08.06.2005

Daniel Matter

"Unsere kreativen Arbeiten waren schon immer gut"

Daniel Matter ist seit einem Vierteljahrhundert in der Werbung tätig, seit 15 Jahren mit seiner eigenen Agentur Matter & Partner, die sich momentan auf dem fünften Rang des Kreativ-Rankings befindet. Gegenüber “persönlich rot” äussert er sich ungeschminkt über die aktuelle Krise in der Branche, und den täglichen Kampf um seine Kunden. "persoenlich.com" bringt einen Auszug aus dem Gespräch:
Daniel Matter: "Unsere kreativen Arbeiten waren schon immer gut"

Herr Matter, wie geht es Ihrer Agentur?

Wir kämpfen wie die meisten Agenturen mit der wirtschaftlichen Situation. Vor drei Jahren gingen auch wir noch von der Vorstellung aus, dass die Konjunktur weiter wächst. Ich konnte mir eine Krise nicht vorstellen: 2002 war für uns ein sehr erfolgreiches Jahr, auch 2003 -- als die ersten Agenturen zu torkeln begannen -- lief es für uns immer noch mehr als zufrieden stellend, schwierig wurde es dann vor einem Jahr. Wir mussten lernen, dass es ist für eine Agentur praktisch unmöglich geworden ist, im Voraus zu planen. Nach zwei Monaten kann sich die Situation bereits wieder grundlegend ändern.

Was heisst das für Sie?

Obwohl wir uns im aktuellen Ranking der kreativsten Schweizer Agenturen auf dem fünften Platz befinden und von Beginn an bis heute profitabel arbeiten, ist die Situation für uns anspruchsvoller geworden. Wir müssen unsere Strukturen straffen, schlanker werden, um flexibel zu bleiben. Der Zürcher Werber Pius Walker hat in einem "persoenlich.com"-Interview treffend gesagt: "Wer weniger Fett um sich hat, muss im kalten Wasser schneller schwimmen." Das trifft absolut zu. Der Konkurrenzdruck hat sich verschärft; es ist schwieriger geworden, neue Kunden zu gewinnen, gleichzeitig fahren viele der Auftraggeber aufgrund der Wirtschaftslage die Werbeausgaben herunter. Wenn man einen Kunden verliert oder wenn einer ganz plötzlich weniger ausgibt, kann das zum Problem werden. Früher gewann man einfach einen neuen, heute ist das nicht mehr so einfach.

Beim Beobachter, den Sie nach zehn Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit verloren haben, handelte es sich um eine langjährige Partnerschaft und auch um viele mehrfach preisgekrönte Kampagnen. Was ist da passiert?

Es war eine Situation, wie man sie momentan in der Branche oftmals erlebt. Ein Klassiker sozusagen. Plötzlich war auf Verlagsseite keiner der bisherigen Ansprechpartner mehr da, die neuen Leute schrieben einen Pitch aus. Wir stellten uns auf den Standpunkt, unsere Arbeit sei bereits genügend Referenz, und wollten gar nicht teilnehmen. Dann liessen wir uns aber trotzdem überreden, da wir das Beobachter-Budget halten wollten. Vielleicht gerade deshalb, weil wir die Sache zu gut machen wollten, haben wir uns verstrickt und wohl nicht die taktisch richtigen Lösungen präsentiert. Manchmal geht man zu einem Pitch und weiss bereits im Voraus, dass man ihn gewonnen hat. Manchmal ist es umgekehrt. Ein solcher Verlust schmerzt, gehört aber zum Geschäft wie ein Etatgewinn auch.

Sie sind bereits 25 Jahre in der Werbung. Wie würden Sie den momentanen Zustand der Branche umschreiben?

