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Das Ende der Eigenmarken?

Die Migros ist schon sehr speziell und sehr schweizerisch. Das Erbe von Gottlieb Duttweiler ist ein Grosses. In jeder Hinsicht: Alkohol, Tabak und auch das riesige Eigenmarkensortiment.

In den vergangenen Jahren wurden immer wieder scheinbar heilige Migros-Kühe geschlachtet, wie die Einführung einer zentralen Beschaffungsstelle, der Verkauf der Fachmärkte oder die Machtverschiebung von Zürich zur neuen Supermarkt AG. Das Geschäftsmodell der Migros wurde – meist nach heftigen Grabenkämpfen – der Gegenwart angepasst.

Migros ist gemäss vielen Studien die stärkste Marke der Schweiz. Und genau deshalb sind hier die Grenzen besonders wichtig. Wie viel Tradition braucht die Marke, und wie viel Veränderung ist noch gut? Da braucht es Fingerspitzengefühl, Zukunftsbejahung und Selbstbewusstsein. Erschwerend kommen die preisgünstigen Wettbewerber wie Aldi und Lidl hinzu.

Ja, Migros hat sich verzettelt, wollte zu viel und das alles gleichzeitig. Bewusste Grenzüberschreitung ist wichtig und gut, aber zu viel und zu schnelles Agieren sind nie gut, auch wenn sich die Zeiten und die Handelslandschaft rapide verändern. Im zu eifrigen und schnellen Handeln begeht man Fehler, verliert seinen Fokus, vernachlässigt sein Profil und riskiert seine Relevanz am Markt.

Der Kunde ist vorne, da wo das Geld ist

Produktion ist ein handelsfernes Geschäft, denn es findet hinten in der Wertschöpfungskette statt. Verlockend ist es trotzdem. Warum die Marge den Markenherstellern überlassen, wenn man sie auch im Konzern behalten kann? Und weitere Argumente, die gerne genutzt werden: Es lassen sich exklusive, sprich nur schwer vergleichbare Eigenmarken anbieten, über die Qualität wird selbst bestimmt, und den Kunden können auch noch bessere Preise angeboten werden.

Der Kampf tobt jedoch vorne, da wo der Kunde ist und da wo das Geld sitzt. Die digitalen Anbieter zeigen dem klassischen Handel, wie wichtig es ist, die Kundenschnittstelle zu besetzen und zu besitzen. Wer näher an seinen Kunden ist als der Wettbewerb, der gewinnt. Das ist besonders bedrohlich für Händler, die sich aufgrund ihrer Fokussierung auf den hinteren Teil der Wertschöpfungskette zu sehr von ihren Kunden entfernt haben. Sie können die Wünsche der Kunden nicht mehr richtig antizipieren oder die jungen Generationen nicht mehr verstehen. Hier muss die Migros Zeit, Aufmerksamkeit und Geld investieren, um wieder richtig gut zu werden.

Spitzenleistung erfordert Fokus

Man kann nicht in allem gut sein. Auch eine Migros nicht. Es gibt Sortimentsbereiche, in denen Eigenmarken Sinn machen (frische Lebensmittel und Convenience-Food), denn sie bringen Profil und steigern die Attraktivität des Händlers. Dort, wo nur die Grössenvorteile zählen, bei gleichzeitig wenig Differenzierungsmöglichkeit (Tissues, Waschmittel usw.), hat man als vergleichsweise kleiner Hersteller keine Chance, mithalten zu können. Das können die globalen oder spezialisierten Markenhersteller besser. Deren Kompetenzen geschickt zu nutzen, sie mit dem eigenen Sortiment zu verweben und sich dann vor allem auf seine Kunden und deren sich immer schneller wandelnde Wünsche, Sehnsüchte und Träume zu konzentrieren, macht eine Migros attraktiv und auch in Zukunft relevant.


 

Klaus-Dieter Koch ist Gründer und Chief Enabling Officer der Managementberatung BrandTrust.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 

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