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Was Agenturen von Amazon und Apple lernen können

Thomas Ruck

Unter den fünf wertvollsten Unternehmen der Welt stechen zwei Namen besonders hervor: Amazon und Apple. Beide haben auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun – und dennoch haben sie zwei Dinge gemeinsam. Erstens, ihr Geschäft besteht nicht einfach nur darin, Produkte zu verkaufen oder Dienstleistungen anzubieten. Sie schaffen Kundenerlebnisse. Und zweitens: Sie integrieren die verschiedenen dafür notwendigen Ingredienzen so clever, dass daraus einzigartige Erlebnisse entstehen. Von diesem «Erfolgsmodell» sollten sich auch Agenturen inspirieren lassen, wie ich meine.

Werfen wir zunächst einen genaueren Blick auf die Stärken: Amazon ist heute der weltweite grösste Retailer und hat nahtlos alle Schritte der ganzen Kette hin zum Kunden integriert: Retail, Grosshandel, Logistik, Werbung, Devices, Cloud-Services. Mit diesem verknüpften Angebot setzt Jeff Bezos einen neuen Massstab für Kundenerlebnisse im E-Commerce, die von anderen Anbietern kaum zu kopieren sind.

Das Gleiche bei Apple: Betriebssystem, Apps, der App Store, das Retail-Erlebnis, die Geräte (Mac, iPhone, iPad, Watch, TV, AirPods), die Services (Musik, Apple TV+, Arcade) bis hin zu den Prozessoren (Apple Silicon) sind so eng miteinander verknüpft, dass für die Kunden am Ende ein komplett durchgängiges Nutzererlebnis entsteht.

Ben Thompson hat diesen unschlagbaren Vorteil von integrierten Lösungen schon vor sechs Jahren in seinem Blog Stratechery auf den Punkt gebracht: «Moreover, integrated solutions will always be superior when it comes to the user experience: if you make the whole thing, you can ensure everything works well together, avoiding the inevitable rough spots and lack of optimization that comes with standards and interconnects.»

Was bedeutet das für die Agentur-Welt?

Auch in unserer Branche geht es darum, die besten Erlebnisse für die Kunden unserer Klienten zu schaffen. Und auch hier gilt: Nur wer alle Disziplinen von Produkt- bis hin zu Markenerlebnissen eng aufeinander abstimmt und in einem holistischen Ansatz miteinander integriert, kann Erlebnisse bauen, die sich in der heutigen Experience Economy wirklich abheben. Alles andere ist nur oberflächliche Innovation. Apple-Hardware ohne Apple-Software? Undenkbar. Amazons Online-Shoppingerlebnis ohne sofortige Lieferung? Undenkbar. Für uns Agenturmenschen bedeutet das: Ein neues digitales Angebot ohne ein klares Verständnis der zu lösenden Pain Points aus Konsumentensicht, ohne das richtige Messaging-Framework für die Positionierung, ohne die Datenbasis für eine personalisierte und automatisierte Kundenansprache auf den richtigen Kanälen? Genauso undenkbar. Deshalb gehört den Experience-Agenturen die Zukunft.  

Die Herausforderung liegt aber nicht nur auf Agenturseite; auch die Auftraggeber müssen integriert denken. Denn wenn sie ihre Ausschreibungen in verschiedene Lose aufteilen und jeden Anbieter isoliert voneinander arbeiten lassen, setzen sie die falschen Anreize: Preis und kleinteilige KPIs rücken in den Vordergrund, nicht integrierte Lösungen. So ist das Budget zwar auch ausgegeben, es entstehen aber kaum Angebote und Erlebnisse, in die sich Konsumenten verlieben und der Effekt auf das Geschäft dürfte gering sein.

Wenn aber beide – Agentur und Auftraggeber – integriert denken und arbeiten, brauchen sie keine Angst vor der Zukunft zu haben. Echte Experience-Agenturen werden dadurch zu den Apples und Amazons der Agenturlandschaft. Gemeinsam mit ihren Kunden revolutionieren sie die Branchen ihrer Auftraggeber ebenso wie Apple und Amazon das einst geschafft haben. Mein Learning aus den Erfolgsgeschichten der beiden Experience-Pioniere lautet daher: Innovation ist gut, Integration noch besser. 



Thomas Ruck ist Geschäftsführer von Accenture Interactive in der Schweiz. 

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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