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Just don't do it, Nike

Inken Rohweder von Trotha

Nett ist neben nett bekanntlich noch etwas: die kleine Schwester von … Daran musste ich denken, als ich neulich Nikes Logo-Tweak sah. Der Beitrag zu den Geschehnissen um die Gewalttat am Amerikaner George Floyd: Just don't do it.

WTF? Ich google «Nike Executives». No surprise: Alle so weiss wie meine Beine im Frühling. Aber vielleicht hat man einfach keinen passenden Kandidaten gefunden, der die viel zitierte Diversität verkörpern würde? Das kennt man ja auch hierzulande, nur weniger hautfarben ausgeprägt als vielmehr geschlechterbezogen.

Ich möchte einer Firma, die unter anderem mit ihrer grossartigen Kommunikation Millionen Menschen über Jahrzehnte beeindruckt hat keineswegs Rassismus vorwerfen – aber das ist vielleicht auch falsch. Denn es reicht nicht, sich kommunikativ auf der richtigen Seite der Geschichte zu positionieren, während Menschen in Billiglohnländern ausgebeutet und in Führungsriegen ausgeblendet werden.

Nicht aktiv etwas zum Besseren beizutragen, macht mich nicht automatisch zur Anti-Rassistin, obwohl ich innerlich von meiner guten Einstellung überzeugt sein mag. Und wenn es einer Firmenleitung nicht daran gelegen ist, Personen, die nicht ihrem Ebenbild entsprechen zuzuhören, ihnen gleiche Chancen zu bieten, sie zu fördern und sie vielleicht manchmal zu suchen, ist diese Firma weder anti-rassistisch, noch pro Gleichberechtigung. Und wir wären wieder bei nett.

Ich bin der Meinung, dass die Trägen, die Disskussionsmüden und die, die glauben, globale Probleme wären nicht ihr Problem sich letztlich über ihre Duldung schuldig machen. Der Slogan «Umparken im Kopf» der die Marke Opel vor einigen Jahren aus dem Koma befreite, würde ganz gut als gesamtgesellschaftlich Aufforderung funktionieren.

Dazu fällt mir der illuminierende TED-Talk des amerikanischen Soziologen Michael Kimmel ein. Kimmel erzählt, wie er sich als Student als einziger (weisser) Mann unter Studentinnen in einer Debatte wiederfand, die gut den «blind spot» beschreibt, der uns beispielsweise beim Thema Rassismus auf Amerika zeigen lässt und uns einflüstert: Na, so schlimm ist es bei uns ja nun nicht.

Kimmel überhörte das Gespräch einer weissen und einer schwarzen Studentin. Die Weisse sagte ungefähr: «Alle Frauen haben das gleiche Problem mit dem Patriachat und sind sich gegenüber dementsprechend solidarisch eingestellt.» Die schwarze Frau entgegnete, sie sei sich da nicht so sicher. Sie sagte zur Weissen: «Wenn Du morgens erwachst und in den Spiegel kuckst, was siehst du da?» Und die weisse Frau sagte: «Ich sehe eine Frau. Sagte die Schwarze: Siehst du, das ist das Problem für mich. Wenn ich morgens aufwache und in den Spiegel schaue, sehe ich eine schwarze Frau. Für mich ist Rasse sichtbar. Für Dich ist Rasse unsichtbar. Du siehst sie nicht.» Und dann sagte sie etwas Bemerkenswertes: «So funktioniert Privileg. Privilegien sind unsichtbar, für die sie sie haben.»

Kimmel realisierte, dass er sich als weisser Mann sozusagen als «Default-Mensch» im Spiegel sieht und weder Geschlecht noch Rasse für ihn erkennbar ist! Und so gehts vielen – wobei den wenigsten irgendwann ein Geistesblitz gesellschaftlich relevanten Ausmasses vergönnt ist.

Wenn die ihren Privilegien gegenüber Unbewussten noch länger die überwältigende Mehrheit derer an der Macht ausmachen, dann wirds nicht schnell genug gut genug auf diesem Planeten. Und dann gibts ja neben denen auch noch die «wirklich Bösen». Ich würde bevorzugen, wenn Nike wieder «Just do it» sagt und mit Taten statt Worten als Marke vorangeht. Wir können echte Vorbilder in allen Bereichen gebrauchen.



Inken Rohweder von Trotha ist selbstständig als Art & Creative Director. Sie hat das Michael & Helga Conrad Scholarship for Creative Leadership an der Berlin School gewonnen.

Die Autorin vertritt ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 

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