19.08.2012

Wikileaks

Assange spricht von Botschaftsbalkon

"Hexenjagd" soll enden.

Nach Monaten des Schweigens hat Wikileaks-Gründer Julian Assange das Ende der Verfolgung seiner Enthüllungsplattform gefordert. Vom Balkon der ecuadorianischen Botschaft in London appellierte Assange am Sonntag an US-Präsident Barack Obama: "Tun Sie das Richtige und beenden Sie die Hexenjagd gegen Wikileaks." Assange warf den USA in seinem rund zehnminütigen Auftritt die Unterdrückung der Meinungsfreiheit vor. "Wie Wikileaks sind die Meinungsfreiheit und die Gesundheit unserer Gesellschaften bedroht", sagte Assange. Zugleich forderte Assange die Freilassung des mutmasslichen Wikileaks-Informanten Bradley Manning. "Wenn Bradley Manning getan hat, was ihm vorgeworfen wird, ist er ein Held und einer der bedeutendsten politischen Häftlinge der Welt." Dem Auswerter der US-Armee droht wegen Geheimnisverrats eine lebenslange Haftstrafe.

Assange bedankte sich bei Eucuador und anderen südamerikanischen Ländern. Sie hätten trotz "Drohungen" zu ihm gestanden. Wie es mit ihm weitergeht, liess er offen. Der Australier hatte sich nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel gegen seine Auslieferung nach Schweden in die diplomatische Vertretung des lateinamerikanischen Landes geflüchtet, das ihm Asyl gewährte. Assange soll in Schweden zum Vorwurf der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung befragt werden. Der 41-Jährige fürchtet nach eigener Aussage, von Schweden an die USA ausgeliefert zu werden. Dort drohe ihm die Todesstrafe. Mit der Veröffentlichung zehntausender geheimer US-Depeschen durch Wikileaks hatte Assange den Zorn Washingtons auf sich gezogen. Assange trat auf dem Balkon der Botschaft auf und bewegte sich damit auf diplomatisch unverletzlichem Gebiet: Laut der Wiener Konvention ist die Hoheitsgewalt der Behörden des Gastgeberlandes dort ausser Kraft gesetzt. Andernfalls hätte Assange eine Festnahme durch die britische Polizei riskiert.

Vor der Botschaft standen rund 50 Kamerateams, Dutzende Fotografen und mehrere hundert Unterstützer. Eine Hundertschaft der Polizei sperrte die Strasse im Londoner Stadtteil Knightsbridge ab. Britischen Medienberichten zufolge soll Assange im Streit über seine Auslieferung kompromissbereit sein. Die BBC berichtete am Sonntag unter Berufung auf die "Sunday Times", Assange sei bereit, die ecuadorianische Botschaft zu verlassen, wenn ihm vonseiten der schwedischen Regierung garantiert werde, dass er von dort aus nicht in die USA abgeschoben werde. Sein Anwalt Baltasar Garzón deutete an, dass sein Mandant weitere juristische Schritte in Betracht ziehe: "Assange hat seine Anwälte beauftragt, einen juristischen Schritt zu vollziehen, um die Rechte von Wikileaks, von Julian selber und allen, gegen die derzeit ermittelt wird, zu schützen", erklärte Garzón. Weitere Details nannte er nicht. Assange sei in "Kampfstimmung".

Der Ton zwischen Grossbritannien und Ecuador war in der vergangenen Woche rauer geworden. London hatte angedeutet, notfalls für eine Festnahme Assanges in die ecuadorianische Botschaft eindringen zu wollen, um seine internationalen Verpflichtungen zu erfüllen. Der britische Aussenminister William Hague sagte später, es gebe keine solche Drohung. Der Präsident Ecuadors, Rafael Correa, bezeichnete das Vorgehen Londons am Samstag als "inakzeptabel, intolerabel, taktlos und rücksichtslos". Sein Land habe "eine souveräne Regierung, die vor niemandem niederkniet". (sda)


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