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Politologen im medialen Rampenlicht

Die Politikwissenschaft hat sich immer für Wahlen interessiert. Wahlkämpfe wurden hingegen lange Zeit ignoriert. In letzter Zeit hat sich jedoch sowohl in der Wissenschaft wie in der Praxis einiges verändert. Die Wählerschaft wird selbst in der Schweiz volatiler, die traditionellen Prognosemodelle versagen. Gleichzeitig hat sich die Medienlandschaft massiv verändert und diversifiziert. Wohl auch deshalb gibt es mittlerweile eine Gruppe von Forschern welche sich den Themen Wahlkampf und politisches Marketing angenommen hat. Diese Forscher haben mittlerweile ihre eigenen Journale und Lehrgänge. Und in der Schweiz hat sich der CAS Politische Kommunikation an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften etabliert, wo sich jedes Jahr zwei Dutzend Leute aus Politik, Verwaltung und Journalismus weiterbilden lassen.

Das unqualifizierte Bashing von Politologen – ausgetragen vor allem in anonymen Kommentarspalten von Onlinenewsportalen – ist nichts Neues. Tatsache ist aber, dass auch in unserem Bereich Monopole, Erklärungshoheiten und eingerostete Strukturen zunehmend herausgefordert werden. Dies führt positiverweise dazu, dass es heute mehr Austausch gibt zwischen Leuten, welche Wahlen und Wahlkampf erforschen und denjenigen, welche sie im gewählten Amt ausüben oder damit ihren Lebensunterhalt verdienen. So sind neue Portale wie DeFacto.expert, restmandat.ch, smartvote.ch oder polithink.ch eine tolle Sache. Die Erkenntnisse der Politikwissenschaften werden in eine Sprache übersetzt, welche Praktiker und interessierte Bürger verstehen. Natürlich kann man dabei immer anderer Meinung sein und sich gelegentlich irren. Trotzdem wird der politische Diskurs mit einem wissenschaftlichen Hintergrund reflektiert und bereichert.

Im Journalismus wurde während der letzten Jahre querbeet derart gespart, dass dieser Austausch nicht zuletzt auch deshalb einen echten Mehrwert bringt. Medien und Journalisten sind immer mehr direkt auf die Expertise von Wissenschaftlern angewiesen. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Daniel Bochsler hat in den letzten Jahren zahlreichen Leuten das System der Listenverbindungen und Restmandate erklärt. Regula Stämpfli rüttelt die politische Debatte regelmässig vom Ausland aus auf. Pascal Sciarini erklärt den Westschweizer Journalisten seit Jahr und Tag wie die Schweizer Politik funktioniert.

Unternehmertum ist in den Sozialwissenschaften leider spärlich vorhanden. Der Reflex der Hochschulabsolventen geht in Richtung staatlicher Bereich. Im letzten Jahrzehnt hat sich in der Schweiz diesbezüglich einiges getan. Es gibt mittlerweile immer mehr Sozialwissenschaftler, welche den Weg ins Unternehmertum gefunden haben – häufig an der Schnittstelle von Medien und Wissenschaft. Zum Beispiel Claude Longchamp. Er ist und bleibt der Pionier der politischen Meinungsforschung in unserem Land. Michael Hermann hat Anschaulichkeit und Nachvollziehbarkeit in den politischen Diskurs gebracht. Mark Balsiger erklärt in seinen Büchern das Einmaleins des Wahlkampfes in der Schweiz.

Dass man im Jahr 2015 über den eigenen Tellerrand hinausschaut, erscheint mir selbstverständlich und die internationale Perspektive unabdingbar. Logischerweise hat jedes Land seine eigene, politische Kultur und sein historisch gewachsenes System. Das heisst aber nicht, dass man nicht lernen und sich inspirieren lassen kann. Internationalität und Mehrsprachigkeit gehören ja auch in der Privatwirtschaft nicht grundlos zu den meist genannten Anforderungen.


Louis Perron arbeitet als Politologe und Politberater. Während der letzten Jahre hat er mitgeholfen, mehr als ein Dutzend Wahl- und Abstimmungskämpfe im In- und Ausland zu gewinnen. Er hat unter anderem an der Graduate School of Political Management an der George Washington University in Washington D.C. studiert.

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