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Unangemessene Worte eliminieren

Marcus Knill

Es ist oft nicht einfach, treffende Formulierungen zu finden. In einem Kommunikationsseminar bat der Leiter die Teilnehmenden, dem Übungspartner fünf Minuten lang stumm in die Augen zu schauen und dann zu schildern, was dabei empfunden wurde. Eine Teilnehmerin sagte: «Das hat mich wahnsinnig betroffen gemacht.» Nach den Rückmeldungen erlaubte sich eine Kursbesucherin, diese Aussage in Frage zu stellen. «Wenn man bei dieser Übung wahnsinnig betroffen gemacht worden ist, kann ich mir nicht vorstellen, was man dann sagen will, wenn ein Angehöriger gestorben ist.»

Wenn wir das Gesagte wortwörtlich nehmen, kann uns bewusst werden, dass oft unbedacht formuliert wird. Wir erkennen, wenn Worte deplatziert sind. Gute Kommunikation zeichnet sich durch treffende Formulierungen aus. In Krimis habe ich bei der Untertitelung festgestellt, dass die Texter die Art der Musik für Hörbehinderte unpräzis oder fragwürdig beschreiben. Ich notierte mir einige Formulierungen bei den Untertiteln:

nachdenkliche Musik – bewegte Musik
gefühlvolle Musik – energische Musik
optimistische Musik – entspannte Musik
erwartungsvolle Musik – angespannte Musik
vorsichtige Musik – unheilvolle Musik
unruhige Musik – treibende Musik
motivierte Musik – verstörte Musik
düstere Musik – unheimliche Musik
freundliche Musik – beklemmende Musik
bedrohliche Musik – bedrückte Musik
elegante Musik – hoffnungsvolle Musik
aufgewühlte Musik – neugierige Musik.

Ich kann mir nicht gut vorstellen, dass viele dieser Beschreibungen von Hörbehinderten richtig verstanden werden. Es ist hilfreich, diese Formulierungen einzeln zu hinterfragen, beispielsweise: Wie klingt motivierte Musik? Kann Musik hoffnungsvoll sein? Fröhliche, traurige oder feierliche Musik können wir uns gut vorstellen. Wie klingt hingegen neugierige Musik?

Lesen Sie die erwähnten Adjektive einmal kritisch durch. Sie werden bestimmt Formulierungen finden, die nichts aussagen, keine oder sogar falsche Assoziationen wecken.

Bei allen Kommunikationsprozessen sind präzise Worte immer wichtig. Sie müssen stets passen. Treffend formulieren ist und bleibt eine Kunst.


Marcus Knill ist Experte für Medienrhetorik, Berater und Autor von rhetorik.ch.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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