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Trifft der Frust das falsche Ziel?

Hebe die Hand, wer schon einmal genervt war, dass ein Werbebanner die Inhalte eines Newsportals verdeckt hat. Ja, es stimmt: Davon ist auch persoenlich.com nicht verschont. Nau.ch ist noch einen Schritt weitergegangen. Letztens hat die Plattform ein neues Marketingformat vorgestellt: das «Full-Page-Takeover».

Die Webseite des Portals übernimmt die Farben und andere Erkennungsmerkmale des Werbekunden. Den Start hat Sunrise gemacht. Nau.ch präsentierte sich entsprechend ganz im Sunrise-Rosa. Es gab Sunrise-Banner links und rechts sowie «Sponsored Content». Selbst der Cursor schleppte den Markennamen mit. Ein Klick auf den Farbhintergrund leitete direkt auf die Sunrise-Website.

Es lässt sich nicht leugnen: Onlinewerbung wird immer intrusiver. Für News-Portale ist das problematisch. Denn journalistische Inhalte sollten von Werbung klar getrennt sein. Gleichzeitig können gratis Newsportale nicht auf Werbung verzichten – sie leben davon.

Aber auch für den allgemeinen Nutzen von Websites und Apps ist diese Werbeflut störend. Zwei Drittel meines Facebook-Feeds bestehen aus bezahlten Inhalten (20 von 31 gescrollten Posts, um genau zu sein). Und diese sind in den wenigsten Fällen passend auf meinen Geschmack zugeschnitten (Auktion für Militärfahrzeuge aus Österreich? Wie bitte Algorithmus?). Ich spreche noch nicht einmal von den böswilligen Anzeigen – den sogenannten «bad ads».

Kein Wunder, dass Werbung punkto Popularität gerade nicht so hoch im Kurs steht. Ein Teil der Bevölkerung würde es sogar begrüssen, würde Werbung von den Strassen verschwinden. In zwei Genfer Gemeinden ist es schon Realität. In Zürich soll der Stadtrat eine entsprechende Vorlage erarbeiten.

Wer aber ab und zu unterwegs die Augen von seinem Handy hochhebt und herumschaut, merkt: Aussenwerbung ist auf den Strassen von Zürich alles andere als penetrant. Wer sich davon überzeugen will, soll nach einem Spaziergang den Hauptbahnhof besuchen, der nicht dem Reklamereglement der Stadt unterstellt ist. Da flimmert es links und rechts. Grossformatige Plakate hängen, wo es Platz hat.

Zudem wirbt ein guter Anteil der Aussenwerbung für Kulturangebote oder hiesige Unternehmen. Ich frage mich: Wird der Frust nicht an der falschen Werbegattung abgelassen?

Oder wie es Karpi an der letzten Edi-Verleihung schön auf den Punkt brachte: Macht es überhaupt einen Unterschied, wenn auf den Strassen von Zürich kommerzielle Werbung verboten wird? Am Ende schauen wir eh alle auf unsere Screens. Und da wird die Werbung nicht weniger.


Sandra Porchet ist Redaktorin bei persoenlich.com

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KOMMENTARE

Christian Hänggi
04.11.2025 21:28 Uhr
Sie haben absolut recht, dass die meisten Menschen auf ihre Handyscreens schauen. Das ist aber kein Argument für die Screens in der Aussenwerbung. Im Gegenteil. Vor zehn Jahren hat niemand einen Aufstand gemacht, weil es keine Werbescreens im öffentlichen Raum gab. Inzwischen haben die Bildschirme das Stadtbild komplett verändert. Und plötzlich ist für die Werbeindustrie ein Leben ohne Werbescreens undenkbar. Vielleicht wäre es Zeit, auf dem Handy einen Adblocker zu installieren, um wieder einmal einen klaren Gedanken zu fassen, der nicht vom Kommerz- und Konsumzwang bestimmt ist.
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