von Christian Beck
Eine Todesanzeige verkündet das Ableben von «Klassische W. Agentur». «Mit grossen Schmerzen ist sie kürzlich von uns gegangen, die klassische Werbeagentur», heisst es im Schreiben. Trotz Lebenslust vermochte etwas das edle Gemüt zu trüben: «Die Forderung, auch noch verkaufen zu müssen. Den Ruf nach Direct Marketing und mehr Umsatz überhörte sie». Wer den Text liest, merkt, dass es sich um eine Werbung der Post für ihr Direktmarketing handelt.
In den Sozialen Medien warf diese Todesanzeige hohe Wellen:
Werbung darf provozieren. Aber, sorry liebe @PostSchweiz, eine von Hand adressierte Todesanzeige zeugt von ganz schlechtem Geschmack. pic.twitter.com/UdMIj5fHwN
— Beat Krapf (@bkrapf) 22. November 2016
«Meine Assistentin hatte das an mich adressierte Mailing vorsorglich entsorgt, was für sie spricht. Ich habe das Mailing erst in den Sozialen Medien gesehen. Der treffendste Kommentar in einem Wort: jenseits», ergänzt Havas-CEO Frank Bodin auf Anfrage von persoenlich.com. Und weiter: «Das Mailing ist geschmacklos und unüberlegt. Die Agenturen und die Post sind Geschäftspartner – in einer guten Partnerschaft erwartet man eher einen Liebesbrief.»
Post krebst zurück
Das Direct Mailing wurde an 260 Creative Directors von Schweizer Werbeagenturen verschickt. «Mit dieser Werbeaktion wollte die Marketingabteilung des Bereichs PostMail Aufmerksamkeit für das Direct Mailing im Werbemix schaffen», sagt Post-Sprecherin Jacqueline Bühlmann auf Anfrage. Und: «Mit dieser Aktion sollte bewusst provoziert werden, um die Aufmerksamkeit dieser Zielgruppe zu erhalten.»
Der Bogen wurde aber offenbar überspannt. Die Reaktionen waren laut Bühlmann mehrheitlich negativ. Deshalb: «Diese Aktion wurde sofort gestoppt. Sie war mit der Konzernkommunikation nicht abgesprochen», so Bühlmann. Die Verantwortlichen von PostMail würden sich nun schriftlich bei den betroffenen Werbeagenturen entschuldigen. «Die Post will und darf mit ihren Aktivitäten keine Gefühle verletzen.»
Die dazugehörige Microsite post.ch/ewigesleben wurde am Donnerstag kurz vor Mittag vom Netz genommen, respektive verweist jetzt auf ein Kontaktformular für eine Direct-Marketing-Beratung.
«Schmunzeln – dann weiterarbeiten»
Auf der Microsite waren auch diverse Statements von Werbern platziert, darunter eines von Dennis Lück, Chief Creative Officer und Mitglied der Geschäftsleitung von Jung von Matt/Limmat. «Ich verdanke Direct Marketing viel. Wenn man zeitgemäss damit umgeht, dann ist Direct Marketing nach wie vor eine Macht», sagt Lück gegenüber persoenlich.com.
Dass das Post-Mailing für Unmut sorgte, kann Lück verstehen. «Hier wird ja ein Agenturmodell für tot erklärt. Dass das provoziert und Reaktionen hervorruft, das muss von Anfang an klar und kalkuliert gewesen sein. Ich vermute: Die Reaktionen waren Teil der Idee. Man hat das Stilmittel der Provokation gewählt, und die Aufmerksamkeit hat es nun. Ganz gleich, ob man es doof oder gut findet.»
Dass Agenturen sterben, weil sie kein Direct Mail verwenden würden, habe hoffentlich niemand ernsthaft geglaubt. «Ich kann nur empfehlen: Kurz schmunzeln, und dann weiter an der nächsten Kommunikations-Idee arbeiten. Egal ob am Direct Mail oder am krass viralen Banner.»
Entwickelt hat das Direct Mailing die Agentur am Flughafen. «Wenn man an eine Werbeagentur Werbung verschickt, wird man kritisch beäugt», sagt René Eugster, Executive Creative Director der Agentur am Flughafen, auf Anfrage.
