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Bunte Bildchen für eine bessere Welt?

Dana Sindermann

Auf Bildschirmen, Werbetafeln und Anzeigen, in Filmen, Clips und Serien sehen wir derzeit auffällig viele Menschen, die anders aussehen das, was wir in Medien und Marketing zu sehen gewohnt sind. Die Menschen haben unterschiedliche Hautfarben, diverse Geschlechter, ein breites Altersspektrum und manchmal auch ein Handicap.

Diversity bahnt sich derzeit den Weg vom Multikulti-Land Amerika nach Westeuropa. Ist das gut? Auf alle Fälle können wir viel gewinnen, wenn wir Diversität zulassen. Wenn wir dem anderen, so anders er auch ist, respektvoll, vielleicht sogar neugierig und bestenfalls wertschätzend begegnen, wird unser Leben reicher.

Auch Marketing-Agenturen und Unternehmensberatungen sehen in dieser Vielfalt eine starke Kraft: «Diversity führt zu Erfolg! Diversity macht Ihr Unternehmen sympathisch!» Unternehmen folgen diesen Lockrufen erwartungsfroh. Und so sind Diversity-Marketing und -Management derweil zu einer riesigen Industrie angewachsen.

Was ist es, das Diversity so sympathisch macht? Ich denke, es ist das Statement, das in diesen Bildern mitschwingt und so etwas sagt, wie: Wir schätzen kulturelle Vielfalt, wir respektieren unterschiedliche Religionen und diverse sexuelle Orientierungen.

Jetzt könnte man sagen, endlich! Die Empowerment-Bewegung ist überfällig. Viel zu lange haben wir die Missachtung von Menschen, die kulturellen, religiösen oder sozialen Minderheiten angehören, geduldet. Hinter Diversität stehen also so grosse Werte wie Würde und Menschlichkeit.

Es wäre zu schön, wenn sich reibungslos mit Menschen unterschiedlichster Kulturen, Bildungsgrade, Religionen, Alter und sexueller Orientierung leben und arbeiten liesse. Echte Diversität kostet allerdings mehr, als eine Kampagne zu finanzieren. Sie verlangt uns Arbeit und Geduld ab. Wenn ein Unternehmen wirklich Vielfalt zulassen will, sollten Leitungsebene und HR, Kommunikation und Marketing, Teams und Mitarbeitende bereit sein, aus ihrer Komfortzone hinauszugehen, ihre Grenzen zu öffnen und zu ringen um einen Umgang mit einer Vielfalt, die unberechenbar und umso bereichernder sein kann.

Zeigt ein Unternehmen hingegen einfach bunte Bildchen mit gemischten Teams, ohne die Werte umzusetzen, wendet es sich letztlich gegen die Ziele der Diversity-Bewegung: Es verletzt die Würde von Menschen, wenn es sie allein als Mittel benutzt, um ihr Image zu pimpen und Profit aus ihnen zu schlagen. Es sonnt sich in den Werten des Respekts, der Verantwortung und des sozialen Fortschritts und wirft dabei einen Schatten über die Missstände, die die Diversity-Bewegung zu beseitigen sucht.

Sollten Unternehmen also besser die Finger von Diversity-Marketing lassen? Keineswegs. Wenn die Unternehmensführung, Teams und Mitarbeitende bereit sind, ihre Grenzen zu öffnen und sich auf Vielfalt einzulassen, wenn alle gewillt sind, Arbeit und Geduld aufzubringen, können alle gewinnen. Im besten Fall führen die Begegnungen mit dem Neuen und Anderen zu echten Transformationsprozessen bei Mitarbeitenden, im Unternehmen und in der Gesellschaft.



Dana Sindermann leitet an der Paulus Akademie Zürich den Bereich Wirtschafts- und Sozialethik. Sie ist ausserdem als Lehrbeauftragte an der Universität St. Gallen tätig.

Zum Thema Diversity-Marketing & -Management findet am 24. Mai von 19 bis 20.30 Uhr eine öffentliche Podiumsdiskussion in der Paulus Akademie statt: «Zwischen Anerkennung und Imagepflege – Was bringt Diversity-Management in Unternehmen?»

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