06.07.2020

Sommerserie über Podcasts

«Da ist noch viel Luft nach oben»

Podcasts boomen, auch an Medienhäusern: Nick Lüthi, Redaktionsleiter von medienwoche.ch und Medienexperte, über einen Trend und dessen Chancen und Tücken für den Schweizer Journalismus.
Sommerserie über Podcasts: «Da ist noch viel Luft nach oben»
Nick Lüthi ist Redaktionsleiter von Medienwoche.ch. (Bild: Keystone-SDA/Gaëtan Bally)

Herr Lüthi, hören Sie regelmässig Podcasts?
Ja. Zum einen berufsbedingt, da ich seit Jahren über Podcasts schreibe. Zum andern privat. Ich höre oft zeitversetzt Radiosendungen, das sind technisch gesehen ja auch Podcasts.

Dann sind wir schon mitten in der Definitionsfrage: Was ist ein Podcast?
Ein Podcast hat für mich zwei Dimensionen. Die eine ist die technische. Es handelt sich um eine Tondatei, die man entweder streamen oder herunterladen kann. Ein Podcast erscheint in der Regel als Serie, von der regelmässig neue Folgen erscheinen. Die andere Dimension ist die inhaltliche. Im Gegensatz zum Massenmedium Radio werden Podcasts in der Regel für eine bestimmte Zielgruppe gemacht. Als journalistische Aufbereitung eines bestimmten Themas. Die Ansprache ist intim und direkt, das Format suggeriert Nähe. Wenn das «Echo der Zeit» einen Podcast macht, dann duzen sich die Redaktorinnen und Redaktoren. Das würde bei der Radiosendung nie passieren.

Im Gegensatz zu Radiosendungen kommen Podcasts häufig etwas «handgemacht» daher.
Podcasts müssen nicht bis ins letzte Detail technisch geschliffen sein, was es auch zu einem «Do it yourself»-Medium macht. Es gibt viele Podcasts, die inhaltlich spannend, technisch aber grottenschlecht produziert sind. Auch bei den Podcasts, die von Zeitungsverlagen gemacht werden, gibt es erhebliche Qualitätsunterschiede.

Kann man in der Schweizer Medienbranche von einem Podcast-Trend sprechen?
Ja. Drei der vier grossen Zeitungsverlage, also NZZ, Tamedia und Ringier, produzieren eigene Podcasts. CH Media ist bis jetzt noch zurückhaltend. Die drei Verlage gehen aber sehr unterschiedlich an die Sache heran. Die NZZ hat als erstes Schweizer Medium strategisch investiert und Podcasts produziert, die technisch und inhaltlich hervorragend sind. Zum Beispiel «Sihlquai» der NZZ am Sonntag. Dahinter steckt ein ganzes Team an Fachleuten, darunter auch ein Tontechniker. Bei Tamedia und Ringier hingegen wird kaum Geld investiert. Man lässt die Journalistinnen und Journalisten, die meistens im Sprechen nicht geschult sind, einfach mal machen und setzt auf Trial and Error. So muss man bei vielen Podcasts ziemlich am Thema interessiert sein, um bis am Ende durchzuhalten.

«Sihlquai der NZZ am Sonntag ist technisch und inhaltlich hervorragend»

Warum widmen sich traditionelle Printmedien dann überhaupt dieser Übertragungsform?

Podcasts sind mit den grossen internationalen Streamingplattformen wie Spotify oder iTunes verknüpft und ermöglichen den Medienhäusern eine neue Sichtbarkeit, was natürlich sehr reizvoll ist. Das Problem aber ist, dass Werbung in Podcasts noch überhaupt nicht etabliert ist. Während Videowerbung längst gängig ist, gibt es noch keinen Podcastwerbemarkt. Solange Medienhäuser an Podcasts nichts verdienen können, werden die meisten auch nicht viel Geld investieren.

Ist Werbung in Podcasts also bloss eine Frage der Zeit?
Das ist schwierig zu sagen. Zum einen belegen Studien, dass Podcastwerbung von Hörerinnen und Hörern gut akzeptiert wird, dass also nur wenige bei einem Werbeunterbruch abschalten. Interessanterweise wird jene Werbung am besten aufgenommen, die der Gastgeber im Podcast selber liest. Vorproduzierte Einspieler wie bei den Privatradiosendern kommen dagegen weniger gut an. Der Journalist des Medienpodcasts müsste die Werbung also selbst vorlesen, was medienethisch heikel ist. Zum andern ist Podcastwerbung schwer zu skalieren. Man macht sie für einen bestimmten Podcast und kann sie nicht verlinken oder sonst weiterverwenden.

Sie haben in einem Artikel geschrieben, dass der Podcastboom vergleichbar sei mit dem Blogboom von vor zehn Jahren.
Der Vergleich basiert darauf, dass das Blog ebenso wie der Podcast heute den Journalistinnen und Journalisten eine neue Freiheit gab. Man kann in einem anderen Ton schreiben, spricht eine kleinere Zielgruppen an, kann experimentieren, ohne ein finanzielles Risiko einzugehen. Gleichzeitig können Blogs und Podcasts kleinere und grössere Fangemeinden aufbauen. Das geht bis zu eingeschworenen Communitys, wie beim Fussballblog «Zum runden Leder». Wer sich nicht für Fussball interessiert, versteht diesen Blog womöglich gar nicht. Viele Blogs von Medien sind wieder verschwunden, einige haben sich etabliert, etwa der «Mamablog» des Tagesanzeigers.

«Die Kultur der Podcasts basiert eigentlich auf einer freien Zugänglichkeit»

Haben Podcasts von Printmedien gegen jene von Radios überhaupt eine Chance?
Zurzeit stehen die Podcasts der Radiosender an der Spitze der Hitlisten bei Spotify und Co. Das wird wohl so bleiben. Die Radios haben das Knowhow und technisch ganz andere Möglichkeiten als textbasierte Medien. Zudem kann das Radio Podcasts im eigenen Programm bewerben, was es viel einfacher macht.

Und ein Printmedium schafft mit den Podcasts – im Gegensatz zum Radio – eine Konkurrenz zum Hauptprodukt.
Die grosse Frage ist: Soll man bezahlpflichtige Podcasts machen oder nicht? Die Kultur der Podcasts basiert eigentlich auf einer freien Zugänglichkeit. Doch die Medien bemühen sich ja seit Jahren darum, den Leuten beizubringen, dass sie für Onlineinhalte bezahlen sollen. Wenn gleichzeitig die Podcasts als einzige gratis sind, ist das tatsächlich eine Art Kannibalisierung. Eine Patentlösung dafür gibt es nicht. Wenn man die Podcasts nur auf der eigenen Website hinter der Paywall zugänglich macht, hat man wenig Reichweite. Stellt man sie auf die grossen Plattformen wie Spotify, hat man die Reichweite, aber kaum Einnahmen.

Zum Schluss: Wir hatten die Blogs, jetzt die Podcasts. Was kommt als Nächstes?
Ich denke, dass die Podcasts noch lange nicht von einem anderen Trend abgelöst werden, weil sie grosses Potential haben. Auch, was den Zuhörermarkt betrifft. 2019 hörten 23 Prozent der Schweizer Bevölkerung einmal pro Monat einen Podcast, was verglichen mit anderen Ländern sehr wenig ist. Da ist noch viel Luft nach oben.


Diese Serie wurde von Keystone-SDA realisiert. Sie ist mit finanzieller Unterstützung aus dem Kredit «Verständigungsmassnahmen» des Bundesamtes für Kultur zustande gekommen. Autorin ist Maria Künzli.

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Es folgen in den nächsten Tagen weitere 13 Folgen.



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Kommentare

  • Christoph Keller, 08.07.2020 10:24 Uhr
    Sehr schön, dass es diese Serie gibt. Gerne aber auch mit einem Blick auf die Podcastszene in anderen Städten, und vielleicht mit einer kleinen Berücksichtigung von Podcastportalen, die sich auch in der Schweiz etablieren. Zum Beispiel www.podcastlab.ch.
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