Kommentare
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Elmar Bernet, 28.11.2016 11:31 Uhr
Hm, hier traf motivierter werber engagierten postbote ... -
Michi Müheler, 25.11.2016 14:03 Uhr
auffallen soll man ja, aber bitte mit stil und charme. beides fehlt komplett bei diesem mailing. es ist billig und zeugt von schlechtem geschmack. -
R. Mueller, 25.11.2016 10:10 Uhr
Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Wenn man sich für die Variante «Provokation» entscheidet, sollte man zumindest einen Plan B haben. Plan B kann aber nicht eine Entschuldigung und die Abschaltung einer Microsite sein. -
Axel Beckmann, 25.11.2016 09:18 Uhr
Sind das nicht die Agenturen, die schon seit Jahren den Tod der Mediaagenturen proklamieren (bzw. erhoffen). Sollen sich mal nicht so anstellen. -
Chris Heyduk, 25.11.2016 09:02 Uhr
Gar nicht so falsch, das mit dem Begraben der klassischen Werbeagenturen. Die müssen alles ums Überleben kämpfen, viele haben bereits dicht gemacht. Und an den Reaktionen merkt man, dass dieses Mailing genau in diese Wunde drückt. -
Fabio Aresu, 25.11.2016 08:33 Uhr
Die Aufmachung ist etwas fragwürdig, aber inhaltlich gar nicht so weit entfernt von der Wahrheit. Klassische Werbeagenturen sind Dinosaurier, und der Vulkan brodelt schon. -
Beny Steiner, 25.11.2016 06:29 Uhr
oioioi...bad news -
Anita Irniger, 25.11.2016 00:32 Uhr
Oh, macht nicht zu viel Werbung für DM. Ich bin froh, dass diese Art Werbung etwas in Vergessenheit gerät. Damit bekommen unsere Mailings mehr Beachtung. Für kleine Budgets immer noch eine effiziente und einfache Art seine Kunden zu erreichen. -
Max Weber, 24.11.2016 20:24 Uhr
Gratulation. Eine goldene Himbeere für das geschmackloseste Mailing aller Zeiten. -
Céleste urech, 24.11.2016 17:01 Uhr
Mehr Aufmerksamkeit als all die faden Agenturen hat diese Aktion jedenfalls generiert. Was daran jetzt so schlimm sein soll... -
Pascale Hoch, 24.11.2016 16:47 Uhr
wann und wo findet die trauerfeier denn jetzt statt? endlich wär ich mal passend gekleidet. in meinem klassischen werber-schwarz. aber wie auch immer. hauptsache man hat darüber gesprochen. jetzt weiss ich wenigstens endlich, von wem die post betreut wird. haha -
Tom Tries, 24.11.2016 14:20 Uhr
Habe das Mailing ebenfalls erhalten: Klar ist es geschmack- und pietätlos. Zudem finde ich den Insight falsch. Denn welche klassische W.Agentur (wie doof) ist denn bitte "nach kurzer Gegenwehr erlegen"? Sollte man nicht eher Agenturen ermutigen, DM zu machen, als ihnen den Tod zu unterstellen? Auch finde ich das ganze verdammt unkreativ. Letztlich wird ja nur eine Todesanzeige abgekupfert. Mein Fazit: schlecht gemacht, schlecht gedacht. RIP. -
Andrea Ullius, 24.11.2016 13:23 Uhr
Ich bin also schon etwas überrascht, wie "die Werber" reagieren. Selber nie um eine Provokation verlegen, aber hier Unverständnis zeigen. Gewiss, man kann darüber streiten, ob diese Aktion der Post nun originell war oder nicht. Inhaltlich trifft sie jedoch ziemlich ins Schwarze. Bei all der digitalen Hysterie aktuell wird handfeste (offline) Kommunikation gerne vergessen. Gerade die Aktion der Post zeigt doch, dass gutes DM mindestens gleich beachtet wird, wie die zigtausendste Landingpage oder E-Mail-Kampagne. Vielleicht liegt meine Sicht aber auch daran, dass ich nicht so viel von der Materie verstehe.