Elon Musk will neue Nutzer seiner Online-Plattform X in den ersten Monaten Geld bezahlen lassen, damit sie Beiträge bei dem Twitter-Nachfolgedienst veröffentlichen dürfen. Das sei der einzige Weg, um die Aktivität automatisierter Bot-Accounts einzudämmen, schrieb Musk am Montag bei X. Es handele sich um einen «winzigen Betrag», betonte er, ohne eine Zahl zu nennen. Nach drei Monaten bei X sollen neue Nutzer dann kostenlos posten dürfen, fügte er hinzu.
Unfortunately, a small fee for new user write access is the only way to curb the relentless onslaught of bots.
— Elon Musk (@elonmusk) April 15, 2024
Current AI (and troll farms) can pass “are you a bot” with ease.
Musk hatte vor der Übernahme von Twitter im Oktober 2022 immer wieder angeprangert, dass es bei dem Dienst zu viele automatisierte Bot-Profile gebe. Zwischenzeitlich versuchte er sogar, mit dieser Begründung aus dem rund 44 Milliarden Dollar schweren Deal zum Kauf der Plattform herauszukommen. Doch die Aussicht, dass er vor Gericht zum Twitter-Kauf gezwungen werden könnte, brachte ihn schliesslich dazu, die Übernahme abzuschliessen. Danach versprach Musk immer wieder, das Bot- und Spam-Problem in den Griff zu bekommen. Aktuelle KI-Programme könnten die gängigen Tests, mit denen Bot-Accounts entlarvt werden sollen, mit Leichtigkeit bestehen, beklagte Musk nun.
X testete die Bezahlschranke als Gegenmassnahme bereits seit Herbst. Zunächst in Neuseeland und auf den Philippinen konnten neue Nutzer des Dienstes erst nach einer Zahlung von einem US-Dollar pro Jahr Beiträge veröffentlichen sowie Posts anderer zitieren oder weiterverbreiten. Kostenlos konnten sie X nur passiv nutzen: also Beiträge lesen, Videos ansehen und anderen Nutzern folgen.
Doch schon bei den Tests im vergangenen Jahr kam Skepsis auf. So merkte der IT-Sicherheitsexperte Marcus Hutchins an, ihm falle keine Bot-Aktivität ein, die sich mit der Gebühr von einem Dollar pro Jahr stoppen liesse. Eher werde der Schritt die Plattform Geld kosten. «Spammer werden gestohlene Kreditkarten verwenden – und die Kosten für Rückbuchungen werden höher sein als die Abo-Einnahmen», schrieb Hutchins beim Konkurrenzdienst Threads des Facebook-Konzerns Meta.
Bei Online-Plattformen ist es ungewöhnlich, Geld für Grundfunktionen zu verlangen. Wie viele Nutzer X aktuell hat, ist unklar, da der Dienst als nicht an der Börse notiertes Unternehmen keine Auskunft über sein Geschäft geben muss.
Seit Musks Twitter-Übernahme und der Umbenennung in X machen dem Dienst sinkende Umsätze zu schaffen. Der neue Firmenchef sagte mehrfach, dass sich die Werbeerlöse, mit denen Twitter fast ausschliesslich sein Geld verdiente, in etwa halbiert hätten. Viele Unternehmen befürchten auf Musks Plattform ein negatives Umfeld für ihre Marken und schränkten Anzeigen bei X ein oder gaben sie ganz auf. Im Gegenzug versuchte Musk, stärker auf Abo-Gebühren zu setzen. So liess er bereits einschränken, wie viele Beiträge pro Tag Nutzer sehen können, ohne eine Gebühr von mindestens drei Euro pro Monat zu bezahlen.
Erst Anfang des Monats hatte X bekannt gegeben, dass man einen «bedeutenden» Versuch starte, Spam- und Bot-Accounts loszuwerden. Diese können Nutzern zum Beispiel über Links zu dubiosen Seiten schaden, im besten Fall sind sie nur lästig. X warnte dabei, dass die Bot-Offensive die Follower-Zahlen beeinflussen könne, weil man «ein weites Netz» spanne. Nun greift Musk aber zur Abo-Keule.
Sein Dienst hat derweil eine ganz anderes Sorge: Hassrede. Der US-Sender NBC fand binnen einer Woche im März 150 Accounts zahlender Abo-Kunden, die in den vergangenen Monaten Nazi-freundliche und antisemitische Beiträge veröffentlichten.
Dabei seien die sieben populärsten Posts zusammen rund 4,5 Millionen Mal angezeigt worden, berichtete NBC am Dienstag. Gewaltverherrlichung und Hassrede sind bei X eigentlich verboten – doch immer wieder wird kritisiert, dass die Plattform die Regeln nicht konsequent anwende.
Ein Vorteil der Abo-Mitgliedschaft ist, dass Beiträge zahlender Kunden bevorzugt werden, wenn sich Nutzer ihre Timeline von Software sortiert statt in chronologischer Reihenfolge anzeigen lassen. Sie können auch einen Anteil des Geldes bekommen, das für Werbeanzeigen im Umfeld ihrer Beiträge ausgegeben wird. NBC kritisierte, dass X Nazi-Sympathisanten aus dunklen Ecken des Internets auf eine grosse Plattform bringe.
Musk bestreitet stets, dass X ein Hassrede-Problem habe. Er verweist auf Redefreiheit – und dass es einen Unterschied gebe, was Leute posteten und was die grosse Masse der Nutzer am Ende angezeigt bekomme. Musk steht selbst politisch auf Positionen der amerikanischen Rechten und beklagte wiederholt angeblichen Rassismus gegenüber Weissen an. Erst am Dienstag brachte er ein hypothetisches Szenario auf, dass künstliche Intelligenz beschliessen könne, Millionen Menschen zu töten, um Diversitätsziele zu erreichen. (awp/sda/dpa/cbe)