, sondern ihre Kunden strategisch unterstützten. Diese Kompetenzen sind in der Krise mehr denn je gefragt. Wir bei Jung von Matt teilen unsere diesbezüglichen Erfahrungen beispielsweise auf www.chancen.jvm.ch, wo wir unter anderem auch die Greenpapers unserer Kolleginnen und Kollegen aus Hamburg sammeln.

Wird die Werbewelt nach Corona eine andere sein?
Die Werbewelt änderte sich schon vor Corona laufend. Die Erfahrungen im Umgang mit einer solchen fundamentalen Krise beschleunigt diese Entwicklung einfach noch einmal. Wir werden also noch mehr Digital Shift sehen, mehr Co-Creation und wahrscheinlich auch mehr Agenturfusionen. Zudem werden gewisse Kommunikationsformen nicht mehr vertretbar sein; Konsumenten sind noch sensibilisierter auf die Haltung von Unternehmen. Solidarität wird als Thema wieder neuentdeckt.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Tage?
Ein Einkauf im Onlineshop unseres Kunden bikeworld.ch. Ich wollte für meine Tochter ein Fahrrad kaufen, der Entscheid zwischen zwei Modellen fiel mir aber nicht einfach. Ein Klick auf den Button «Mit einem Mitarbeitenden in einer Filiale verbinden» machte genau das, was er versprach. Und schon stand ich mit Diego aus Muri bei Bern in einem Videocall. Diego führte mich durch die (menschenleere) Verkaufsfläche, zog diverse Bikes aus dem Regal, zeigte Funktions- und Montagetricks und beriet mich sehr konkret bezüglich Lieferterminen und Zustellkonditionen. Eine solch perfekt orchestrierte «Blended Shopping Experience» darf für mich gerne auch nach Corona bleiben.



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com jeden Tag eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier


Kommentar wird gesendet...

KOMMENTARE

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren