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Plumpe Strategien mit Erfolg

Marcus Knill

Die Coronakrise führt vielfach zu vermehrtem Fernsehkonsum. Wer tagsüber im Homeoffice arbeitet oder in der Isolation die TV-Programme durchzappt, stellt fest, dass auf vielen Kanälen Teleshopping-Werbesendungen dominieren. Da werden Fitnessgeräte, superscharfe Küchenmesser, die Wunderpfanne «Black Doubletta», ein Weltmeister der Sauberkeit «Touchless Mop», ein Beistelltisch, ein «Magic Pad», ein Handstaubsauger oder das Küchengerät «Livington Sumo Slicer» und vieles mehr feilgeboten. Es ist nicht nötig, alle diese Werbesendungen anschauen, um zu erkennen, dass die Spots genau gleich gestrickt sind.

Zuerst werden die Vorteile und die leichte Handhabung mit Videofilmchen demonstriert – im Gegensatz zu den unhandlichen, mangelhaften Konkurrenzprodukten, welche mit Schwarz-Weiss-Sequenzen eingeblendet werden. Dann wird der Preis mit teureren Angeboten verglichen. XY kostet nicht 200 Franken, keine 100 Franken, auch nicht 70 Franken, sondern nur 49.90 Franken. «Jetzt kommt der Hammer», wird verkündet. Es folgen sogenannte Geschenke: «Wenn Sie sofort bestellen, bekommen Sie gratis noch ein zweites Gerät. Das ist aber nicht alles: Sie erhalten noch mehrere Zutaten. Sensationell: Sie sparen also XY Franken», verspricht die Off-Stimme. Zufriedenheitsgarantie und die portofreie Zustellung wird versprochen. Ratenzahlungen sind möglich, sowie die Begleichung der Rechnung mit Einzahlungsschein.

Meist folgt auch noch ein zeitlicher Druck. «Sie müssen sofort handeln!» Oder es wird behauptet, es gebe nur noch kurze Zeit diese Produkte, die im offiziellen Handel nicht bezogen werden können. Oder es heisst: «Und jetzt die Sensation! Wenn Sie sofort anrufen und bestellen, schenken wir Ihnen zwei Raten.»

Obwohl wir diese plumpen Strategien rasch durchschauen, ertappen wir uns, zum Hörer greifen zu wollen, um eines der angepriesenen Wunderprodukte zu kaufen. Weshalb lassen wir uns trotz der plumpen Verkaufstechniken so schnell beeinflussen und möchten etwas kaufen, das wir gar nicht benötigen? Robert B. Cialdini, ein US-amerikanischer Psychologe und emeritierter Professor für Psychologie und Marketing der Arizona State University, hat die wichtigsten Strategien der Beeinflussung zusammengestellt. Bei den Werbesendungen werden sie konkret angewandt. Cialdini nennt unter anderem folgende bewährten Prinzipien, denen wir uns kaum entziehen können:

Beim Prinzip der Verknappung wirken die Produkte attraktiver, als wenn sie in genügender Anzahl zur Verfügung stehen: «Greifen Sie zum Hörer, es gibt nur noch 20 Geräte!» Auch beim Ausverkauf in Warenhäusern wird die Verkaufsdauer künstlich verknappt.

Beim Prinzip der Gegenseitigkeit neigen Menschen dazu, Gefälligkeiten zu erwidern: «Gib etwas und Du bekommst etwas zurück.» Dieses Prinzip wirkt bei sogenannten Geschenken mit grossem Erfolg.

Das Prinzip «Wir passen uns den Menschen an» (Sozial Proof) beeinflusst ebenfalls unser Verhalten. Der Mensch ist ein Herdentier. Wir orientieren uns an anderen Menschen. Ich mache etwas, weil es andere auch tun. Was andere denken, was andere wollen, muss wohl gut sein. Wir stellen uns in die Warteschlange. Das Abstimmungsverhalten in einer Landsgemeinde bestätigt uns dieses Phänomen. Wenn viele Hände in die Höhe gehen, folgen die Hände zahlreicher Unentschlossener. Falls jedoch die Mehrzahl der Anwesenden zögert, bleiben die Hände der Unentschlossenen unten.

Obwohl wir uns diesen Phänomenen kaum entziehen können, finde ich es wichtig, dass wir sie kennen. Wer sich ihrer bewusst ist, läuft weniger Gefahr, unbedacht zu bestellen. Doch für jene, die beeinflussen müssen, lohnt es sich, solch bewährte Beeinflussungsmechanismen einzusetzen.



Hören statt lesen: Diese Kolumne gibt es auch als Audioblog (Sprecher: Dominik Zeltner)



Marcus Knill ist Experte für Medienrhetorik und Autor der virtuellen Navigationsplattform für Kommunikation und Medien rhetorik.ch.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 

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