Wie traurig es in der Branche aussieht, widerspiegelt der aktuelle Research des BSW. Knackpunkte sind die Kosten und die Zeit. Hat man einen Auftrag, muss man den in möglichst kurzer Zeit erledigen, und zwar unter hohem Kostendruck. Obwohl die Zeit immer knapper wird, ist man gezwungen, mehr Leistung für weniger Gewinn zu erbringen. Es ist aber nicht so, dass alle Werbeagenturen damit Probleme hätten. Es hat auch mit der Grösse der Budgets zu tun. Vor allem wer grössere Budgets vergibt, ist sich bewusst, dass seriöse Arbeit einen gewissen Vorlauf braucht und einen bestimmten Aufwand bedingt. Beim Neugeschäft haben momentan jene Agenturen Erfolg, die einen vermeintlich sicheren Wert darstellen: Es handelt sich vor allem um grössere Agenturen, die gleichzeitig sehr jung sind, wie beispielsweise Jung von Matt oder Spillmann, Felser, Leo Burnett.

Warum gerade diese?

Da viele Auftraggeber in der Angsthierarchie verwurzelt sind, sind sie bei der Wahl der Agentur fantasielos. Marketingleiter wählen oftmals eine Agentur, bei der sie auf keinen Fall falsch liegen können. Vielleicht eine, die gross ist, aber sicher eine, die bekannt ist, weil sie gerade vom ‘Momentum’ profitiert oder sonst auf der Erfolgswelle surft. Glücklicherweise gibt es aber auch immer wieder Kunden, die Agenturen wählen, die einfach zu ihnen passen, und die nicht die Sicherheit in den Vordergrund stellen, sondern das eigene Beurteilungsvermögen. Es ist nicht sehr clever, sich dorthin zu wenden, wo die Aufgaben aufgrund des momentanen Erfolgs und rasanten Wachstums ja gar nicht mehr zufrieden stellend bewältigt werden können.

In den letzten Jahren haben Sie auf Führungsebene mehrere Partnerwechsel gehabt. Woran liegt das?

Hört man sich in der Branche, bei Kunden und Mitarbeitern um, gelte ich als kompetent und angenehm. Für die Partnerwechsel gibt es eine plausible Erklärung: Da ich für die Beratung immer leitende Leute aus grösseren Figurationen geholt habe, hatten diese möglicherweise eine falsche Vorstellung von ihren Aufgaben. Ich brauchte sie aber, da die Kreation mein Thema ist. Während sich ein Mitarbeiter einer grossen Agentur auf eine Sache konzentrieren kann, muss er bei uns auch anderes machen. Bei uns ist die Arbeit zwar vielseitig und spannend, manchmal aber auch sehr fordernd und aufreibend. Das ist nicht jedermanns Sache. Hingegen bietet sich bei uns für jeden die Möglichkeit zu zeigen, was er kann, weil ihm dabei niemand im Weg steht.

Sind Sie vielleicht zu wenig selbstkritisch?

Ich glaube, dass ich sehr selbstkritisch bin. Es wäre mir wohler, hätte ich mehr Kontinuität erreicht. Das wäre auch lukrativer gewesen. In der Arbeitsqualität sind wir sehr kontinuierlich, privat bin ich es übrigens auch: Ich bin seit 20 Jahren glücklich mit derselben Partnerin verheiratet und habe zwei Söhne im Alter von 11 und 15, auf die ich sehr stolz bin. Ich weiss, Personalwechsel führen immer zu Unruhe und Verunsicherung. Doch ich habe eine Lehre daraus gezogen. Bei uns sind die Aufgaben jetzt klar verteilt, jeder konzentriert sich verstärkt auf seine Kernkompetenzen, und zusammen sind wir ein schlagkräftiges Team, das gut zusammenspielt. Ich trage die Verantwortung für die Kreation, Marcus Gretener für die Beratung. Dass er seine Fähigkeiten auch in einer kleineren Agentur unter Beweis gestellt hat und auf die Interessen der Kunden und deren Betreuung fokussiert, spricht für eine positive Entwicklung. Dass unsere kreativen Leistungen immer schon kontinuierlich gut waren, ist ja erwiesen.


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