29.12.2018

Persönlichkeiten 2018

«Wir haben gar nicht so einen schlechten Ruf»

In der zweiten Folge unseres Jahresrückblicks kommt der «Werber des Jahres» zu Wort. Livio Dainese will das 2018 zwar nicht in einem Werbespruch zusammenfassen, spricht aber über den Höhepunkt seiner Amtszeit und das Image der Werbebranche.
Persönlichkeiten 2018: «Wir haben gar nicht so einen schlechten Ruf»
Livio Dainese ist Kreativchef und Co-CEO bei der Zürcher Kommunikationsagentur Wirz. (Bild: zVg; Grafik: Corinne Lüthi)
von Edith Hollenstein

Herr Dainese, was für einen Claim geben Sie dem Jahr 2018?
Keinen. Ich bin kein Freund von Claims, die zusammenfassen sollen, was sich nicht zusammenfassen lässt.

Dann sprechen wir über kreative Ideen. Welche hätten Sie gerne selbst gehabt?
Ganz viele, drum drei Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit. In der Kategorie Weihnachten mag ich Elton John Lewis. In der Kategorie Hygieneprodukte mag ich «Viva la Vulva». In der Kategorie Zeug, das sich unsere Kreativen gerne ausdenken: das Bolofäscht, ein Event zur Würdigung der Spaghetti Bolognese.

Neben SBB und Graubünden Ferien: Hat Wirz in diesem Jahr weitere namhafte Neukunden gewonnen?
Ja, Swica, die laut Kundenzufriedenheitsranking beste Krankenkasse der Schweiz. Dazu programmatische Kampagnen wie die Lancierung einer neuartigen Dienstleistung für Postfinance. Oder eine weltweite, datenbasierte Kampagne für den Bereich Landverkehr für Kühne und Nagel. Und den Gewinn der Post für unseren Marketing-Automatisierungs-Spin-off Younity. 

Neu kommt ja auch noch Swisscom (persoenlich.com berichtete). Swisscom selber spricht von einer «neuen agilen Arbeitsweise» und erwartet in der Agentur einen «Sparringpartner». Was bietet Wirz diesbezüglich an?
Wir haben sehr früh und sehr intensiv damit begonnen, die klassischen Strukturen unserer Branche zu hinterfragen. Und gemeinsam mit unseren Partnern von BBDO und Proximity Prozesse entwickelt, die uns erlauben, agiler und präziser mit unseren Kunden zu arbeiten. Swisscom ist besonders, weil hier ein grosses Unternehmen in voller Konsequenz seine Arbeitsweise und seine Struktur verändert. Und nicht von der Agentur verlangt, was es selbst nicht leisten kann. Ich freue mich wie junges Pony auf diese Zusammenarbeit. 

«In Cannes haben die richtigen Arbeiten gewonnen»

Sie waren dieses Jahr bei den Cannes Lions als einziger Schweizer in der Fachjury. «Besonnen, respektvoll auch Ideen gegenüber, die sich einem mit dem eigenen kulturellen Hintergrund nicht erschliessen, diskussionsfreudig, begeisterungsfähig», waren Ihre Eindrücke kurz nach Ihrem Einsatz. Und heute, ein halbes Jahr später: Was bleibt Ihnen persönlich in Erinnerung von den Cannes Lions 2018?
Eigentlich deckt sich das mit meiner Sicht von damals. Es war eine gute Jury, die richtigen Arbeiten haben gewonnen und wir hatten auch noch viel zu lachen.

Und was ist Ihr persönlicher Höhepunkt aus der Amtszeit als «Werber des Jahres»?
Die Freude meiner Eltern darüber.

Sie waren in Radio-Interviews, es gab Berichte und Interviews in «Blick» und «Schweizer Illustrierte». Gegenüber der «Aargauer Zeitung» sagten Sie Dinge wie: «Gute Werbung ist wie ein Hirnschuss, der in deinem Kopf etwas auslöst», aber auch, dass Sie allenfalls Polit-Werbung machen würden. Gibt es diesbezüglich Neues? Für welche Partei wird Wirz bei den Wahlen 2019 mitmischen?
Hab ich das tatsächlich verkündet? Wir arbeiten momentan immer noch genauso parteienfrei wie zuvor. 

«Trotz all meiner Umwege gerieten meine Eltern nie in Panik»

Die «Bilanz» hatte Sie und Ihren Bruder Timo Dainese in einem Artikel mit dem Titel «Erfolgsgeschwister» porträtiert. Was war in Ihrer Kindheit respektive Jugend wegweisend?
Ich hatte zum Glück Eltern, die trotz all meiner Umwege nie in Panik gerieten. Zumindest haben sie es sich nicht anmerken lassen. Das war entscheidend und dafür bin ich Ihnen sehr dankbar. Ich glaube stark daran, dass gerade in unserem Beruf das gesamte Paket der gemachten Erfahrungen hilft, die unterschiedlichsten Kunden und Zielgruppen zu verstehen, um sich in ihre Lebensrealität und die damit einhergehenden Herausforderungen zu versetzen. Wenn in einer Agentur zusätzlich die unterschiedlichsten Lebensläufe aufeinandertreffen, entsteht die Art von Energie, die es für herausragende Umsetzungen braucht.

Was für eine Erkenntnis haben Sie für sich persönlich bei diesen Auftritten als «Werber des Jahres» gewonnen?
Dass die Aussensicht und die Innensicht in unserer Branche viel weiter voneinander entfernt sind, als ich bis anhin schon dachte. Und, dass Werber gar nicht den schlechten Ruf haben, mit dem sie selbst gerne kokettieren.

Was meinen Sie damit? Wo divergieren die Aussen- und die Innensicht so stark?
Eben genau das: Die Werber denken, sie hätten einen schlechten Ruf, aber das stimmt gar nicht. Die Allgemeinheit macht sich überhaupt viel weniger Gedanken über die Werbebranche als man innerhalb der Werbebranche annimmt. Wir sind nicht so wichtig – und das ist auch richtig so.

Wie wird der Titel «Werber des Jahres» im 2019 nachwirken?
Das kann ich schwer abschätzen. Zumindest darf ich dann dem neuen oder viel lieber der neuen «Werberin des Jahres» eine Laudatio halten. 


 


In der Serie «Persönlichkeiten 2018» lassen wir Menschen, die 2018 von sich reden machten, nochmals zu Wort kommen. Weitere «Persönlichkeiten 2018» finden Sie hier.

bäume



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